Nicht abgeführte Umsatzsteuer ist kein Treuhandvermögen, sondern gehört zur Insolvenzmasse

Nicht abgeführte Umsatzsteuer ist kein Treuhandvermögen, sondern gehört zur Insolvenzmasse
12.08.2013309 Mal gelesen
Jede Rechtshandlung, die das Vermögen des Schuldners schmälert, ist nach Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg kausal für eine Gläubigerbenachteiligung, solange am Ende nicht alle Gläubiger vollständig aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners befriedigt werden können.

Diverse Finanzämter der Freien und Hansestadt Hamburg haben vom späteren Insolvenzschuldner vor Insolvenzantragstellung noch insgesamt 27.393,50 € an diversen Steuerforderungen in 55 Raten eingezogen.

Der Insolvenzverwalter beansprucht unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung von der Freien und Hansestadt Hamburg die Rückzahlung dieses Betrages.

Nachdem die Freie und Hansestadt das Begehren zurückgewiesen hat, erhob der Insolvenzverwalter Klage vor dem Landgericht Hamburg.

Dieses wies seine Klage ab.

Der Insolvenzverwalter habe keine Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu den Zeitpunkten der anfechtungsgegenständlichen 55 Zahlungen geschlossen werden könne. Er habe eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der anfechtungsgegenständlichen Zahlungen weder anhand einer stichtagsbezogenen Liquiditätsbilanz noch in anderer geeigneter Weise aufgezeigt.

Das Hanseatische Oberlandesgericht gab ihr in Höhe von 27.193,50 € statt.

Die angefochtenen Zahlungen seien durch Rechtshandlungen des Schuldners bewirkt worden.

Durch die Zahlungen des Schuldners sei eine objektive Gläubigerbenachteiligung eingetreten.

Hätte der Schuldner nicht an die Finanzämter der Freien und Hansestadt Hamburg gezahlt, stünde der für die Zahlungen verwendete Betrag noch zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung. Die Kausalität zwischen der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung sei daher gegeben; denn jede Rechtshandlung, die das Vermögen des Schuldners schmälert, ist kausal für eine Gläubigerbenachteiligung, solange am Ende nicht alle Gläubiger vollständig aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners befriedigt werden können. Denkt man vorliegend die Zahlungen an die Hamburger Finanzämter hinweg, wäre die zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Masse größer und die Gläubiger könnten besser befriedigt werden.

Die Anfechtung sei auch hinsichtlich der von der Schuldnerin gezahlten Umsatzsteuerverbindlichkeiten gerechtfertigt. Eine Verpflichtung, eingenommene Umsatzsteuer getrennt vom eigenen Vermögen als Treuhandvermögen zu halten, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ebenso wie andere durchlaufende Posten gelangen Einnahmen aus Umsatzsteuer in das Vermögen des Einnehmenden. Dementsprechend bestehen auch in der Insolvenz keine Aus- oder Absonderungsrechte für vereinnahmte Umsatzsteuerbeträge.

Der Schuldner habe auch mit dem Vorsatz gehandelt, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Für den Nachweis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners reicht es aus, dass der Schuldner die Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger im wirtschaftlichen Sinne erkennt und sie in Kauf nehme. Hiervon sei immer dann auszugehen, wenn der Insolvenzschuldner seine bloß drohende Zahlungsunfähigkeit kennt.

Für die Feststellung der Zahlungseinstellung reicht es aus, wenn ein erheblicher Teil der fälligen Verbindlichkeiten nicht gezahlt werde.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hatte die erforderliche Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Diese Kenntnis werde vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr der angefochtenen Zahlungen sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Freie und Hansestadt Hamburg nicht die Möglichkeit gehabt hätte, bei Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Schuldners die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen diesen zu beantragen. Ebenso wie jeder andere Gläubiger können auch die Finanzämter einen Insolvenzantrag stellen, wenn ihnen ein Anspruch zusteht.

Aus diesen Gründen hat das Hanseatische Oberlandesgericht dem Klagantrag des Insolvenzverwalters stattgegeben.

(Quelle: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 17.05.2013; 1 U 74/12

Vorinstanz: Landgericht Hamburg, Urteil vom 27.03.2012; 303 O 489/10)

 

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