Qualifizierter Rotlichtverstoß und Fahrverbot! Zur Ermittlung der Rotlichtzeit durch Zeugen reicht eine gefühlsmäßige Zeitschätzung nicht aus!

Strafrecht und Justizvollzug
27.01.20101204 Mal gelesen
Bei der Ermittlung der Rotlichtzeit durch zufällig anwesende Zeugen darf es sich nicht um eine rein gefühlsmäßige Zeiteinschätzung handeln, die objektiv überprüfbaren Umständen entzogen ist.
Dem Betroffenen wurde im vorliegenden Fall ein Rotlichtverstoß im Kreuzungsbereich vorgeworfen, den er begangen haben soll, woraufhin es zu einem Verkehrsunfall kam. Im Gerichtsverfahren vor dem AG Hagen hatte das Sachverständigengutachten ergeben, dass die Lichtzeichenanlage, die der Betroffene überfahren hatte, schon mindestens 6 Sekunden das Rotlicht angezeigt hatte. Diese Feststellung wurde auf die Aussagen von zwei Verkehrsteilnehmern ? darunter auch der Unfallgegner - gegründet. Daraufhin verurteilte das AG Hagen am 02.12.2008 den Betroffenen zu einer Geldbuße von 125,- ? und einen einmonatigen Fahrverbot.
 
Gegen dieses Urteil legte der Betroffene vor dem OLG Hamm Rechtsbeschwerde ein.
 
Das OLG stellte fest, dass nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden könne, wann die Zeugen, die schließlich selbst als Autofahrer am Verkehr teilgenommen hatten und auf die für sie geltenden Lichtzeichenanlagen konzentriert waren, auf den Betroffenen aufmerksam geworden sind. Zudem erfolgte hier die Beobachtung der Ampelschaltung aus dem Querverkehr und die - zwar zweifelsfrei übereinstimmende ? Angabe beider Zeugen, die für sie geltende Lichtzeichenanlage habe beim Hineinfahren in den Kreuzungsbereich "bereits mehrere Sekunden" Grünlicht gezeigt, sei eine "rein gefühlsmäßige Zeiteinschätzung zufällig anwesender Zeugen", die "angesichts der in Betracht kommenden Fehlerquellen mit Unsicherheiten behaftet" ist. Es handelte sich bei den Zeitangaben der Zeugen um nachträgliche Schätzungen, die nicht aufgrund objektiver Umstände durchgeführt wurden.
 
Weiterhin rügte das OLG, dass im Urteil des Amtgerichts nicht dargelegt wurde, weshalb vorsätzliches Handeln des Betroffenen angenommen wurde. Dieser achtete laut Urteilsfeststellungen zur Tatzeit nicht auf das Rotlicht, was eher auf fahrlässiges Handeln schließen lässt. Auch die Erwägung, die Lichtzeichenanlage habe mindestens 6 Sekunden das Rotlicht angezeigt und deshalb könne man von einem Tatvorsatz ausgehen, ist laut OLG Hamm nicht ausreichend, schon deshalb, weil die Rotlichtdauer selbst nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte.
 
Infolgedessen hob das OLG Hamm das angefochtene Urteil auf und wies es an das Amtsgericht Hagen zurück.
 
OLG Hamm vom 01.09.2009, 2 Ss OWi 550/09
 
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505.