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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.03.1986, Az.: III ZR 236/84

Rechtsweg für die Geltendmachung des Anspruchs eines Postsparers auf Auszahlung seines Postsparguthabens; Geltung der Grenzen der Legitimationswirkung eines Sparbuchs bei einem Postsparbuch; Auszahlung des Postsparguthabens bei Vorlage des Berechtigungsscheines; Voraussetzung für die Befreiung der Bank von ihrer Leistungspflicht

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.03.1986
Aktenzeichen
III ZR 236/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 13563
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 03.10.1984
LG Dortmund

Fundstellen

  • MDR 1986, 916 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1986, 2104-2107 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1986, 1104 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Für den Anspruch des Postsparers auf Auszahlung seines Postsparguthabens ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

  2. b)

    Die Grenzen der Legitimationswirkung eines Sparbuchs gelten auch für das Postsparbuch ohne Berechtigungsausweis (Fortführung von BGHZ 64, 278).

In dem Rechtsstreit
hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Kröner, Boujong, Dr. Engelhardt und Dr. Werp
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Oktober 1984 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsrechtszuges.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen sind die Töchter und gesetzlichen Erben des am 25. Januar 1978 verstorbenen Walter B. Zu dessen Nachlaß gehörte u.a. ein Guthaben in Höhe von ca. 50.000,- DM auf einem Postsparkonto, über das ein sogenanntes Postsparbuch ohne Berechtigungsausweis ausgestellt war, das sich im Besitz des Erblassers befand. Nach dessen Tod, von dem die Klägerinnen erst im Juni 1978 erfuhren, nahm zunächst die mit dem Erblasser befreundet gewesene Frau J. das Postsparbuch und die dazu ausgestellte Ausweiskarte an sich. Sie hob von dem Guthaben insgesamt 3.500,- DM ab, davon 1.500,- DM in dem Zeitraum vom 1. bis 14. März 1978.

2

Danach gab sie das Postsparbuch nebst Ausweiskarte an den Neffen des Erblassers E.B. weiter, den sie für dessen einzigen lebenden Verwandten hielt. Gegenüber dem Postsparkassenamt kündigte E.B. das Postsparguthaben in Höhe von 46.000,- DM "sofort". Das Kündigungsformular war von E.B. ausgefüllt worden; es trug die - streitig, ob echte oder von E.B. gefälschte - Unterschrift des Erblassers. Am 28. März 1978 erhielt E.B. gegen Vorlage des Postsparbuchs, der Ausweiskarte, seines Bundespersonalausweises und der ihm zwischenzeitlich zugegangenen Rückzahlungsanweisung beim Hauptpostamt Dortmund 46.000,- DM ausgezahlt. Davon gab er 18.000,- oder 19.000,- DM an Frau J. weiter. Weitere Abhebungen, die E.B. in der Folgezeit tätigte, sind nicht mehr Gegenstand dieses Rechtsstreits.

3

E.B. ist aufgrund dieses Sachverhaltes wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt worden. Die Klägerinnen haben gegen ihn einen vollstreckbaren Titel auf Zahlung von 43.247,48 DM nebst Zinsen erwirkt. Vollstreckungsversuche sind erfolglos geblieben. Frau J. hat ihnen außergerichtlich 15.500,- DM erstattet.

4

Im vorliegenden Verfahren haben die Klägerinnen die beklagte Deutsche Bundespost auf Zahlung von 46.690,- DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Diesem Begehren hat das Landgericht bis auf eine Zinsmehrforderung entsprochen. Die Berufung der Beklagten hat nur wegen eines Teilbetrages von 500,- DM Erfolg gehabt.

5

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, erstrebt die beklagte Deutsche Bundespost die Abweisung der Klage, soweit mit ihr die Verurteilung zur Zahlung von mehr als 690,- DM nebst Zinsen begehrt wird.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

7

I.

Zutreffend hat das Berufungsgericht die Klage für zulässig, insbesondere den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben erachtet. Dem steht nicht entgegen, daß Klagegegenstand nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ein auf die Klägerinnen als Erbinnen übergegangener "Erfüllungsanspruch" des Postsparers aus seinem Postbenutzungsverhältnis zur Beklagten ist. Zwar nimmt § 26 Abs. 2 PostG von der grundsätzlichen Zuweisung der Streitigkeiten auf dem Gebiet des Postwesens in den Verwaltungsrechtsweg (§ 26 Abs. 1 PostG) nur die "Haftungsansprüche auf dem Gebiet des Postwesens" zugunsten der Zuweisung in den ordentlichen Rechtsweg aus. Zu den "Haftungsansprüchen" im Sinne dieser Norm ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - aber auch ein "Erfüllungsanspruch" des Postsparers gegen die Deutsche Bundespost zu rechnen. Das ergibt eine an Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs ausgerichtete Auslegung der §§ 20, 26 Abs. 2 PostG.

8

1.

Der in § 26 Abs. 2 PostG verwendete Begriff des "Haftungsanspruchs" geht über den Begriff des Schadensersatzanspruchs hinaus. Er umfaßt Erfüllungsansprüche jedenfalls insoweit, als sie in den §§ 11 ff. PostG ausdrücklich erwähnt sind. Das zeigt ein Blick auf die in § 15 PostG geregelten Ansprüche. Sie sind ihrer Natur nach "öffentlich-rechtliche Erfüllungsansprüche" (Amtliche Begründung BT-Drucksache V/3295 S. 20; allg. Meinung). Dennoch steht außer Zweifel, daß sie zu den im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machenden "Haftungsansprüchen" gehören (vgl. etwa BGHZ 67, 69, 72[BGH 01.07.1976 - VII ZR 143/75]; Senatsurteilevom 11. Februar 1982 - III ZR 140/80 LM PostG (1969) § 15 Nr. 1 = NJW 1982, 2195 undvom 3. Mai 1984 - III ZR 53/83 LM PostG (1969) § 15 Nr. 2 = BB 1984, 1834; Ohnheiser, Postrecht 4. Aufl. (1984) § 26 PostG Rn. 6; Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, Loseblattsammlung Stand März 1984 § 26 Rn. 50; Loh, Die Haftung im Postbetrieb S. 65; von Olshausen JuS 1974, 81, 82).

9

2.

Im Ergebnis gilt nichts anderes für den "Erfüllungsanspruch" des Postsparers nach § 20 PostG. Auch er ist als Haftungsanspruch im Sinne des § 26 Abs. 2 PostG anzusehen.

10

Im Gegensatz zu § 15 PostG spricht § 20 PostG zwar ausdrücklich nur von der Haftung der Post "für Schäden"; ein Erfüllungsanspruch (des Postsparers) ist nicht ausdrücklich erwähnt. Es wäre aber verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, daß es im Postsparverhältnis keinen Erfüllungsanspruch des Postsparers gebe. § 20 PostG regelt vielmehr auch diesen Anspruch; das ist daraus zu entnehmen, daß er ausdrücklich auf die "Haftung" des Schuldners für die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten Bezug nimmt.

11

§ 20 PostG ist mithin richtigerweise dahin zu lesen, daß die Deutsche Bundespost im Postsparkassendienst bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Pflichten außer auf Erfüllung auf Schadensersatz in dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Umfang haftet.

12

Diese Auslegung führt dazu, den in § 20 PostG mitgeregelten Erfüllungsanspruch des Postsparers den Haftungsansprüchen des § 26 Abs. 2 PostG zuzurechnen, über die im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden ist.

13

3.

Allein dieses Ergebnis wird der Sach- und Interessenlage gerecht. Eine unnötige und für den Rechtsuchenden schwer durchschaubare Rechtswegzersplitterung wäre die Folge, wollte man ihn den Erfüllungsanspruch im Geldübermittlungsdienst im ordentlichen Rechtsweg, seinen Erfüllungsanspruch aus einem Postsparkassenverhältnis im Verwaltungsrechtsweg, einen Schadensersatzanspruch gegen die Postsparkasse aber wiederum im ordentlichen Rechtsweg geltend machen lassen.

14

Es spricht kein vernünftiger Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber eine derart sachwidrige Aufspaltung der Rechtswegzuweisungen hat vornehmen wollen. Die Rechtswegzuweisung des § 26 Abs. 2 PostG sollte im Gegenteil seinerzeit entstandenen Zweifeln, ob auch die verschuldensunabhängigen Ersatzansprüche gegen die Post in den ordentlichen Rechtsweg gehörten, entgegenwirken und die vom Gesetzgeber gewünschte "Zusammenfassung aller haftungsrechtlichen Streitigkeiten in einem Rechtsweg" (Bericht des Postausschusses BT-Drucksache V/4228 S. 8) eindeutig klarstellen (Amtliche Begründung BT-Drucksache V/3295 S. 26). Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, die Klage des Postbenutzers auf ordnungsgemäße Auszahlung seiner Postanweisung (§ 15 PostG) als "haftungsrechtliche Streitigkeit" im Sinne des § 26 Abs. 2 PostG einzuordnen, die Klage des Postsparers auf Wiederauffüllung seines pflichtwidrig verminderten Postsparguthabens aber als eine "nichthaftungsrechtliche Streitigkeit" in den Verwaltungsrechtsweg zu verweisen.

15

Dem vorstehend gewonnenen Ergebnis steht die Entscheidung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 1. Juli 1976 - BGHZ 67, 69 ff. - nicht entgegen. Diese Entscheidung betrifft eine andere Fallgestaltung. Es war über einen Anspruch der Post gegen einen Postbenutzer zu entscheiden. Für einen solchen Anspruch eröffnet § 26 PostG schon deshalb nicht den ordentlichen Rechtsweg, weil mit den dort genannten "Haftungsansprüchen" jedenfalls nur Ansprüche gegen die Post, nicht aber Ansprüche der Post gegen Postbenutzer gemeint sind. Dies ergibt sich aus dem Sinn der Bestimmung. Sie eröffnet den ordentlichen Rechtsweg ersichtlich im Hinblick auf Verwandtschaft und mögliche Konkurrenzen der betreffenden Ansprüche mit Amtshaftungsansprüchen (vgl. BT-Drucks. V/3295 S. 26, V/4228 S. 8). Dieser Gesichtspunkt kann aber nur für Ansprüche gegen die Post Geltung beanspruchen.

16

II.

Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage insoweit, als sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, für begründet erachtet.

17

1.

Das Berufungsurteil führt dazu im wesentlichen folgendes aus:

18

Die Klägerinnen könnten als Rechtsnachfolgerinnen des Postsparers die Beklagte auf Rückzahlung von 45.500,- DM in Anspruch nehmen. Von den am 28. März 1978 an den Neffen E.B. gezahlten 46.000,- DM seien nur 500,- DM befreiend geleistet gewesen. Nach § 12 Abs. 1 PostSpO habe ohne wirksame Kündigung der Einlage wegen voraufgegangener Abhebungen vom Konto nur noch dieser Betrag ausgezahlt werden dürfen.

19

Die ohne Willen des Erblassers von E.B. in den Rechtsverkehr gebrachte Kündigungserklärung sei unwirksam und den Klägerinnen auch nicht nach Rechtsscheinsgrundsätzen zurechenbar.

20

Die Beklagte könne sich nicht auf die Legitimationswirkung der von E.B. vorgelegten Urkunden berufen, weil sie vor Ablauf der Kündigungsfrist gezahlt habe. Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Umfang der Legitimationswirkung des Sparbuchs müßten auch für das Postsparbuch ohne Berechtigungsausweis gelten. Danach trage die Beklagte das Risiko, nicht befreiend zu leisten, wenn sie eine gekündigte Einlage vorzeitig ohne weitere Legitimationsprüfung an den Vorleger von Postsparbuch, Ausweiskarte und Rückzahlungsanweisung auszahle.

21

Die ihnen gegenüber unwirksame Auszahlung von 45.500,- DM an den Neffen E.B. hätten die Klägerinnen nicht nachträglich genehmigt. Der von ihnen erhobenen Klage auf Schadensersatz komme die Bedeutung einer konkludenten Genehmigungserklärung nicht zu.

22

Weder könne die Beklagte dem fortbestehenden Auszahlungsanspruch der Klägerinnen einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens entgegensetzen, noch sei der Anspruch der Klägerinnen wegen mitwirkenden Verschuldens zu kürzen. Schließlich müsse auch eine Anrechnung der von Frau J. freiwillig an die Klägerinnen zurückgezahlten Beträge unterbleiben. Zweifelhaft sei schon, ob sie überhaupt erfolgen könne; jedenfalls hätten die Klägerinnen diese Zahlungen wirksam auf andere Forderungen verrechnet.

23

Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

24

2.

Die Beklagte ist in Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht durch die Auszahlung an E.B. von ihrer Pflicht zur Leistung an die Klägerinnen befreit worden, auf die der Anspruch des Postsparers auf Rückzahlung seiner Spareinlage gemäß § 1922 BGBübergegangen ist.

25

Das Postsparbuch ohne Berechtigungsausweis ist eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist und die mit der Bestimmung ausgegeben ist, daß die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann (§ 808 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 1 PostSpO ist die Deutsche Bundespost bei Postsparbüchern ohne Berechtigungsausweis berechtigt (aber nicht verpflichtet), Rückzahlungen an jeden Vorleger des Postsparbuches und der Ausweiskarte zu leisten.

26

Leistet der Schuldner an den Inhaber einer der in § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichneten Urkunden, dann wird er gegenüber dem Gläubiger von seiner Leistungspflicht befreit (§ 808 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Legitimationswirkung erstreckt sich aber nur auf diejenige Leistung, die der Aussteller in der Urkunde "versprochen" hat (Senatsurteil BGHZ 64, 278, 280) [BGH 24.04.1975 - III ZR 147/72]. Als "versprochen" ist diejenige Leistung anzusehen, die den bei Begründung des Leistungsversprechens getroffenen (Senatsurteil a.a.O. S. 284) Vereinbarungen unter Beachtung aller verbindlichen gesetzlichen Regelungen entspricht.

27

Die Rechte und Pflichten aus dem Postsparverhältnis sind in der PostSpO vom 1. Dezember 1969 (BGBl I S. 2164), geändert durch Verordnung vom 9. März 1979 (BGBl I S. 425), geregelt. Die in dieser Verordnung enthaltenen Benutzungsbedingungen für den Postsparkassendienst (§ 1 Abs. 1 PostSpO) treten an die Stelle des Sparvertrages mit einem privatrechtlichen Kreditinstitut.

28

Nach der Postsparkassenordnung können aus Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist innerhalb von 30 Zinstagen bis zu 2.000,- DM für jedes Postsparbuch ohne Kündigung sofort zurückgezahlt werden (§ 12 Abs. 1 PostSpO). An einem Tag dürfen Rückzahlungen von mehr als 500,- DM und mehr als eine Rückzahlung auf ein Postsparbuch nur an den Postsparer selbst geleistet werden (§ 12 Abs. 2 PostSpO). Gekündigte Beträge können nach Ablauf der Kündigungsfrist gegen Vorlage der vom Postsparkassenamt ausgestellten Rückzahlungsanweisung an jeden Vorleger des Postsparbuches und der Ausweiskarte ausgezahlt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 PostSpO). Ausnahmsweise können Einlagen auch vorzeitig zurückgezahlt werden (§ 15 Abs. 1 PostSpO),

29

Nach diesen Regelungen hat die Beklagte mit der Auszahlung von 46.500,- DM an E.B. nicht die in dem Postsparbuch "versprochene" Leistung erbracht.

30

a)

Auch die Revision zieht nicht in Zweifel, daß der Rückzahlung eines 500,- DM übersteigenden Betrages unter Berücksichtigung der zuvor schon getätigten Entnahmen vom Sparkonto eine Kündigung der Einlage vorauszugehen hatte (§ 13 Abs. 1 i.V. mit § 12 Abs. 1 PostSpO).

31

b)

Soweit das Berufungsgericht in Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt ist, die ausgesprochene Kündigung sei nicht mehr vom Erblasser in den Rechtsverkehr gebracht worden, und daraus die Unwirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Erklärung herleitet, greift die Revision das nicht an. Ein Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten ist insoweit auch nicht ersichtlich.

32

c)

Die Beklagte kann eine Befreiung von ihrer Leistungsverpflichtung auch nicht daraus herleiten, daß sie - wie jedes Kreditinstitut (§ 22 Abs. 3 KWG) - Einlagen "ausnahmsweise" auch vorzeitig zurückzahlen kann (§ 15 Abs. 1 PostSpO).

33

Die vorzeitige Rückzahlung einer Einlage ist nur im Einverständnis mit dem Gläubiger zulässig (Senatsurteil a.a.O. S. 287). Dieses Einverständnis konnte E.B. als nicht forderungsberechtigter Buchinhaber nicht wirksam erteilen; denn die Legitimationswirkung des Sparbuches und ebenso des Postsparbuchs begründet nicht die Berechtigung des Inhabers, diese Willenserklärung mit Wirkung gegenüber dem Gläubiger abzugeben (Senatsurteil aaO).

34

3.

Der somit trotz der Auszahlung an E.B. erhalten gebliebene Anspruch der Klägerinnen als der Erbinnen des Postsparers auf die Spareinlage von 45.500,- DM ist nicht dadurch untergegangen, daß die Klägerinnen die Auszahlung an den Nichtberechtigten später genehmigt hätten.

35

Grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, der an sich nicht befreienden Leistung an den Nichtberechtigten durch Genehmigung des Berechtigten rückwirkend Wirksamkeit zu verschaffen, (§§ 816 Abs. 2, 185 Abs. 2, 184 Abs. 1 BGB; BGH, Urteile vom 25. Januar 1955 - I ZR 75/53 - LM § 816 BGB Nr. 6;vom 18. Februar 1960 - VII ZR 21/59 - WM 1960, 612;vom 6. April 1972 - VII ZR 118/70 - NJW 1972, 1197, 1199 undvom 7. März 1974 - VII ZR 110/72 - NJW 1974, 944, 945; vgl. auch BGHZ 85, 267, 272[BGH 10.11.1982 - VIII ZR 252/81]; Heimann-Trosien in BGB-RGRK 12. Aufl. § 816 Rn. 26; Ermann/H.P. Westermann, BGB 7. Aufl. § 816 Rn. 17; zweifelnd Lieb in MünchKomm, BGB, 2. Aufl. § 816 Rn. 63; zumindest teilweise ablehnend Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 816 Rn. 32). Die Genehmigung kann auch in einem schlüssigen Verhalten, insbesondere in der Erhebung der Klage auf Herausgabe des Geleisteten gemäß § 816 Abs. 2 BGB, gefunden werden (BGH, Urteile vom 25. Januar 1955, 6. April 1972 und 7. März 1974 aaO; vgl. auchUrteil vom 29. April 1968 - VIII ZR 27/66 - NJW 1968, 1326, 1327; weitere Nachweise bei Staudinger/Lorenz a.a.O. Rn. 9).

36

Ob von einer konkludent erklärten Genehmigung auch ausgegangen werden kann, wenn - wie hier - der nichtberechtigte Empfänger der Leistung nicht auf Herausgabe der an ihn gelangten Zahlung, sondern auf Schadensersatz im Umfang des vereinnahmten Betrages klagweise in Anspruch genommen wird, braucht nicht entschieden zu werden. Von einer in der Klageerhebung liegenden stillschweigenden Genehmigung kann nämlich stets nur dann ausgegangen werden, wenn sich der Kläger der Unwirksamkeit des zu genehmigenden Rechtsgeschäftes bewußt war oder zumindest mit dieser Möglichkeit rechnete (BGH, Urteil vom 18. Februar 1960 aaO; Heimann-Trosien a.a.O. Rn. 8).

37

Dafür fehlt es vorliegend an Anhaltspunkten. Die Parteien haben ausweislich des Berufungsurteils die mit der begrenzten Legitimationswirkung des Sparbuchs zusammenhängenden Rechtsfragen und die sich daran anknüpfenden Folgerungen bis zur Erörterung in der Berufungsverhandlung nicht überblickt und sind davon ausgegangen, daß die 45.500,- DM mit befreiender Wirkung an den Buchinhaber geleistet worden seien. Aus dem Umstand, daß die Klägerinnen nunmehr das ihnen einen Erfüllungsanspruch zuerkennende Berufungsurteil verteidigen, folgt, daß sie in Kenntnis der Rechtslage nicht genehmigen wollen.

38

4.

Der Erfüllungsanspruch ist nicht durch die von Frau J. an die Klägerinnen geleisteten Zahlungen teilweise getilgt. Ein vertraglicher Erfüllungsanspruch kann nur unter den Voraussetzungen des § 267 BGB durch einen Dritten getilgt werden. Ob § 267 BGB auf "Erfüllungsansprüche" aus einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis uneingeschränkt anwendbar ist, braucht nicht entschieden zu werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind nämlich ohnehin nicht gegeben.

39

"Dritter" im Sinne des § 267 BGB ist nur, wer mit dem Willen leistet, fremde Schuld zu tilgen; es genügt, daß der Dritte die Leistung mindestens auch für den wahren Schuldner erbringen will (BGHZ 46, 319, 325 [BGH 21.12.1966 - IV ZR 294/65]; 72, 246, 249 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76]; 75, 299, 303 [BGH 08.11.1979 - VII ZR 337/78]; Keller in MünchKomm, BGB 2. Aufl. § 267 Rn. 5 m.w.Nachw.). Gehen die Zweckvorstellungen des Zuwendenden und des Empfängers auseinander, ist darauf abzustellen, wie sich bei objektiver Betrachtungsweise die Leistung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers - hier: der Klägerinnen - darstellt (BGHZ 72, 246, 249[BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76]; Keller aaO).

40

Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen liefern keinen Anhaltspunkt dafür, daß Frau J. mit ihren Zahlungen wenigstens auch eine Schuld der Deutschen Bundespost erfüllen wollte, noch dafür, daß sich zumindest aus der Sicht der Klägerinnen die Zahlungen bei objektiver Betrachtungsweise als derart zweckbestimmt darstellten.

41

Auf die Erwägungen des Berufungsgerichts, ob eine Tilgungswirkung nicht eintreten konnte, weil die Leistungen wirksam auf andere Forderungen verrechnet worden seien, kommt es mithin nicht an.

42

5.

Eine Kürzung des Zahlungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt mitwirkenden Verschuldens kommt nicht in Betracht. § 254 BGB ist auf Erfüllungsansprüche grundsätzlich unanwendbar (RGZ 141, 287, 290; BGHZ 25, 300, 310 f.[BGH 10.10.1957 - II ZR 278/56]; BGH, Urteil vom 14. November 1966 - VII ZR 112/64 - NJW 1967, 248, 250; Erman/Sirp a.a.O. § 254 Rn. 7; Grunsky in MünchKomm, BGB 2. Aufl. § 254 Rn. 14 m.w.Nachw.).

43

6.

Dem Erfüllungsanspruch der Klägerinnen stehen anrechenbare Zahlungsansprüche der Beklagten nicht entgegen.

44

a)

Die Beklagte kann von den Klägerinnen nicht Ersatz eines Vertrauensschadens verlangen. Eine - verschuldensabhängige - Haftung der Klägerinnen aus culpa in contrahendo scheidet schon deswegen aus, weil nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts weder die Klägerinnen selbst noch den Erblasser ein zurechenbares Verschulden daran trifft, daß E.B. die Kündigung, auf deren Rechtswirksamkeit die Beklagte vertraut hat, in den rechtsgeschäftlichen Verkehr bringen konnte.

45

b)

Im Ergebnis zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, eine verschuldensunabhängige Vertrauenshaftung der Klägerinnen aus dem Rechtsgedanken des § 122 BGB herzuleiten. Nur wenn die Gründe für die Ungültigkeit der Erklärung ausschließlich der Sphäre des Erklärenden zugerechnet werden können, kommt eine Heranziehung des dem § 122 BGB innewohnenden Rechtsgedankens in Betracht (Kramer in MünchKomm, BGB 2. Aufl. § 122 Rn. 4 f. m.w.Nachw.). Daran fehlt es hier, weil der Umstand, daß der Erblasser vor seinem Tode den Kündigungsschein unterschrieben hat, gegenüber der von der Beklagten mit dem (nichtberechtigten) Buchinhaber geschlossene Vereinbarung über die vorzeitige Rückzahlung des Guthabens völlig zurücktritt.

46

7.

Schließlich sind die Klägerinnen auch nicht durch die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben gehindert, die Beklagte auf Erfüllung in Anspruch zu nehmen, nachdem sie wegen der erfolgten Auszahlung einen rechtskräftigen Zahlungstitel gegen E.B. erwirkt und freiwillige Zahlungen von Frau J. entgegengenommen haben.

47

a)

Soweit das Vorgehen der Klägerinnen zunächst gegen die Zahlungsempfänger und dann gegen die Beklagte einander widersprechende rechtliche Begründungen voraussetzt, erklärt ihr Verhalten sich zwanglos aus einer geänderten Rechtsansicht zur Befreiungswirkung der an E.B. erbrachten Leistung. Der bloße Wechsel einer Rechtsauffassung vermag indes für sich allein den Vorwurf mißbräuchlicher Rechtsausübung nicht zu begründen. Hinzukommen muß, daß der andere Teil auf eine Beibehaltung des einmal bezogenen Rechtsstandpunktes vertrauen durfte und sich in einer Weise darauf eingerichtet hat, daß ihm die Anpassung an die veränderte Rechtslage nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - I ZR 72/67 - LM § 549 ZPO Nr. 81 m.w. Nachw.). Für die Annahme, ein derartiger Vertrauenstatbestand sei im Verhältnis zur Beklagten geschaffen worden, ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte.

48

Nur in seltenen Ausnahmefällen ist eine Rechtsausübung zu untersagen, weil sie zu einem früheren Verhalten in Widerspruch steht, durch das kein besonderer Vertrauenstatbestand begründet worden ist (vgl. die Nachweise bei Staudinger/Jürgen Schmidt a.a.O. § 242 Rn. 606 ff.; Roth in MünchKomm, BGB 2. Aufl. § 242 Rn. 314 ff.).

49

Der bloße Wechsel einer Rechtsauffassung im Verlaufe einer mehrere Verfahren umfassenden prozessualen Auseinandersetzung über einen zusammengehörigen Lebenssachverhalt rechtfertigt eine solche Ausnahme grundsätzlich nicht. Ob im Einzelfall anders zu entscheiden ist, wenn ansonsten mit Recht und Gerechtigkeit unvereinbare Ergebnisse die Folge wären, kann hier dahingestellt bleiben. Soweit die Klägerinnen durch Zuerkennung des Erfüllungsanspruchs unter Berücksichtigung ihrer gegen E.B. und Frau J. durchgesetzten Ansprüche mehr erhalten, als ihnen von Rechts wegen zusteht, kann diese materiell unrichtige Vermögensverschiebung bereicherungsrechtlich korrigiert werden.

50

b)

Dahingestellt bleiben kann schließlich, ob die Klägerinnen nach Treu und Glauben gehindert wären, von der Beklagten Erfüllung ihres Anspruches auf Auszahlung des Postsparguthabens zu verlangen, wenn Frau J. ihnen (wenigstens teilweise) gerade "das" Geld ausgehändigt hätte, das E.B. von der Beklagten erhalten und ihr weitergegeben hatte. Denn nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerinnen stammte das Geld, das sie von Frau J. erhielten, nicht von E.B. Frau J. hatte es sich vielmehr von ihrem Sohn beschafft. Unter diesen Umständen waren die Klägerinnen nicht gehindert, diese Leistung zunächst auf den Schaden anzurechnen, den sie durch Leistungen der Beklagten an E.B. und Frau J., die ihnen gegenüber wirksam sind, erlitten haben. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß dieser Schaden die von Frau J. geleistete Zahlung überstieg. Hiergegen hat die Revision durchgreifende Rügen nicht erhoben.

Krohn,
Kröner,
Boujong,
Engelhardt,
Werp