Führerschein Entzug nach BTM-Delikt

Strafrecht und Justizvollzug
04.07.201421284 Mal gelesen
Hat der Beschuldigte erst einmal das strafrechtliche Verfahren überstanden, so meldet nach Strafverfahren in Betäubungsmittelsachen in schöner Regelmäßigkeit auch noch die Verwaltungsbehörde und möchte dem Delinquenten noch seinen Führerschein streitig machen und das oft auch, wenn der Strafrichter dem Beschuldigten seinen Führerschein belassen hat. Auch hier kann ein versierter Anwalt viel tun:

Auf weit breiterer Grundlage als der Strafrichter ist die Verwaltungsbehörde zuständig, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet erweist. Geregelt ist dies in der zum 01.01.1999 in Kraft getretenen Fahrerlaubnisverordnung. Nach dieser darf derjenige am Verkehr nicht teilnehmen, der sich infolge körperlicher oder geistiger Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen kann, sofern er nicht in geeigneter Weise Vorsorge trifft, dass andere nicht gefährdet werden. Wer Rauschmittel konsumiert hat, hat nach dieser Logik auf die Verkehrsteilnahme zu verzichten. Dort wurden Regelungen über die Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholmissbrauch und Regelungen über die Klärung von Eignungszweifeln bei Medikamenten- und Betäubungsmittelmissbrauch getroffen. Ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis ungeeignet zum Führen eines Kfz, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen.


Auf dieses Verfahren gilt es Einfluss zu nehmen.


1. Den Fahrerlaubnisentzug vorbereitende Maßnahmen.

a) Obligatorische Anordnung eines ärztlichen Gutachtens.


Die Fahrerlaubnisverordnung verpflichtet die Fahrerlaubnisbehörde, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln i.?S.?d. BtMG, eine Einnahme von Betäubungsmitteln i.?S.?d. BtMG oder ein Missbrauch von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln vorliegt. Ein ärztliches Gutachten ist aber nur anzuordnen, wenn Zweifel an den genannten Umständen bestehen; ist ein solcher Sachverhalt erwiesen, bedarf soll es keines ärztlichen Gutachtens bedürfen.


aa) Voraussetzungen.


Voraussetzung für die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung eines ärztliches Gutachten ist, dass hinreichend konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. Der bloße Besitz von Betäubungsmitteln rechtfertigt alleine noch nicht die Annahme, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln i.?S.?d. Fahrerlaubnisverordnung gegeben ist. Dies kann aber anders aussehen, wenn im Rahmen einer Hausdurchsuchung neben den Betäubungsmitteln auch Konsumutensilien in der Wohnung des Betroffenen sichergestellt werden.


bb) Bei anderen Betäubungsmitteln als Cannabis.


Ein ärztliches Gutachten nach der Fahrerlaubnisverordnung ist anzuordnen, wenn Anhaltspunkte für einen (auch nur einmaligen) Drogenkonsum anderer Betäubungsmittel als Cannabis vorliegen, der Nachweis aber noch aussteht.


cc) Bei Cannabis.


Bei Cannabis reicht dagegen der Verdacht auf einen einmaligen Konsum für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nicht aus. Vielmehr sind Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass


. ein regelmäßiger Konsum vorliegt oder
. ein gelegentlicher Konsum vorliegt und zusätzlich ein weiter Umstand, z.?B. das fehlende Trennungsvermögen des Betroffenen zwischen Konsum und der Teilnahme im Straßenverkehr, gegeben ist.
Von einem regelmäßigen Konsum i.?S.?d. Fahrerlaubnisverordnung kann ausgegangen werden, wenn der Fahrerlaubnisinhaber
. Angaben gemacht hat, die auf einen mehr als gelegentlichen Konsum hindeuten,
. er in Besitz von mehr als 10?g Cannabis war,
. oder ihm ein mehrfacher Besitz von kleineren Mengen von Cannabis in einem kurzen Zeitraum nachgewiesen werden kann.


Die Einräumung gelegentlichen Cannabiskonsums und des Besitzes von 200?g Haschisch für den Eigenbedarf kann jedoch ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Annahme begründen, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt, wenn die Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Anordnung zur Beibringung des ärztlichen Gutachtens zweieinhalb Jahre zurückliegen.


b) Fakultative Anordnung eines ärztlichen Gutachtens.


Die Fahrerlaubnisbehörde kann ein Gutachten anordnen, wenn der Betroffene Betäubungsmittel widerrechtlich besitzt oder besessen hat, wobei der Besitz nachgewiesen sein muss. Beim Besitz von Cannabis müssen zusätzliche konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass fahreignungsrelevante Defizite beim Betroffenen vorliegen oder dieser nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr trennen kann.


c) Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU).


Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn neben einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis weitere Tatsachen Zweifel an der Fahreignung begründen.
Bei der Einnahme anderer Betäubungsmittel als Cannabis, also z.?B. Heroin oder Kokain, führt der Nachweis des bloßen Konsums oder der Abhängigkeit ohne weiteres zur Nichteignung; hierfür reicht eine ärztliche Untersuchung als schonender Persönlichkeitseingriff aus.
Bei Cannabis muss hingegen zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Gebrauch dahingehend unterschieden werden, dass bei gelegentlichem Konsum die Fahreignung in der Regel gegeben ist, bei regelmäßigem Konsum zumeist die Fahreignung zweifelhaft bzw. ausgeschlossen ist. Bei Cannabiskonsum fehlt die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen also nur dann, wenn entweder feststeht, dass der Fahrer regelmäßig Cannabis konsumiert oder wenn neben gelegentlichem Cannabiskonsum weitere Umstände Zweifel an der Fahreignung begründen. Dies ist z.?B. dann der Fall, wenn der Cannabiskonsum im Zusammenhang mit dem Fahren erfolgt, wenn Persönlichkeitsverlust oder Störungen der Persönlichkeit vorliegen oder wenn zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt. Zweifeln, die sich aus solchen weiteren Umständen ergeben, kann durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung nachgegangen werden.
Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens darf aber nicht angeordnet werden, wenn nur geklärt werden soll, ob der Fahrerlaubnisinhaber gelegentlich oder regelmäßig Cannabis konsumiert, dies muss mit dem oben geschilderten ärztlichen Gutachten erfolgen.


2. Entzug der Fahrerlaubnis.


a) Fehlende Charaktereignung.


Die Fahrerlaubnisbehörde muss eine Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Ungeeignet ist insb., wer wegen körperlicher oder geistiger Mängel ein Kfz nicht sicher führen kann, wer unter erheblicher Wirkung geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel am Verkehr teilgenommen oder sonst gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze erheblich verstoßen hat.
Liegt ein Verstoß gegen nicht verkehrsrechtliche Vorschriften vor, ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis eine Sicherungsmaßnahme und keine Strafe ist, sie also nicht als zusätzliche Nebenstrafe verhängt werden kann. Vielmehr kommt es darauf an, ob die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt. Dies ist der Fall, wenn zu befürchten ist, dass die Fahrerlaubnis zu Straftaten nicht verkehrsrechtlicher Art missbraucht wird oder wenn der Besitzer der Fahrerlaubnis strafbare Handlungen nicht verkehrsrechtlicher Art erleichtert oder den betreffenden in seiner Neigung hierzu fördert.
Die charakterliche Eignung fehlt weiterhin dann, wenn die Art und Weise der Straftaten charakterliche Anlagen erkennen lässt, die, wenn sie sich im Straßenverkehr auswirken, die Allgemeinheit gefährden oder die Befürchtung rechtfertigen, dass der Täter auch Verkehrsvorschriften missachten werde.


b) Fahreignung des Cannabiskonsumenten.


aa) Einmaliger oder gelegentlicher Konsum von Cannabis ohne Bezug zum Straßenverkehr.


Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Angemessenheit der eingreifenden Maßnahmen im Verhältnis zum Anlass des Einschreitens ist der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtselement für eine Fahreignungsprüfung zu bewerten.


bb) Gelegentlicher Konsum von Cannabis mit Verkehrsbezogenheit.


Der gelegentliche Cannabiskonsum kann die Fahrerlaubnisentziehung begründen, wenn hinreichend konkrete Verdachtsmomente für das Vorliegen eines der Zusatzelemente, wie z.?B. fehlende Trennung zwischen Fahren und Konsum, bestehen. Gelegentlicher Konsum ist anzunehmen, wenn der Betroffene Cannabis mehrmals, aber deutlich weniger als täglich konsumiert. Ein einmaliger Konsum ist noch nicht als gelegentlicher Konsum zu verstehen. Aus einem in einer Blutanalyse nachgewiesenen THC-Carbonsäure-Wert von über 100?ng/ml kann auf einen gelegentlichen Konsum geschlossen werden. Die gelegentliche Cannabiseinnahme kann sich auch aus anderen Umständen erschließen, z.?B. aus den eigenen Angaben des Betroffenen oder daraus, dass er zuvor schon einmal als Cannabiskonsument in Erscheinung getreten war. Das OVG Koblenz hat in seinem Beschl. v. 2. 3. 2011, entschieden, dass auch eine THC-Carbonsäure-Konzentration von 94?ng/ml die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsum rechtfertigt, wenn der Betroffene zunächst Angaben zu seinem Konsumverhalten verweigert bzw. geltend macht, noch nie Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Um bei dem Betroffenen nicht von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen zu können, müsse sich dieser nämlich ausdrücklich auf einen Erstkonsum berufen und die entsprechenden Einzelumstände dieses Konsums substantiiert und glaubhaft darlegen.
Das Zusatzelement des fehlenden Trennungsvermögens ist nachgewiesen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber unter dem Einfluss einer THC-Konzentration von mindestens 1?ng/ml am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob die nachgewiesene THC-Konzentration auf einem aktiven oder passiven Konsum von Cannabis beruht.


cc) Regelmäßiger Cannabiskonsum.


Nach der Fahrerlaubnisverordnung ist bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis die Fahreignung im Regelfall ausgeschlossen, so dass die Fahrerlaubnisbehörde zur Entziehung der Fahrerlaubnis regelmäßig verpflichtet ist. Aus einem THC-Carbonsäure-Wert von über 150?ng/ml ist auf eine regelmäßige Einnahme von Cannabis zu schließen. Tatsachen für einen regelmäßigen Cannabiskonsum können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben, z.?B. aus den Angaben des Fahrerlaubnisinhabers oder aus.


dd) Cannabisabhängigkeit.


Langjähriger Cannabismissbrauch schließt die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Die Eignung kann nur aufgrund des Nachweises einer einjährigen Abstinenz wiedergewonnen werden.


c) Fahreignung beim Konsum der übrigen Substanzen.


Ein Kraftfahrer, der andere Betäubungsmittel als Cannabis konsumiert hat, ist im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, ohne dass ihm das Führen eine Kraftfahrzeuges unter der Wirkung des Betäubungsmittels nachgewiesen werden muss. Dies gilt auch dann, wenn bei ihm bislang nur einmal der Konsum von Betäubungsmitteln festgestellt worden ist. Ausnahmen von dieser Regel sind grundsätzlich nur dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren obliegt es grundsätzlich dem Fahrerlaubnisinhaber, das Bestehen solcher atypischen Umstände in seiner Person substantiiert darzulegen.


d) Weigerung, sich untersuchen zu lassen.


Fahrerlaubnisverordnung darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen dann schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Denn in einem derartigen Verweigerungsverhalten lässt der Fahrerlaubnisinhaber die von einem Kraftfahrzeugführer zu fordernde Einsicht dafür vermissen, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen Belangen vorgeht.
Die Weigerung, sich einer angeordneten Untersuchung zu stellen, darf aber nicht zum Nachteil des Betroffenen gewürdigt werden, wenn die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde nicht gerechtfertigt, nicht erforderlich oder nicht verhältnismäßig war oder dem Betroffenen nicht wirksam zugegangen ist.
Im Hinblick darauf, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung für den Betroffenen mit gravierenden Rechtsfolgen verbunden ist, kann ein bloßer Verdacht Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers nicht begründen. Die Verkehrsbehörde muss einen durch Tatsachen getragenen Anfangsverdacht für die Einnahme von Betäubungsmitteln belegen. Dass sich ein Antragsteller offenbar in der Drogenszene aufhält oder bewegt, reicht nicht aus. Ein Fahrerlaubnisinhaber ist erst dann verpflichtet, sich auf Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde untersuchen zu lassen und das entsprechende Gutachten beizubringen, wenn diese einen durch Tatsachen getragenen Anfangsverdacht für die Einnahme von Betäubungsmitteln belegen kann.


3. Wiedererlangung der Eignung.


War die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen, so kann sie aus ärztlicher Sicht nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass keine Abhängigkeit mehr besteht bzw. Suchtmittel nicht mehr regelmäßig eingenommen werden. Je länger der Zeitraum des Drogenkonsums währte, desto länger muss die Zeit bemessen werden, für die der Betroffene seine Abstinenz lückenlos und zweifelsfrei nachzuweisen hat. Dieser Nachweis kann nicht mit einem Attest eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie geführt werden, das jegliche psychischen und neurologischen Besonderheiten verneint und von keinerlei Anzeichen für eine Drogenabhängigkeit ausgeht. Nur eine umfassende medizinisch-psychologische Untersuchung kann den Nachweis erbringen, dass keine Rückfallgefahr mehr besteht.

Die oben gemachten Ausführungen zeigen also, dass im verwaltungsrechtlichen Verfahren um den Führerschein, das sich regelmäßig einer Verurteilung wegen einer Betäubungsmittelstraftat anschließt, fast genauso viele Fallstricke lauern wie im vorhergehenden Strafverfahren. Man ist also, sofern einem der eigene Führerschein lieb ist, oder man auf diesen angewiesen ist, sich auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren qualifizierten anwaltlichen Rates zu bedienen. Um diesen bieten zu können, muss ein Anwalt nicht nur ein guter Strafverteidiger sein, sondern auch über hervorragende Kenntnisse im Verwaltungsrecht verfügen.