Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.01.1993, Az.: IX ZR 199/91

Haftung eines Notars wegen unterlassener Belehrung über Sittenwidrigkeit einer knebelnden Vertragsklausel; Besorgnis des Verjährungseintritts als erforderliches Feststellungsinteresse; Verjährungsverzicht begründet Einwand treuwidrigen Verhaltens gegenüber der Verjährungseinrede; Anforderungen an sittenwidrige Knebelung in Verträgen; Sittenwidrigkeit bei Verlust des Handlungs- und Entscheidungsspielraum einer GmbH; Anforderungen an subjektives Element der Sittenwidrigkeit bei § 138 BGB; Möglichkeit der Unterbrechung des rechtlichen Zurechnungszusammenhanges; Behandlung einer dem Erblasser anzulastenden Amtspflichtverletzung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
07.01.1993
Aktenzeichen
IX ZR 199/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 16805
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 17.07.1991
LG Essen

Fundstellen

  • MDR 1993, 692-693 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1993, 1587-1589 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1993, 890-892 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1993, 1189-1192 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Renate E. geborene G., V. straße ..., E., als Testamentsvollstreckerin über den Nachlaß des am 28.09.1985 verstorbenen Rechtsanwalts und Notars Hans-Ulrich L.,

Prozessgegner

Dr. Josef P., P. straße ..., B.,

Amtlicher Leitsatz

Zur Haftung eines Notars wegen unterlassener Belehrung über die Sittenwidrigkeit einer knebelnden Vertragsklausel.

In dem Rechtstreit
hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Januar 1993
durch
den Vorsitzenden Richter Brandes
und die Richter Dr. Schmitz,
Dr. Kreft,
Kirchhof und Dr. Fischer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Juli 1991 - ergänzt und berichtigt durch Beschluß vom 3. August 1991 - aufgehoben.

  2. 2.

    Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlaß des verstorbenen Notars L. aus E. Dieser hatte am 12. März 1982 einen Vertrag zwischen dem Kläger und der Firma B. T. BST H. und T. GmbH (fortan: GmbH) beurkundet, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Kaufmann S. war. Darin verpflichtete sich der Kläger unter anderem zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 200.000,00 DM sowie zur Übernahme einer persönlichen Bürgschaft oder Beschaffung einer Bankbürgschaft bis zur Höhe von 1 Mio DM. Darüber hinaus war vereinbart, daß ein vom Kläger bereits gewährtes Darlehen über 800.000,00 DM in der Zukunft mit 15 % p.a. verzinst werden sollte. In § 7 unterwarfen sich die GmbH und deren insoweit für sich persönlich handelnder Geschäftsführer, der den Verpflichtungen der GmbH aus der Urkunde als Mitschuldner beitrat, wegen der Ansprüche des Klägers der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. § 8 des Vertrages enthielt unter anderem folgende Regelung:

"Im übrigen sind sich die Vertragsparteien über folgendes einig:

Die laufenden Geschäfte werden nach außen von dem Erschienenen zu 1) (Geschäftsführer der GmbH) für die Darlehnsnehmerin (GmbH) weitergeführt. Im Innenverhältnis bedarf der Geschäftsführer der Zustimmung des Darlehnsgebers (Kläger) zu sämtlichen Rechtsgeschäften, die der Geschäftsführer überhaupt vornehmen kann. Der Darlehnsgeber kann einseitig den Verkaufspreis von Eigentumswohnungen festlegen, unter 2.500,00 DM pro qm nur mit Zustimmung des Geschäftsführers. Der gesamte Zahlungsverkehr ist nur durch gegengezeichnete Überweisungen abzuwickeln, wobei die Gegenzeichnung entweder durch den Darlehnsgeber oder Herrn Steuerberater Hubert W. erfolgen muß.

Darüber hinaus hat der Darlehnsgeber ein umfassendes Informationsrecht über alle Angelegenheiten der Darlehnsnehmerin. Er ist insbesondere berechtigt, jederzeit die Geschäftsräume der Darlehnsnehmerin zu betreten und die Geschäftsbücher und Unterlagen einzusehen sowie sich hiervon Aufzeichnungen zu machen und mündlich oder schriftlich Auskünfte von allen Mitarbeitern der Darlehnsnehmerin zu verlangen.

Der Darlehnsgeber kann diese Rechte durch einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten ausüben lassen."

2

In § 9 erteilte die GmbH dem Kläger und dessen Steuerberater Vollmacht zur Abgabe aller Erklärungen im Rahmen der Abwicklung zweier näher bezeichneter Bauvorhaben.

3

Im Dezember 1983 erhob der Geschäftsführer der GmbH, über deren Vermögen unterdessen Anschlußkonkurs eröffnet worden war, Klage mit dem Ziel, die Vollstreckung des Klägers aus der notariellen Urkunde vom 12. März 1982 sowie aus weiteren, mit dieser in Zusammenhang stehenden Urkunden für unzulässig zu erklären. Das Landgericht gab der Klage unter anderem mit der Begründung statt, der Vertrag sei wegen einer in §§ 8 und 9 enthaltenen sittenwidrigen Knebelung gemäß § 138 BGB nichtig. Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 1987 waren auch die nicht abschließend geklärten Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages Gegenstand von Gesprächen, die zum Abschluß eines Vergleichs in diesem Termin führten. Der Geschäftsführer der GmbH verpflichtete sich darin zur Zahlung von 400.000,00 DM nebst Zinsen. Damit sollten alle Forderungen zwischen den Prozeßparteien ausgeglichen sein. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben. Am 16. Juni 1989 beantragte der Geschäftsführer der GmbH die Fortsetzung des Rechtsstreits und focht den Vergleich wegen arglistiger Täuschung an. Durch Urteil vom 27. April 1990 stellte das Oberlandesgericht die Erledigung des Rechtsstreits durch den Vergleich fest.

4

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 7. November 1986 auf die Einrede der Verjährung verzichtet hatte, soweit diese nicht bereits eingetreten war, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er zunächst (August 1989) Zahlung eines Teilbetrages von 25.000,00 DM, ab November 1989 die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen unterlassener Belehrung über mögliche Risiken und sittenwidrige Bestandteile des Vertrages vom 12. März 1982 begehrt hat. Hilfsweise hat er seinen Antrag dem Umfang nach auf den anderweitig nicht gedeckten Schaden beschränkt. Äußerst hilfsweise hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller aus der Beurkundung des Vertrages entstandenen Schäden beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, der Vertrag sei insbesondere wegen Sittenwidrigkeit seines § 8 unwirksam, und hat behauptet, der Erblasser habe ihn weder hierüber noch über Zweifel an der Wirksamkeit belehrt. Er selbst - der Kläger - habe seine Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat dem in erster Linie gestellten Feststellungsantrag im wesentlichen entsprochen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO).

7

I.

Ohne Erfolg bleiben allerdings die gegen die Zulässigkeit der Klage geführten Angriffe.

8

1.

Das Berufungsgericht hat das Feststellungsinteresse aus der Besorgnis des Verjährungseintritts abgeleitet. Ein einfacherer Weg habe dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden. Er sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung zwar in der Lage gewesen, seinen Anspruch zu beziffern und möglicherweise im Wege der Leistungsklage zu verfolgen. Im Hinblick auf die Anfechtung des im Vorprozeß geschlossenen Vergleichs sei jedoch für den Kläger wieder unsicher geworden, ob er die durch den Vergleich erworbene Position hätte behalten oder bei Fortsetzung des Rechtsstreits ein günstigeres Ergebnis hätte erreichen können. Die für den Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage maßgeblichen prozeßökonomischen Gründe hätten im Streitfall keine erhebliche Bedeutung, denn der Kläger habe auch bei der Erhebung einer Leistungsklage zunächst nur mit einem Grundurteil rechnen können, welches er dann durch die Instanzen hätte verteidigen müssen, um danach in das Betragsverfahren überzugehen.

9

2.

Diesen Ausführungen ist im wesentlichen beizupflichten.

10

a)

Der Kläger hatte ein anzuerkennendes Interesse, die Unterbrechung der Verjährung seiner Ansprüche durch die Erhebung der vorliegenden Feststellungsklage zu bewirken. Der "Verzicht" der Beklagten auf die Einrede der Verjährung steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Eine solche Erklärung begründet den Einwand treuwidrigen Verhaltens gegenüber der Verjährungseinrede, solange der diesem Einwand zugrundeliegende Vertrauenstatbestand fortbesteht. Wird er - etwa durch die endgültige Ablehnung der Ersatzpflicht - zerstört, vermag lediglich eine alsbaldige Klageerhebung die Durchsetzbarkeit des Anspruchs zu wahren (vgl. BGH, Urt. v. 6. Dezember 1990 - VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975 m.w.N.). Zumindest nach der im Dezember 1987 erklärten Ablehnung jeglicher Schadensersatzleistung durch die Haftpflichtversicherung des Erblassers bestand für den Kläger ein Bedürfnis, die Verjährungsunterbrechung durch Erhebung einer Klage herbeizuführen.

11

b)

Der Kläger war nicht gehalten, seinen Schadensersatzanspruch im Wege der Leistungsklage zu verfolgen. Als der Geschäftsführer der GmbH den im Vorprozeß geschlossenen Vergleich anfocht und die Fortsetzung des Rechtsstreits verlangte, entstand eine unklare Rechtslage. Die Bezifferung der Schadenshöhe hätte eine Prognose über den endgültigen Ausgang des Vorprozesses erfordert. Hierauf brauchte sich der Kläger nicht einzulassen. Es kommt entgegen der Ansicht der Revision nicht auf die Erfolgsaussicht des Antrags auf Fortsetzung des Rechtsstreits, sondern allein auf die durch ihn begründete tatsächliche Unsicherheit über den auf dem vermeintlichen Notarfehler beruhenden Schadensumfang an.

12

c)

Darüber hinaus ist der Kläger durch einen gerichtlichen Hinweis darin bestärkt worden, von dem ursprünglich im Wege der Teilklage verfolgten Zahlungsantrag auf den zuvor angekündigten Feststellungsantrag überzugehen. Das Landgericht hat in der ersten mündlichen Verhandlung unter anderem auf Zweifel an der Begründetheit des Zahlungsbegehrens wegen einer aufgrund der Fortsetzung des Vorprozesses ungeklärten anderweitigen Ersatzmöglichkeit hingewiesen (GA 108). Dem hat der Kläger Rechnung getragen, indem er endgültig den Zahlungsantrag nicht weiterverfolgt, sondern nur noch Feststellung begehrt hat. Dann ist ein Feststellungsinteresse nicht zu verneinen, auch wenn sich die Rechtsauffassung später als unrichtig herausstellt (vgl. BGHZ 28, 123, 126 f).

13

d)

Der Kläger war schließlich auch nicht gehalten, von dem Feststellungsantrag erneut auf einen Zahlungsantrag überzugehen, nachdem der Vorprozeß durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts endgültig abgeschlossen war und der Schaden damit feststand. Vielmehr durfte der Kläger an der zulässigen Feststellungsklage ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung des Schadens festhalten (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 1988 - IX ZR 278/87, WM 1988, 1352, 1354 m.w.N.; v. 21. Dezember 1989 - IX ZR 234/88, WM 1990, 695, 696).

14

II.

Soweit das Berufungsgericht der Klage in der Sache stattgegeben hat, ist die Revision begründet.

15

1.

Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht allerdings einen Notarfehler bejaht. Es hat die in § 8 des Vertrags getroffene Regelung nach § 138 Abs. 1 BGB wegen sittenwidriger Knebelung für unwirksam gehalten und den Fehler des Notars damit begründet, daß er die Vertragsparteien nicht über die Sittenwidrigkeit belehrt habe.

16

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Eine sittenwidrige Knebelung liegt vor, wenn die wirtschaftliche Entfaltung einer Vertragspartei in einem Maße beschnitten wird, daß diese ihre Selbständigkeit und wirtschaftliche Entschließungsfreiheit im ganzen oder in einem wesentlichen Teil einbüßt (vgl. RGZ 130, 143, 145; BGHZ 44, 158, 161 [BGH 12.07.1965 - II ZR 118/63]; BGH, Urt. v. 28. Juni 1974 - V ZR 169/72, LM BGB § 138 Bc Nr. 13; auch BGHZ 19, 12, 18). Eine derartige Knebelung war hier als Folge der Regelung in § 8 des Vertrages gegeben. Aufgrund der Klausel war die Gesellschaft einer umfassenden und lückenlosen Kontrolle unterworfen. Eine effektive wirtschaftliche Betätigung war vollständig von der Mitwirkung des Klägers abhängig. Er konnte durch Verweigerung seiner Zustimmung jeglichen Geschäftsabschluß verhindern und so die Verwirklichung der Unternehmensziele auf Entscheidungen beschränken, die seinen Vorstellungen entsprachen. Die so geschaffene Abhängigkeit wurde durch die Einräumung der Aufsicht über den gesamten Zahlungsverkehr noch erheblich verstärkt. Die GmbH hatte dem Kläger alle Überweisungen zur Gegenzeichnung vorzulegen. So konnte dieser die Bereitschaft der Firma zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen und damit auch deren Bonität entscheidend beeinflussen. Die vollständige Überwachung des Betriebes der Gesellschaft wurde auch durch die ihr auferlegte Informationspflicht sichergestellt, die nicht einmal Raum für einen Kernbereich von Geschäftsgeheimnissen ließ, die dem Kläger nicht zu offenbaren waren. Im übrigen waren die Befugnisse des Klägers nicht allein auf Kontrolle und Information beschränkt; vielmehr hatte er sich eigene Entscheidungskompetenzen in dem für das Unternehmen besonders wichtigen Bereich der Preisgestaltung beim Verkauf von Eigentumswohnungen einräumen lassen. Unter Einhaltung eines Mindestbetrages von 2.500,00 DM pro qm durfte er den Verkaufspreis einseitig festlegen. Bei den Bauvorhaben "Veleda-/Wüstenhöferstraße" und "Jahnplatz" konnte er sogar aufgrund der ihm in § 9 des Vertrages erteilten unwiderruflichen Vollmacht seine Entscheidungen ohne Mitwirkung des Geschäftsführers realisieren und die Gesellschaft Dritten gegenüber verpflichten.

17

Insgesamt wirkten sich die dem Kläger eingeräumten Rechte dahin aus, daß der GmbH ein von seinem Willen unabhängiger Handlungs- und Entscheidungsspielraum nicht verblieb. Ohne seine Mitwirkung durfte sie sich überhaupt nicht rechtsgeschäftlich betätigen. Eine eigenverantwortliche unternehmerische Planung zur Verwirklichung selbst gesetzter kaufmännischer Ziele war ihr nicht möglich. Soweit der Kläger beim Verkauf von Eigentumswohnungen eigene Entscheidungen treffen und einseitig die Preise festlegen durfte, war er demgegenüber keiner Kontrolle unterworfen und nicht auf die Zustimmung der Gesellschaft angewiesen. Eine derartige Verteilung der Einflußmöglichkeiten beschränkte die Entschließungsfreiheit der GmbH in einem Maße, das mit den guten Sitten nicht mehr vereinbar ist. Sie griff in den Kernbereich der Unternehmensleitung ein und führte zur Aufgabe der Selbständigkeit der Gesellschaft.

18

Weder der von den Vertragsparteien verfolgte Sanierungszweck noch das beträchtliche finanzielle Engagement des Klägers vermag der Regelung des § 8 den Charakter sittenwidriger Knebelung zu nehmen. Die wohlverstandenen Interessen eines Gläubigers, der ein in Not geratenes Unternehmen finanziell unterstützt, können zwar die Ausübung einer gewissen, unter Umständen auch weitgehenden Kontrolle über die Geschäftsführung durch ihn rechtfertigen; allerdings muß dem Schuldner stets noch eine ausreichende wirtschaftliche Bewegungsfreiheit verbleiben (BGH, Urt. v. 20. Dezember 1957 - VI ZR 188/56, DB 1958, 220; OLG Frankfurt am Main OLGZ 1967, 260, 262). Diese Voraussetzung erfüllte die Vertragsregelung über die dem Kläger eingeräumten Kontrollbefugnisse nicht. Die Überwachung durch ihn betraf alle geschäftlichen Entscheidungen und ließ der Gesellschaft keinen Bereich freier wirtschaftlicher Betätigung mehr.

19

Sämtliche den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründenden Umstände waren dem Kläger bekannt. Zu Recht erkennt das Berufungsgericht darin das subjektive Element der Sittenwidrigkeit. Die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB erfordert weder das Vorliegen einer Schädigungsabsicht noch das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit (BGH, Urt. v. 27. Januar 1988 - VIII ZR 155/87, NJW 1988, 1373, 1374 [BGH 27.01.1988 - VIII ZR 155/87]; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 138 Rdnr. 32, 16; RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, BGB 12. Aufl. § 138 Rdnr. 73, 30; MünchKomm/Mayer-Maly, BGB 2. Aufl. § 138 Rdnr. 111 f).

20

Die Möglichkeit einer Sittenwidrigkeit der Regelung in § 8 des Vertrages hätte der Erblasser bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt erkennen können und gemäß § 17 Abs. 2 BeurkG mit den Beteiligten erörtern müssen. Das Unterbleiben jeglichen Hinweises, auch hierin ist dem Berufungsgericht zu folgen, stellt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung im Sinne des § 19 Abs. 1 BNotO dar.

21

2.

Deshalb ist die Beklagte als Testamentsvollstreckerin (§ 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB) grundsätzlich gehalten, dem Kläger den aus der Amtspflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen. Dabei ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars genommen hätten. Darüber hat der Tatrichter im Rahmen des § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden (BGH, Urt. v. 14. Mai 1992 - IX ZR 262/91, WM 1992, 1533, 1538; v. 5. November 1992 - IX ZR 260/91, z.V.b.).

22

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadensverursachung halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Berufungsrichter ist davon ausgegangen, die Sittenwidrigkeit der Regelung in § 8 führe gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Dem Kläger wären zumindest die Kosten des Vorprozesses erspart geblieben, wenn auf einen Hinweis des Erblassers die in § 8 vereinbarten Kontrollbefugnisse reduziert worden wären.

23

a)

Diese Erwägungen sind von Rechtsirrtum beeinflußt.

24

aa)

Mit Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe bei der Anwendung des § 139 BGB wesentliches Parteivorbringen außer Acht gelassen. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründungsschrift vorgetragen, zur Vermeidung einer Knebelung der GmbH wäre er zum Verzicht auf seine Kontrollbefugnisse bereit gewesen (GA 174). Aber nicht nur sein mutmaßlicher Wille war auf das Zustandekommen des Vertrages im übrigen gerichtet, sondern auch der des Geschäftsführers der GmbH. Maßgebend für diese Feststellung ist die Frage, welche Entscheidung er bei Kenntnis von der Nichtigkeit der sittenwidrigen Regelung nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1986 - III ZR 114/86, NJW 1986, 2576, 2577). Der Revision ist darin zuzustimmen, daß für den Geschäftsführer der GmbH vom Einverständnis mit dem Abschluß des Vertrages bei Fortfall der sittenwidrigen Bestimmung ausgegangen werden kann, weil diese für die Gesellschaft und ihn einen ausschließlich nachteiligen Inhalt hatte. Ferner hat unter Bezugnahme auf das Vorbringen des Klägers im Vorprozeß die Beklagte sich ebenfalls darauf berufen, im Falle der Sittenwidrigkeit der Regelungen in § 8 hätten die Parteien zumindest die weiteren Vereinbarungen aufrechterhalten (GA 211). Unter Berücksichtigung dieses insoweit unstreitigen Parteivorbringens durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, die Sittenwidrigkeit der in § 8 enthaltenen Regelung habe gemäß § 139 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages geführt, weil nicht angenommen werden könne, daß die Vertragschließenden die Wirksamkeit des Vertrages auch in Kenntnis der Umstände gewollt hätten.

25

bb)

Darüber hinaus hat es das Berufungsgericht versäumt, den Versuch des Geschäftsführers der GmbH, sich von dem Vertrag zu lösen, am Grundsatz von Treu und Glauben zu messen. Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, daß die sittenwidrige Regelung der Kontrollrechte des Klägers ausschließlich dessen Interessen diente. Im Vorprozeß hatte dieser nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten angegeben, er habe nie die Absicht gehabt, die ihm eingeräumten Befugnisse auszuüben. Damit hat er hinreichend deutlich gemacht, daß er auf die Einhaltung dieses Vertragsteils keinen Wert legte, seinen Vertragspartnern gegenüber aber gleichwohl auf der Erfüllung der Vereinbarungen im übrigen bestand. Es ist allgemein anerkannt, daß der Einwand des Rechtsmißbrauchs es einer Vertragspartei verwehrt, sich unter Berufung auf § 139 BGB ihrer Vertragspflichten insgesamt zu entledigen, wenn lediglich eine einzelne abtrennbare Regelung unwirksam ist, die allein den anderen Vertragspartner begünstigt und dieser unbeschadet des Fortfalls der Regelung am Vertrag festhalten will (BGH, Urt. v. 27. Januar 1983 - IX ZR 95/81, WM 1983, 267, 268; Urt. v. 25. April 1985 - III ZR 27/84, WM 1985, 993, 994; Urt. v. 21. Februar 1989 - KZR 18/84, GRUR 1991, 558, 559; Soergel/Hefermehl, BGB 12. Aufl. § 139 Rdnr. 46 f; BGB-RGRK/Krüger-Nieland/Zöller a.a.O. § 139 Rdnr. 9; Staudinger/Dilcher a.a.O. § 139 Rdnr. 29; Palandt/Heinrichs, BGB 52. Aufl. § 139 Rdnr. 16).

26

War es für die GmbH und deren Geschäftsführer nicht möglich, sich im Hinblick auf die Regelung in § 8 einseitig von dem Vertrag zu lösen, so hat der Kläger weder durch den Vertragsschluß selbst, noch durch die Erfüllung der übernommenen Pflichten einen vom Erblasser zu ersetzenden Schaden erlitten.

27

b)

Greift § 139 BGB nicht ein, kann dem Kläger ein Schaden allenfalls aus dem Abschluß des Vergleichs im Vorprozeß entstanden sein. Das Berufungsgericht meint, ohne den Notarfehler hätte der Kläger den Vorprozeß auf der Basis eines wirksamen Vertrages ohne diejenigen Risiken führen können, die letztlich den Anlaß zu dem Vergleichsschluß gegeben hätten. Nichts spreche dafür, daß er sich aus anderen Gründen auf einen Vergleich gleichen Inhalts und gleicher Kostenregelung eingelassen hätte. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis mit Erfolg. Da der Abschluß des Vergleichs auf dem eigenen Verhalten und Entschluß des Klägers beruhte, hätte das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Unterbrechung des rechtlichen Zurechnungszusammenhanges in Betracht ziehen müssen. Der erforderliche haftungsrechtliche Zusammenhang kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 19. Mai 1988 - III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100; v. 16. Januar 1990 - VI ZR 170/89, VersR 1990, 495, 496; v. 16. Januar 1992 - III ZR 197/90, WM 1992, 956, 958 m.w.N). Voraussetzung der Haftung des Schädigers ist dann, daß für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlaß bestand oder daß diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses Ereignis darstellt (BGH, Urt. v. 29. Oktober 1987 - IX ZR 181/86, DNotZ 1988, 383, 386 f; v. 7. Januar 1988 - IX ZR 7/87, DNotZ 1989, 41, 42; v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, z.V.b.). Ob der Abschluß eines Vergleichs, der den Schaden erst herbeiführt, den rechtlichen Zurechnungszusammenhang unterbricht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Geschädigten im Falle einer gerichtlichen Entscheidung und sein Interesse an einer raschen Streitbeendigung zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 19. Mai 1988 a.a.O.). Die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Klägers gegen die Vollstreckungsgegenklage des Geschäftsführers Schultheis waren im Streitfall hoch einzuschätzen. Da sich die Folgen der Sittenwidrigkeit auf die Regelungen in § 8 des Vertrages beschränkten, hinderten sie eine Vollstreckung aus der Urkunde im übrigen nicht. Der Umstand, daß der Kläger sich bei der Beurteilung seines eigenen Prozeßrisikos möglicherweise geirrt und deshalb den Vergleich abgeschlossen hat, schließt die Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs nur dann aus, wenn eine solche Reaktion durch den Notarfehler herausgefordert worden ist. Ob der Kläger aufgrund der unterbliebenen Belehrung über die Nichtigkeit der Vereinbarungen in § 8 hinreichenden Anlaß hatte, zur Vermeidung von Nachteilen den Vergleich zu schließen, vermag der Senat auf der Grundlage der bisher vorgetragenen Anhaltspunkte nicht abschließend zu entscheiden. Insbesondere lassen die getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Schlüsse darauf zu, wie vorteilhaft oder nachteilig die Vergleichsregelungen für den Kläger waren. Zur Begründung des Zurechnungszusammenhangs kann dieser sich nicht allein darauf stützen, das Oberlandesgericht habe im Vorprozeß Bedenken an der Wirksamkeit des Vertrages insgesamt geäußert. Jedenfalls dann, wenn der Kläger - dies hat das Berufungsgericht offengelassen - auf Ansprüche verzichtet hat, die ihm auch bei unterstellter Nichtigkeit des Vertrages zugestanden hätten, käme eine Haftung des Erblassers für den aufgrund des Vergleichs entstandenen Schaden mit Einschluß von Prozeßkosten nicht in Betracht.

28

Aus den aufgezeigten Gründen ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

29

III.

1.

Sollte das Berufungsgericht im Rahmen der erneuten Prüfung zu der Auffassung gelangen, daß ein rechtlicher Zurechnungszusammenhang zwischen der dem Erblasser anzulastenden Amtspflichtverletzung und einem durch den Abschluß des Vergleichs im Vorprozeß ausgelösten Schaden besteht, so wird die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO zu erwägen sein. Es liegt im Bereich des Wahrscheinlichen, daß der Abschluß des Vergleichs auf einer Fehleinschätzung der Prozeßrisiken des Klägers beruhte. Wenn die Nichtigkeit der Regelung in § 8 die Wirksamkeit des Vertrages im übrigen unberührt ließ, ergab sich hieraus kein Grund, die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegen die Vollstreckungsgegenklage in Zweifel zu ziehen. Hat der damalige Prozeßbevollmächtigte den Kläger auf diesen Umstand nicht hingewiesen, könnte dies eine Pflicht des Anwalts zum Ersatz des durch den Vergleichsabschluß entstandenen Schadens begründet haben (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 15. Dezember 1960 - III ZR 141/59, VersR 1961, 276, 278; v. 5. Januar 1968 - VI ZR 137/66, VersR 1968, 450, 451; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, WM 1988, 987, 990 f; OLG Stuttgart VersR 1984, 450 f; OLG Düsseldorf VersR 1988, 1048 [OLG Düsseldorf 18.09.1986 - 8 U 72/85]; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht Rdnr. 175; auch BGB-RGRK, 12. Aufl. § 839 Rdnr. 508 f).

30

2.

Sollte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ausscheiden, wäre ein Mitverschulden des Klägers am Eintritt des Schadens zu prüfen. Ein solches kann auch im Abschluß eines Vergleichs liegen, in welchem der Geschädigte ohne Einschaltung des Notars Rechte aufgibt (vgl. RG DNotZ 1942, 264; Seybold/Hornig BNotO 5. Aufl. § 19 Rdnr. 54). Ein Verschulden seines Anwalts im Vorprozeß ist dem Kläger gemäß § 278 BGB zuzurechnen (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juni 1981 - VI ZR 148/79, WM 1981, 942, 943; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars 4. Aufl. Rdn. II 288).

31

3.

Sofern der Kläger mit seinem Hauptantrag letztlich keinen Erfolg hat, ist eine Entscheidung über die Hilfsanträge von der Klärung der Frage abhängig, für welchen Fall diese gestellt sein sollen.

Brandes
Schmitz
Kreft
Kirchhof
Fischer