Eingliederungshilfe – Ambulante – Autismustherapie

Verwaltungsrecht
08.06.202050 Mal gelesen
Wunsch – und Wahlrecht in der ambulanten Kinder und Jugendhilfe

Das Jugendamt muss die Kosten für eine ambulante Autismus - Therapie auch dann übernehmen, wenn mit dem Anbieter keine Kostenvereinbarung für den Einzelfall vereinbart wurde. Dies hat das Verwaltungsgericht Hannover in einem Beschluss vom 14.01.2020 (erneut) entschieden. In dem Fall ging es um einen Jungen, der - vom Jugendamt nicht bestritten - dringend eine Autismus - spezifische Förderung benötigte. Nachdem die Mutter einen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt hatte, fragte das Jugendamt bei verschiedenen Anbietern, mit denen bereits Kostenvereinbarungen bestanden, entsprechend an. Wegen fehlender Kapazitäten kam der Junge dort jedoch nur auf eine Warteliste. Seine Mutter machte einen weiteren Anbieter ausfindig, der über freie Kapazitäten verfügte und forderte das Jugendamt auf, die Kosten für die benötige Maßnahme zu übernehmen. Mit diesem Anbieter hatte das Jugendamt noch keine allgemeine Kostenvereinbarung abgeschlossen. An der grundsätzlichen Eignung dieses Anbieters zu Erbringung einer fachgerechten Hilfe gab es keinerlei Zweifel. Dennoch machte das Jugendamt die Bewilligung der Hilfe davon abhängig, dass vorab ein auf diesen Einzelfall bezogener Vertrag über das Entgelt abgeschlossen wird. Die Verhandlungen mit dem Anbieter zogen sich jedoch aus verschiedenen Gründen in die Länge. Daher wurde auch die Hilfe nicht bewilligt.

 

Daraufhin wurde beim Verwaltungsgericht ein Eilantrag mit dem Ziel gestellt, dass Jugendamt zu verpflichten, dem Jungen vorläufig die begehrte Eingliederungshilfe für die Durchführung einer Autismus - Therapie bei diesem konkreten Anbieter nach den Grundsätzen seiner Leistungsbeschreibungen zu bewilligen. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Hannover statt und stellte in dem Beschluss fest, dass das Vorhandensein einer auf den Einzelfall bezogenen schriftlichen Vereinbarung grade nicht Voraussetzung für die Übernahme der für die ambulante Therapie anfallenden Kosten sei. Das Gericht verwies auf das sogenannte "Wunsch - und Wahlrecht" (§5 Abs. 1 SGB VIII). Weil an dem Hilfebedarf des Jungen und der grundsätzlichen Eignung des Anbieters keinerlei Zweifel bestanden, verpflichtete das Gericht das Jugendamt, die entsprechende Leistung vorläufig zu erbringen. Das Gericht bekräftigte damit zugleich auch seine frühere Rechtsprechung, wonach das Wunsch - und Wahlrecht des Hilfeempfängers allein vom Mehrkostenvorbehalt (§5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) begrenzt ist. Die Frage, ob ein Wunsch beziehungsweise eine Wahlentscheidung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist, erfordere einen Kostenvergleich. Zu vergleichen seien die Kosten, die unter Einbeziehung der Wunsch - und Wahlentscheidung entstehen, mit denjenigen Kosten, die ohne die Wünsche beziehungsweise Wahl entstehen. Voraussetzung des Mehrkosteneinwands der Behörde sei jedoch, dass der Leistungsträger dem Leistungsberechtigten eine zumutbare konkrete Alternative der Bedarfsdeckung nachweise und anbiete. Bestehen hingegen keine Alternativen, so werde der Anspruch auf Bedarfsdeckung grade nicht dadurch ausgeschlossen, dass die einzige geeignete und notwenige Hilfe in Anbetracht der einzuhaltende Zweck - Mittel - Relationen unangemessen sei.

Verwaltungsgericht Hannover - B.v.14.01.2020 - 3 B 5668/19

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

 

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