Im Grenzbereich - Der qualifizierte Rotlichtverstoß

Strafrecht und Justizvollzug
09.08.2006 4761 Mal gelesen

Wer eine rote Ampel überfährt, bekommt eine Geldbuße und drei Punkte in Flensburg. War die Ampel dabei schon länger als 1 Sekunde auf rot, liegt ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß vor und es droht neben einer höheren Geldbuße und vier Punkten auch ein einmonatiges Fahrverbot. Die Rotlichtzeit hat also für die Art der Sanktion eine entscheidende Bedeutung. Bei der Verteidigung gegen diesen Vorwurf muss daher der Nachweis einer exakten Messung im Vordergrund stehen. Wegen der scharfen Sanktion ist besonders die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes an sehr strenge Anforderungen geknüpft. 

Die Feststellung der gefahrenen Geschwindigkeit ist ebenso notwendig, wie die Feststellung, worauf die Geschwindigkeitsangabe beruht. Notwendig ist ferner die Angabe, wann das vorausgehende Gelblicht vom Betroffenen bemerkt wurde und wann der Betroffene in den für den Querverkehr geschützten bereich eingefahren ist (dieser Bereich muss nicht immer direkt nach der Haltelinie beginnen). Soweit es sich um eine technische Messung handelt und die angegebene Rotphase im zeitlichen Grenzbereich liegt, muss der verwendete Gerätetyp mitgeteilt werden. Nur so lässt sich beurteilen, ob auch bei Abzug des erforderlichen Toleranzwertes noch von einem qualifizierten Verstoß ausgegangen werden kann. Natürlich ist auch die gültige Eichung der Rotlichtüberwachungsanlage zu überprüfen. Im Hinblick auf eine mögliche Fehlmessung ist auch eine genaue Auswertung des Messfotos erforderlich. Wertvolle Verteidigungsansätze ergeben sich manchmal aus der Lage der im Straßenbelag verlegten Induktionsschleifen. Werden Koaxialkabel verwendet, ist die genaue Entfernung beider Kabel von der Haltelinie in Erfahrung zu bringen und eine eigene Berechnung vorzunehmen. 

Handelt es sich um eine zeugenbasierte Messung, ist die von den Zeugen angewandte Messmethode darzustellen und mit Blick auf ihre Beweiskraft zu bewerten.Bei einem Zeugen muss festgestellt werden, dass dieser erstens die rote Ampel im Blick gehabt und zweitens genau gesehen hat, wie das Fahrzeug über die Haltelinie gefahren ist. Eine Abmessung der Rotlichtphase durch Zählung (21, 22) reicht zur Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes in der Regel nicht aus, erst recht wenn das Sekunden-Mitzählen durch einen zufällig beobachtenden Polizisten vorgenommen wurde. Es muss dann zumindest ein ausreichender Sicherheitsabschlag angesetzt werden. Ein ausreichendes Sekundenpolster muss zum Ausgleich der Reaktionsverzögerung auch bei gezielter Polizeiüberwachung mittels einer geeichten Stoppuhr vorgenommen werden (0,3 sec).

Bei der Messung durch nachfahrende Polizeibeamte ist erforderlich, dass diese eine Rotlichtzeit von drei Sekunden mitgezählt haben und es darf nicht zweifelhaft sein, dass die Beamten von ihrer Position aus - insbesondere wenn noch andere Fahrzeuge hinter dem Betroffenen waren - tatsächlich das Einfahren in die Kreuzung bei länger als einer Sekunde währender Rotlichtphase genau beobachten konnten.  

Die Verteidigung muss nach Einlegung des Widerspruchs gegen einen Bußgeldbescheid zunächst ausgiebig von ihrem Akteneinsichtsrecht Gebrauch machen und ggf. auf die zur weiteren Sachaufklärung noch erforderlichen Angaben durch Beweis- bzw. Beweisermittlungsanträge hinwirken. Die technischen Fragen der Rotlichtüberwachung müssen geläufig sein. Auch die Einbeziehung eines Sachverständigengutachtens kann in Betracht kommen. Erfolgte die Zeitfeststellung über Zeugen, müssen diese in der Hauptverhandlung hierzu eingehend befragt werden. 

Zeichnet sich ab, dass eine Verurteilung wegen eines qualifizieren Rotlichtverstoßes trotz allen Bemühens nicht zu vermeiden ist, muss geprüft werden, ob die für ein Augenblicksversagen des Betroffenen sprechenden atypischen Umstände vorlagen.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth, Düsseldorf ist regional und überregional als Verteidiger auf dem Gebiet des Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts tätig.