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Eigenbedarf

 Normen 

§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB

 Information 

1. Einführung

Der Eigenbedarf ist ein in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gesetzlich geregelter Kündigungsgrund eines Wohnraummietverhältnisses.

2. Voraussetzungen

2.1 Allgemein

Eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters erfordert, dass der Vermieter die Wohnung

  • für sich,

    Einzelfälle:

    Zweitwohnsitz: Die Rechtsprechung, nach der auch die Begründung eines Zweitwohnsitzes durch den Vermieter als Eigenbedarfsgrund ausreicht, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG 23.04.2014 - 1 BvR 2851/13).

    Berufs- oder Geschäftsbedarf: Der BGH hat mit dem Urteil BGH 29.03.2017 - VIII ZR 45/16 Leitsätze für die Anerkennung eines Berufs- oder Geschäftsbedarfs anerkannt. "Sie erfordert eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls." D.h. es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.

  • seine Familienangehörigen

    Die Anerkennung als Familienangehöriger erfordert eine familiäre Bindung. Es ist nicht erforderlich, dass ein bestimmter Verwandtschaftsgrad besteht. Auch der Wohnbedarf eines Schwagers des Vermieters kann einen Eigenbedarf zumindest dann begründen, wenn ein besonders enger Kontakt besteht (BGH 03.03.2009 - VIII ZR 247/08).

    Zu den Familienangehörigen zählen auch leibliche Neffen und Nichten des Vermieters (BGH 27.01.2010 - VIII ZR 159/09).

    Dabei hat der BGH die Rechtsprechung bestätigt, nach der der Eigenbedarf nicht bei allen Mitgliedern einer vermietenden Bruchteilsgemeinschaft vorliegen muss, sondern es genügt, wenn er bei einem Miteigentümer gegeben ist (BGH 02.09.2020 - VIII ZR 35/19).

    Die Rechtsprechung hat geurteilt, dass der Ehegatte unabhängig vom Fortbestand der Ehe Familienangehöriger ist (BGH 02.09.2020 - VIII ZR 35/19).

  • oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

    Angehörige seines Haushalts müssen, anders als Familienangehörige, im Zeitpunkt der Geltendmachung des Eigenbedarfs im Haushalt des Vermieters leben.

2.2 Mischnutzung

Mischnutzung durch den Mieter: Bei einem einheitlichen Mischmietverhältnis, das wegen überwiegender Wohnnutzung als Wohnraummietverhältnis anzusehen ist, braucht sich ein vom Vermieter geltend gemachter Eigenbedarf nur auf die Wohnräume zu beziehen. Unerheblich ist es, wenn die gewerblichen Räume für das Familienmitglied nutzlos sind (BGH 01.07.2015 - VIII ZR 14/15).

Geplante Mischnutzung durch den Vermieter: "So weist der Entschluss eines Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen (sog. Mischnutzung), eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf, da er in solchen Fallgestaltungen in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In diesen Fällen wird es regelmäßig ausreichen, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde, was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters häufig der Fall sein dürfte. Entsprechendes gilt, wenn die Mischnutzung durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Vermieters erfolgen soll." (BGH 29.03.2017 - VIII ZR 45/16).

2.3 Personengesellschaft als Vermieter

Auch eine Personengesellschaft kann für einen ihrer Gesellschafter Eigenbedarf geltend machen (BGH 16.07.2009 - VIII ZR 231/08, BGH 23.05.2007 - VIII ZR 113/06). Für juristische Personen gilt dies jedoch nicht.

3. Angabe des Eigenbedarfsgrunds

Der Eigenbedarfsgrund ist in dem Kündigungsschreiben darzulegen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH 30.04.2014 - VIII ZR 284/13).

4. Nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrundes

Der nachträgliche Wegfall eines im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehenden Eigenbedarfsgrundes ist nach dem Urteil BGH 09.11.2005 - VIII ZR 339/04 nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu berücksichtigen und dem Mieter mitzuteilen.

5. Rechtsmissbrauch

Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich ist nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen. Es lassen sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist (BGH 04.03.2015 - VIII ZR 166/14).

Der Vermieter setzt sich zu seinem eigenen Verhalten dann in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt (BGH 20.03.2013 - VIII ZR 233/12).

Aber der BGH hat diese Anforderungen mit der Entscheidung BGH 04.02.2015 - VIII ZR 154/14 wieder eingeschränkt: Kein Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen einer "Bedarfsvorschau" erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat. Denn - nach der Begründung der Richter - bei verständiger und objektiver Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen) macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann.

Ein - auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter - Eigennutzungswunsch rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht (BGH 23.09.2015 - VIII ZR 297/14).

6. Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Eigenbedarfs bei einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung obliegt nach dem Urteil BGH 18.05.2003 VIII - ZR 368/03 dem Vermieter. Erst wenn diese Beweisobliegenheit erfüllt ist, ist der Mieter beweispflichtig dafür, dass der Vermieter auch schon im Zeitpunkt der Kündigung keinen Selbstnutzungswillen hatte.

7. Nichtvorliegen des Eigenbedarfs

Sofern die Voraussetzungen des Eigenbedarfs nicht vorliegen, ist der Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet (BGH 18.05.2003 - VIII ZR 368/03).

Dies gilt auch dann, wenn der Eigenbedarf nicht im Kündigungsschreiben als berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses angegeben wurde und die Kündigung deshalb unwirksam ist, der Vermieter dem Mieter den Eigenbedarf aber schlüssig dargetan und der Mieter keine Veranlassung hatte, die Angaben des Vermieters in Zweifel zu ziehen (BGH 08.04.2009 - VIII ZR 231/07).

An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss - auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände - unmissverständlich sein (BGH 10.06.2015 - VIII ZR 99/14).

8. Möglichkeit zum Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung

Die Mietvertragsparteien können durch eine Vereinbarung die Möglichkeit des Vermieters zum Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung ausschließen (BGH 20.03.2013 - VIII ZR 233/12).

Aber:

Diese gelten nicht bei dem Eigentümerwechsel im Rahmen einer Zwangsversteigerung:

"Der Ausübung des Sonderkündigungsrechts des Erstehers nach § 57a ZVG stehen, wenn die Zuschlagserteilung zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen erfolgt, Kündigungsbeschränkungen - hier: Ausschluss der Eigenbedarfskündigung -, die zwischen dem Mieter und dem vormaligen Eigentümer (Vermieter) vereinbart worden sind, nicht entgegen" (BGH 15.09.2021 - VIII ZR 76/20).

 Siehe auch 

Mietvertrag - ordentliche Kündigung

BGH 21.01.2009 - VIII ZR 62/08 (erneute Eigenbedarfskündigung nach rechtskräftigem Urteil)

BGH 27.06.2007 - VIII ZR 271/06 (Kündigung eines Mietverhältnisses durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen des Eigenbedarfs eines Gesellschafters)

BGH 20.10.2004 - VIII ZR 246/03 (Kündigung wegen Eigenbedarfs und Erkrankung des Mieters)

BVerfG 18.04.2006 - 1 BvR 31/06 (Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung des nachträglichen Wegfalls des Kündigungsgrundes zu Gunsten des Mieters)

BVerfG 19.03.1993 - 1 BvR 1714/92 (Vermieter können über Wohnbedarf frei entscheiden)

https://www.mieterbund.de

Büring: Eigenbedarfskündigung: Eigenbedarf für berufliche Nutzung; Mietrecht kompakt - MK 2018, 88

Büring: Eigenbedarfskündigung. Eigenbedarf für Pflegepersonen: So muss die Kündigung begründet werden; Mietrecht kompakt - MK 2018, 70

Eisenhardt: Arbeitshilfe: Der Tatsachenvortrag bei Eigenbedarfskündigungen; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2002, 1416

Fleindl: Eigenbedarfsstreit - Mandat und Prozessführung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 2315

Haase: Räumungsvergleich und Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs; Zeitschrift für Miet- und Raumrecht - ZMR 2000, 653

Häublein: Alternativwohnungen im Eigenbedarfsrecht - Zeitlicher Umfang nachwirkender Vermieterpflichten; Neue Zeitschrift für Mietrecht - NZM 2003, 970

Harz/Riecke/Schmid: Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht; 7. Auflage 2021

Hermanns/Weers-Hermanns: Eigenbedarf an einer Zweitwohnung?; Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht - NZM 2011, 8

Hinz: Neue Akzente beim Eigenbedarf; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2017, 3473

Schneider: Zwangsversteigerung - (Sonder-)Kündigungsrecht trotz vereinbarten Eigenbedarfsausschlusses; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 438