Berufsausübungsgesellschaft
BT-Drs. 19/27670
1 Einführung
Zum 01.08.2022 ist das Berufsrecht der anwaltlichen und steuerberatenden Berufe reformiert worden: Das Berufsrecht der gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten wird nunmehr - unabhängig von der Rechtsform - unter der Bezeichnung "Berufsausübungsgesellschaft" in der BRAO geregelt. Kernregelungen sind die §§ 59b BRAO, jedoch sind weitere Regelungen in anderen Vorschriften der BRAO enthalten.
Hinweis:
Sofern in der Berufsausübungsgesellschaft Rechtsanwälten die Mehrheit der Stimmrechte zusteht und sie die Mehrheit der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans stellen, darf die Gesellschaft gemäß § 59p BRAO die Bezeichnung "Rechtsanwaltsgesellschaft" führen.
Mit den Neuerungen wird der Anwaltschaft, der Patentanwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit gewährt, es werden weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften geschaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit wird erleichtert.
Außerdem wurde die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Sie ist daher postulationsfähig und Bezugssubjekt berufsrechtlicher Regulierung. Berufsausübungsgesellschaften nach der BRAO haben außerdem die Möglichkeit haben, ein Gesellschaftspostfach zu beantragen.
2 Gesellschaftsform
Die Berufsausübungsgesellschaft selbst ist keine Gesellschaftsform an sich. Die Rechtsanwälte / Patentanwälten / Steuerberatern können gemäß § 59b BRAO vielmehr eine der folgenden Formen wählen:
alle Gesellschaften nach deutschem Recht
Hinweis:
Durch Artikel 51 Nummer 5 (§ 107) des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Inkrafttreten am 01.01.2024) werden die Personenhandelsgesellschaften auch für die freien Berufe geöffnet, sofern das Berufsrecht dies zulässt. Von dieser Öffnungsmöglichkeit soll mit dem neuen Recht also Gebrauch gemacht werden.
alle Europäischen Gesellschaften
alle Gesellschaften in einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform
Die Verbindung muss zur gemeinschaftlichen Ausübung des Berufs erfolgen. Reine Kapitalbeteiligungen bleiben damit nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 1927670) ausgeschlossen. § 59c Absatz 1 BRAO stellt zudem klar, dass das Erfordernis der aktiven Mitarbeit nicht nur für Rechtsanwälte, sondern für alle Gesellschafter Anwendung findet. Daher müssen Gesellschafter nach § 59c BRAO in der Gesellschaft tätig sein.
Wie die aktive Mitarbeit ausgestaltet wird, bleibt den Gesellschaftern überlassen. Inhaltliche Vorgaben enthält § 59b Abs. 1 Satz 1 BRAO insofern nicht. Das Gebot der aktiven Mitarbeit schließt daher keine Beteiligung an mehreren Berufsausübungsgesellschaften aus. Auch sind die Gesellschafter nicht verpflichtet, eine bestimmte Breite von anwaltlichen Leistungen anzubieten. So ist es nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27760) beispielsweise auch möglich, dass ein Gesellschafter sich etwa auf das Kanzleimanagement oder die Mandatsakquise konzentriert oder dass Gesellschafter aus Altersgründen nur noch in geringem Umfang für die Gesellschaft tätig werden.
Die Tätigkeit eines Hochschulprofessors als Of-Counsel einer Kanzlei zur gemeinsamen Bearbeitung von Mandaten ist keine zulässige gemeinschaftliche Zusammenarbeit (BGH 22.07.2020 - AnwZ (Brfg) 3/20).
3 Leitungspersonen
§ 113a BRAO bestimmt in den Nummern 1 - 5, wer in einer Berufsausübungsgesellschaft Leitungsperson sein kann.
Leitungspersonen der Berufsausübungsgesellschaft sind Personen, auf deren Auswahl und Überwachung, soweit dadurch nicht ihre anwaltliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird, entweder wegen ihrer mit der formellen Position verbundenen Einflussmöglichkeiten oder wegen der von ihnen tatsächlich wahrgenommenen Leitungsfunktionen innerhalb der Organisation der Berufsausübungsgesellschaft besonderer Wert zu legen ist.
4 Zulässige Berufsgruppen als Partner der Berufsausübungsgesellschaft
§ 59c Abs. 1 BRAO regelt, mit welchen anderen Berufsgruppen sich Rechtsanwälte zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen können:
Nummer 1 erfasst die bisher zulässigen Berufsgruppen:
Mitglieder anderer Rechtsanwaltskammern
Mitglieder der Patentanwaltskammer
Steuerberater
Steuerbevollmächtigte
Wirtschaftsprüfer
vereidigte Buchprüfer
Nummer 2: Angehörige von Rechtsanwaltsberufen aus anderen Staaten gemäß EuRAG oder § 206 BRAO
Nummer 3: ausländische Berufsangehörige gemäß Nr. 1, wenn die jeweiligen ausländischen Berufsangehörigen mit den entsprechenden inländischen Berufsangehörigen nach dem jeweiligen Berufsrecht eine Berufsausübungsgesellschaft eingehen dürften
Beispiel aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27670):
Es kommt für einen Angehörige eines ausländischen Patentanwaltsberufs darauf an, ob ein Zusammenschluss mit inländischen Patentanwälten nach § 52c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PAO in Verbindung mit § 157 PAO zulässig wäre.
Nummer 4 ermöglicht eine gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Personen, die in der Berufsausübungsgesellschaft einen freien Beruf ausüben.
Die Vorschrift verweist auf § 1 Absatz 2 PartGG insgesamt. Sozietätsfähig sollen damit sämtliche freien Berufe sein, die die Anforderungen des § 1 Abs. 2 S. 1 PartGG erfüllen. Sie beschränkt sich nicht auf die in § 1 Abs. 2 S. 2 PartGG namentlich genannten. Eine Zusammenarbeit kann daher nach der Gesetzesbegründung (BT 19/27670) beispielsweise auch mit Mediatoren und European Patent Attorneys möglich sein. Die Erweiterung auf freie Berufe gilt allerdings nur insoweit, als der ausgeübte freie Beruf mit dem Beruf des Rechtsanwalts vereinbar ist.
Für diese Berufsgruppen besteht jedoch keine Zwangsmitgliedschaft der berufsfremden Gesellschafter in der Rechtsanwaltskammer und ihre unmittelbare Beaufsichtigung durch die Kammer.
Daher wählt der Entwurf eine mittelbare Aufsicht, die an die Berufsausübungsgesellschaft anknüpft. Aufgrund der genauen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der korrespondierenden Pflichten der Berufsausübungsgesellschaft und ihrer Organe in den §§ 59e Abs. 1 und 59j Abs. 3 BRAO kann die Einhaltung der Berufspflichten auch auf diese Weise umfassend sichergestellt werden.
Die Beschränkung auf freie Berufe ist zudem geboten, weil die Berufsausübungsgesellschaft nicht nur Instrument der Berufsausübung der in ihr verbundenen Personen, sondern sich auch selbst Erbringerin rechtsbesorgender Dienstleistungen im Sinne des § 3 BRAO. Die zugelassene Gesellschaft unterliegt daher grundsätzlich den gleichen Anforderungen und Pflichten wie ein Rechtsanwalt. Zu den wesentlichen Kennzeichen des anwaltlichen Berufs gehört auch, dass dieser einen freien Beruf und kein Gewerbe ausübt (§ 2 BRAO).
Eine gemeinschaftliche Berufsausübung innerhalb der Berufsausübungsgesellschaft, die eine anwaltliche Beratung mit der Ausübung eines rein gewerblichen Berufs verbindet, ist hiermit unvereinbar. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27670) auch in Anbetracht der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt im Zweitberuf einer kaufmännisch erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen kann. Denn bei einem Zweitberuf handelt es sich um eine von dem rechtsberatenden Beruf getrennte Tätigkeit. Zudem muss nach den konkreten Umständen des Einzelfalls der freie Beruf eine mit dem Anwaltsberuf vereinbare Tätigkeit im Sinne des § 7 BRAO sein.
5 Berufsausübungsgesellschaft als Alleingesellschafterin
Es ist zulässig, wenn eine aus Rechtsanwälten bestehende Berufsausübungsgesellschaft alleinige Gesellschafterin einer anderen Berufsausübungsgesellschaft ist (BVerfG 04.08.2022 - 1 BvR 1072/17).