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Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.11.1985, Az.: 1 StR 393/85

Tateinheit zwischen rauberischer Erpressung und erpresserischem Menschenraub; Seelische Erschütterung als körperliche Beeinträchtigung im Sinne des § 223 Strafgesetzbuch (StGB); Bedrohung mit einer Scheinwaffe als eine das Leben gefährdende Behandlung; Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung bei der Feststellung eines minder schweren Falls; Minder schwerer Fall durch Benutzung einer Scheinwaffe

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
26.11.1985
Aktenzeichen
1 StR 393/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 11875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Freiburg - 18.12.1984

Fundstelle

  • NStZ 1986, 166

Verfahrensgegenstand

Schwere räuberische Erpressung u.a.

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Erfüllung des Merkmals der lebensgefährdenden Behandlung i. S. von § 323a StGB bei einem bewaffneten Banküberfall.

  2. 2.

    Der Täter, der einen Bankkunden mit einer Schußwaffe in Schach hält, hat sich seiner i. S. von § 239a I StGB "bemächtigt".

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 26. November 1985,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schauenburg,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ulsamer, Dr. Maul, Dr. Schikora, Dr. Granderath als beisitzende Richter,
Staatsanwalt ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... als Verteidiger für den Angeklagten S.,
Rechtsanwalt ... als Verteidiger für den Angeklagten C.,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18. Dezember 1984 mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in jeweils fünf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren (S.) und sechs Jahren drei Monaten (C.) verurteilt und ihre Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von jeweils vier Jahren entzogen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die das Urteil mit der Sachrüge angreift, hat Erfolg.

2

I.

1.

Die Schuldsprüche in den Fällen 1, 2 und 5 beanstandet die Beschwerdeführerin schon deshalb zu Recht, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob sich die Angeklagten hier nicht neben schwerer räuberischer Erpressung tateinheitlich auch des erpresserischen Menschenraubes nach § 239 a Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben. Diese Prüfung war deshalb geboten, weil nach den getroffenen Feststellungen in diesen Fällen einer der Angeklagten jeweils einen Bankkunden mit der Waffe bedrohte, um der erhobenen Forderung Nachdruck zu verleihen. Letztere Feststellung ist allerdings nur für die Fälle 2 und 5 ausdrücklich getroffen, doch liegt es nahe, daß auch im Falle 1 die Bedrohung des Bankkunden aus diesem Grunde erfolgte. Dadurch, daß ein Angeklagter jeweils einen Bankkunden mit einer - scheinbar geladenen - Schußwaffe in Schach hielt, hat er sich seiner bemächtigt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 1976 - 2 StR 340/76); die Umstände und die Absicht, der erhobenen Forderung Nachdruck zu verleihen, sprechen dafür, daß das geschah, um die Sorgen des Bankpersonals um ihre Kunden zu einer Erpressung auszunutzen. Zwischen §§ 253, 255 StGB und § 239 a StGB ist Tateinheit möglich, da der erpresserische Menschenraub nur die Absicht der Erpressung, nicht aber ihre Verwirklichung voraussetzt (BGHSt 26, 24, 28[BGH 06.11.1974 - 3 StR 200/74]; vgl. BGHSt 16, 316, 320) [BGH 21.11.1961 - 1 StR 442/61].

3

Der Senat kann den Schuldspruch schon deshalb nicht selbst abändern, weil Feststellungen dazu fehlen, ob das Vorgehen des jeweiligen Täters dem gemeinsamen Tatplan entsprach. Zudem hätte das Landgericht prüfen müssen, ob die beiden Angeklagten und ihr anderweitig abgeurteilter Mittäter So. die Taten 2 - 5 nicht als Mitglied einer Bande begangen haben, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub verbunden hat (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB); auch die Erfüllung dieser Begehungsform liegt nach den Feststellungen nahe.

4

2.

Im Falle 3 hat das Landgericht zu Unrecht Fortsetzungszusammenhang zwischen den drei Taten der räuberischen Erpressung angenommen. Durch diese drei Gesetzesverletzungen haben die Angeklagten in die Entschließungsfreiheit der Angestellten der überfallenen Banken eingegriffen. Bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen, zu denen die Entschließungsfreiheit zählt, ist Fortsetzungszusammenhang nicht möglich (BGHSt 26, 24, 26) [BGH 06.11.1974 - 3 StR 200/74]. Zudem hätte in den Fällen 3 a, b, c die Begehungsform des § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB, in den Fällen 3 a, c auch der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes nach § 239 a StGB geprüft werden müssen.

5

3.

Auch der Schuldspruch im Falle 4 kann nicht bestehen bleiben. Bei diesem Überfall erlitt ein Bankkassierer infolge des von den Angeklagten verbreiteten Schreckens einen Herzinfarkt. Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob die Angeklagten sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht haben. Zwar setzt § 223 StGB eine nicht ganz unerhebliche körperliche Beeinträchtigung voraus; eine seelische Erschütterung reicht zur Erfüllung des Tatbestandes nicht in jedem Fall aus. Hier wirkten sich jedoch die Einschüchterungshandlungen nicht nur auf das seelische Gleichgewicht, sondern auch auf die körperliche Verfassung des Bankkassierers aus. Der objektive Tatbestand der Körperverletzung ist damit erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1966 - 1 StR 601/65;Urteil vom 15. Oktober 1974 - 1 StR 303/74 - bei Dallinger WDR 1975, 22;Beschluß vom 18. Januar 1978 - 3 StR 536/77; RGSt 32, 113, 114; 64, 113, 119). In der Bedrohung mit einer - scheinbar geladenen - Waffe und den sonstigen einschüchternden Umständen des Banküberfalls kann auch eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 223 a Abs. 1 StGB liegen; das zeigt schon der dadurch ausgelöste Herzinfarkt des Kassierers. Hinsichtlich der subjektiven Seite müßten die Angeklagten jedoch mit einer körperlichen Beeinträchtigung einer in der überfallenen Bank anwesenden Person konkret gerechnet und diese billigend in Kauf genommen haben; anderenfalls könnte fahrlässige Körperverletzung in Frage kommen. Hinsichtlich des Merkmals der lebensgefährdenden Behandlung genügt allerdings die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Lebensgefährdung ergibt (BGHSt 19, 352[BGH 23.06.1964 - 5 StR 182/64]; 28, 11, 17) [BGH 21.04.1978 - 2 StR 686/77].

6

Auch in diesem Falle hätte die Begehungsform des § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB geprüft werden müssen.

7

II.

Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:

8

1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Fall als minder schwer zu beurteilen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Bei der Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98[BGH 19.03.1975 - 2 StR 53/75]; st. Rspr.). In diesem Zusammenhang kann der minder schwere Fall nach § 250 Abs. 2 StGB zwar schon allein damit gerechtfertigt werden, daß die objektive Gefährdung des Opfers durch die Verwendung einer ungeladenen Schußwaffe oder einer Scheinwaffe herabgesetzt war und dieser Umstand auf einen nicht gesteigerten verbrecherischen Willen des Täters hindeutet (BGH StV 1981, 68; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1982 - 3 StR 265/82 - bei Holtz MDR 1983, 91). Andererseits wäre es fehlerhaft, bei Benutzung einer Scheinwaffe wegen deren mangelnder objektiver Gefährlichkeit stets einen minder schweren Fall anzunehmen (BGH bei Holtz a.a.O.). Auch in diesen Fällen ist eine Gesamtbetrachtung geboten, die das Landgericht nicht vorgenommen hat. Die Höhe der Beute, die Vielzahl der Taten, das Bedrohen von Bankkunden zum Zwecke der Tatbegehung, die bandenmäßige Verbindung der Täter könnten hier gegen die Annahme minder schwerer Fälle sprechen.

9

2.

Entgegen der Meinung des Landgerichts (UA S. 12) ist auch die von dem gesondert verfolgten Mittäter So. geführte Spielzeugpistole eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB (BGH NJW 1976, 248 [BGH 23.09.1975 - 1 StR 436/75]; BGH NStZ 1981, 436).

Schauenburg, Vorsitzender Richter
Ulsamer, Vorsitzender Richter
Maul, Vorsitzender Richter
Schikora, Vorsitzender Richter
Granderath, Vorsitzender Richter