LG Köln: Bei fehlender Anpassung der Versicherungsbedingungen an das neue VVG ist der Versicherer trotz Obliegenheitsverletzung leistungspflichtig

Versicherungsrecht
25.02.20101974 Mal gelesen
Das Landgericht Köln hat am 21.01.2010 ein bahnbrechendes Urteil gefällt. Es entschied, dass ein Versicherer trotz Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer nicht leistungsfrei ist, wenn der Versicherer seine Bedingungen nicht an die Neuregelung des VVG im Jahr 2008 angepasst hat.
 
Was war geschehen? Nach einem am 08.01.2009 eingetretenen Leitungswasserschaden verweigerte der Versicherer jeglichen Versicherungsschutz mit der Begründung, es liege eine Obliegenheitsverletzung vor: der Versicherungsnehmer habe gegen § 11 VGB 88 verstoßen. § 11 VGB 88 bestimmt:
 
       "1. Der Versicherungsnehmer hat
             a)     [...]
             b)     [...]
             c)     nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.
             d)     [...]
         2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine dieser Obliegenheiten, so ist der Versicherer nach Maßgabe von § 6 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei. [...]"
 
Der Versicherungsnehmer hatte gegen diese Bestimmung verstoßen, da er die Heizungsanlage nicht entleert hatte, obwohl das Gebäude leer stand.
 
Das Landgericht Köln gab der Klage des Versicherungsnehmers auf Ersatz der entstandenen Kosten gleichwohl statt. Begründung: § 11 Nr. 2 VGB 88 bestimmt, dass der Versicherer leistungsfrei "nach Maßgabe von § 6 VVG" ist. Die Leistungsfreiheit des Versicherers ist jedoch nach der Neufassung des VVG nicht mehr in § 6 VVG geregelt, sondern in § 28 VVG. Nach der alten Fassung des § 6 VVG war der Versicherer zudem bei grober Fahrlässigkeit vollständig leistungsfrei, wohingegen der Versicherer nach dem neuen § 28 VVG seine Leistung lediglich anteilig kürzen darf. § 11 der Versicherungsbedingungen verweist somit auf die falsche Rechtsnorm. Hieraus folgt, dass der Versicherungsnehmer trotz Obliegenheitsverletzung vollständig entschädigt wird. 
 
Die Konsequenzen des Urteils sind gravierend: die Entscheidungsgründe sind auf sämtliche vor 2008 geschlossenen Verträge übertragbar, bei denen der Versicherer seine Versicherungsbedingungen nicht an die Neuregelung des VVG zum 01.01.2008 angepasst hat.
 
Nahezu sämtliche Versicherungsbedingungen vor 2008 sehen vor, dass sich die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung nach § 6 VVG a.F. richten. Richtigerweise müsste jedoch auf § 28 VVG verwiesen werden. Bereits wegen dieses Fehlers ist nach dem Urteil des LG Köln der Versicherer trotz Obliegenheitsverletzung zur Leistung verpflichtet.
 
Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist bislang nicht bekannt.
 
Quelle: LG Köln, Urteil vom 21.01.2010, 24 O 458/09
Dr. Finzel, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Versicherungsrecht