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Eingliederungshilfe

Autor:
 Normen 

§§ 90 – 150 SGB IX

Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9522

 Information 

1. Einführung

Das Recht der Eingliederungshilfe ist seit dem 01.01.2020 in den §§ 90 – 150 SGB IX geregelt. Die Eingliederungshilfeverordnung wurde aufgehoben.

Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 90 SGB IX, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis (Grundverhältnis), das sich nach den Vorschriften des SGB XII beurteilt. Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt.

Im Rahmen des Grundverhältnisses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine Primäransprüche auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen. Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen Ersterem und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, aufgrund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung besteht.

Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers zur Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer (z.B. Schulvertrag über die Betreuung eines behinderten Kindes) erfolgt in der Regel durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers). Dadurch wird zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung begründet.

Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis gegenüber dem Hilfeempfänger erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (BGH 31.03.2016 – III ZR 267/15).

2. Reform der Eingliederungshilfe zum 01.01.2020

Das Recht der Eingliederungshilfe (§§ 90 – 150 SGB IX) ist nunmehr konsequent personenzentriert ausgerichtet. Es wird bei der Erbringung der Leistungen keine Unterscheidung nach ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen mehr geben.

Die mit dem SGB XII begonnenen Schritte einer Trennung von Fachleistung und von Leistungen zum Lebensunterhalt werden zum Abschluss gebracht. Die Eingliederungshilfe konzentriert sich nunmehr auf die reinen Fachleistungen. Die Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Wohnen werden wie bei Menschen ohne Behinderungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem SGB II erbracht werden.

Bestehende Betreuungsmöglichkeiten in Wohnformen, wo Menschen mit Behinderungen zusammenleben, werden erhalten. Für minderjährige Menschen mit Behinderung wird durch Sonderregelungen das vormalige Recht weitergeführt, da die im Zusammenhang mit der Trennung von Fachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt verbundenen Änderungen im Vierten Kapitel des SGB XII verortet werden und diese Regelungen nicht für Kinder und Jugendliche gelten.

Die Regelungen über die Anrechnung von Einkommen und die Heranziehung von Vermögen bei der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe werden stufenweise im Sinne der Betroffenen verbessert: In einer ersten Stufe profitieren Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe von Verbesserungen bei der Anrechnung von eigenem Erwerbseinkommen und von einem gegenüber dem vormaligen Recht deutlich erhöhten Vermögensfreibetrag, mit dem sie eine angemessene Lebensführung und eine angemessene Alterssicherung sicherstellen können. Personen, die erwerbstätig sind und Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten, profitieren ebenfalls von Verbesserungen bei der Anrechnung von Einkommen und Heranziehung von Vermögen.

Das Anrechnungsverfahren wurde durch ein Beitragsverfahren ersetzt. Oberhalb eines Freibetrages sollen die leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen mit ihrem Einkommen zu den Aufwendungen der Eingliederungshilfe beitragen. Dabei kann die weit überwiegende Zahl der Betroffenen künftig deutlich mehr von ihren Einkünften behalten als nach dem vormaligen Recht. Ziel des Beitragsmodells ist es auch, größere Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu schaffen.

Die Verbesserungen bei der Einkommensanrechnung werden flankiert durch eine weitere Anhebung des Vermögensfreibetrages. Personen, die erwerbstätig sind und Leistungen der Hilfe zur Pflege oder die ausschließlich Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten, profitieren dauerhaft von den in der ersten Stufe umgesetzten Verbesserungen bei der Anrechnung von Einkommen und Heranziehung von Vermögen. Das Einkommen und Vermögen des Partners des Leistungsberechtigten bleibt anrechnungsfrei. Zudem wurden die Absetzbeträge angehoben. Die Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen sollen dadurch besser gestellt werden, dass ein geringerer Teil ihres Arbeitsentgelts auf die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII angerechnet wird.

3. Voraussetzungen der Leistung

Gemäß § 99 SGB IX erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe Personen nach § 53 Absatz 1 und 2 des SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung.

Anspruch auf Eingliederungshilfe haben danach Personen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Es muss sich um

  • Menschen mit einer wesentlichen Behinderung

    oder

  • von Behinderung bedrohte Menschen handeln.

Voraussetzung der Leistungsgewährung ist, dass die beantragte Maßnahme

  • generell geeignet sein muss, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen,

  • konkret eine positive Prognose für den behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen besteht

    und

  • die Eingliederungshilfe gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII nicht aus dem Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten, seines nicht getrennt lebenden Ehepartners/Lebenspartners oder (bei Minderjährigen) der Eltern finanziert werden kann.

4. Leistungen

Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen gemäß § 102 SGB IX

  • Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,

  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,

  • Leistungen zur Teilhabe an Bildung und

  • Leistungen zur Sozialen Teilhabe.

Ein schulpflichtiges behindertes Kind hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers für den Besuch einer integrativen Grundschule. Dies gilt auch dann, wenn der Besuch einer integrativen Grundschule durch die Schulbehörde lediglich als eine mögliche Form der Beschulung angesehen wurde (BVerwG 26.10.2007 – 5 C 35/06).

Besonderheiten bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen:

Handelt es sich bei der Eingliederungshilfe um

  • eine Leistung der stationären Unterbringung,

  • einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder

  • ärztliche Maßnahmen,

so ist die Eingliederungshilfe trotz der grundsätzlichen Beschränkungen in voller Höhe zu leisten. Der Ehepartner/Lebenspartners bzw. die Eltern minderjähriger Kinder haben in diesen Fällen nur die Kosten des Lebensunterhalts zu tragen.

5. Subsidiarität

Daneben ist die Eingliederungshilfe insbesondere gegenüber den Leistungen anderer Sozialleistungsträger subsidiär (§ 91 SGB IX). Dies können z.B. sein:

6. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BVG

§ 145 SGB IV bestimmt, dass der Besitzstandsschutz bei Personen, die nach dem außer Kraft getretenen Recht des BVG befristet bewilligte oder auf Zeit erbrachte Leistungen erhalten, für einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2033 auch die Weiterbewilligung dieser Leistungen umfasst. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme zu § 137 SGB IV, wonach für Anträge, die ab dem Tag des Inkrafttretens des SGB XIV gestellt werden, das neue Recht gilt. Die Geltung des Besitzstandsschutzes setzt weiter voraus, dass die leistungsberechtigte Person unmittelbar im Anschluss an die Beendigung der Befristung die Weiterbewilligung der Leistungen beantragt. Ein solcher Weiterbewilligungsantrag kann noch während des laufenden Bewilligungszeitraums gestellt werden. Wird er nach Beendigung der Befristung gestellt, ist nach Absatz 1 Satz 2 der zeitliche Zusammenhang auch bei einer zeitlichen Unterbrechung von bis zu zwei Wochen noch gegeben.TEST

Erziehungshilfen

Integrationsamt

Intensivpädagogik

Jugendhilfe

Schwerbehinderte Arbeitnehmer

Sozialhilfe

Sozialpädagogische Familienhilfe

Knittel: SGB IX – Kommentar; 12. Auflage 2019

Kruse: Die aktuelle Empfehlung der Spitzenverbände zur Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Pflege im ambulanten Bereich; Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis – ZfSH/SGB 2019, 23

Kunkel: Die Pflegefamilie in der Eingliederungshilfe nach dem SGB X; Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis – ZfSH/SGB 2019, 377