Nötigung im Straßenverkehr (§ 240 StGB)

Strafrecht und Justizvollzug
04.03.20081974 Mal gelesen

NÖTIGUNG IM STRAßENVERKEHR

 

Nach § 240 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) macht sich wegen Nötigung strafbar, wer einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.

Nach § 240 Abs.2 StGB handelt rechtswidrig, wenn das Verhältnis von Tathandlung - also die Ausübung von Gewalt oder das Drohen mit einem Übel - und Taterfolg außer Verhältnis steht und die Handlung deshalb als verwerflich zu bezeichnen ist.

Ob ein verkehrswidriges Verhalten eine Nötigung darstellt, hängt entscheidend davon ab, ob das Verhalten, welches einem anderen Teilnehmer aufgezwungen werden soll, sich als Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel darstellt.

 

Unter Gewalt versteht man dabei die Anwendung physischen Zwangs, welcher sich bei dem anderen unmittelbar physisch auswirken muss.

Wer also einen anderen festhält oder sich mit seinem Pkw vor einem anderen Pkw querstellt, der bereitet ein gegenständlich wahrnehmbares und mit Kraftanstrengung zu überwindendes Hindernis. Er wendet dann Gewalt im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB an.

 

Unter einer Drohung ist das Inaussichtstellen eines Übels zu verstehen. Wenn man jemandem droht, dann gibt man vor, dass man auf das Ein- und Nichteintreten des genannten Übels Einfluss hat.

Gibt der Erklärende zu erkennen, dass er keine Einflussmöglichkeit auf den möglichen Eintritt des Übels hat, dann warnt er nur.

Ferner muss das Übel bei dem anderen Verkehrsteilnehmer als empfindlich erfunden werden. Als empfindlich stellt sich ein Übel dann dar, wenn es bei dem anderen eine psychische Zwangswirkung hervorruft.

Im Rahmen der täglichen Beratungspraxis haben sich folgende Fallgruppen bei der Nötigung im Straßenverkehr herausgebildet:

 

1. Ausbremsen

Das Ausbremsen stellt sich nach ständiger Rechtsprechung als Gewalteinwirkung dar (BGH, NJW 1995, 3131; OLG Stuttgart, DAR 1995, 261.). Wer einen nachfolgenden Fahrzeugführer durch grundloses Bremsen oder durch einen überraschenden Fahrbahnwechsel zum Bremsen zwingt, bereitet ein physisches Hindernis und handelt damit mit Gewalt.

Es stellt sich dabei aber die Frage, ob die Gewaltanwendung vorsätzlich oder in verwerflicher Art und Weise erfolgte. Wer dem dicht Auffahrenden einen kurzen Adrenalin-Kick "gönnen" will, indem er auf die Bremse tritt, der handelt  - ohne Probleme  - absichtlich. Wer sich so zur Sache einlässt, hilft der Ermittlungsbehörde und dem Gericht bei seiner eigenen Verurteilung.

Es können aber auch Situationen entstehen, welche zu einer starken Bremsung veranlassen. Wer bremst, weil der vorausfahrende Verkehr bremst, der handelt nicht vorsätzlich und verwerflich. Gleiches gilt, wenn der Bremsende am Straßenrand Kinder wahrgenommen hat und eventuell sogar zuvor auf kreuzende Kinder mit einem entsprechenden Verkehrsschild hingewiesen wurde. Gleiches gilt bei Wildwechsel.

Das bloße Aufleuchtelassen der Bremslichter (ohne tatsächliches Abbremsen des Fahrzeugs) stellt keine Gewalteinwirkung dar (OLG Köln, NZV 1997, 318.).

 

2. Bedrängendes, zu dichtes Auffahren

Das drängelnde und zu dichte Auffahren - ggf. noch unter Nutzung von Hupe, Lichthupe und Blinker - kann sich als Nötigung darstellen.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, NJW 2007, 1669) scheidet die Handlungsaltenative der Gewalteinwirkung dabei allerdings aus. Hierbei stellt sich vielmehr allein die Frage, ob der "Drängler" mit einem empfindlichen Übel gedroht hat, nämlich mit der Fortsetzung der gefährlichen und beägstigenden Verkehrssituation, welche vom Bedrängten als Zwangslage empfunden wird.

Aber nicht jedes zu dichte Auffahren stellt sich als Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Ein belästigendes zu dichtes Auffahren reicht nicht aus. Der erforderliche "Tatunwert" wird nur bei einem Vorgang von einiger Dauer und größerer Intensität erreicht (BGHSt. 19, 263; OLG Stuttgart, DAR 1998, 153.). Das ist aber erst dann der Fall, wenn das Auffahrverhalten einer physischen Zwangswirkung gleichgestellt werden kann, weil der Bedrängte meint, sich nicht mehr anders verhalten zu können, als Platz zu machen.

Im Strafverfahren wird die Feststellung, ob sich das Drängeln als Drohung im Sinne von § 240 StGB darstellt, von der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abhängig gemacht (bspw. Geschwindigkeit der Fahrzeuge, Abstände zueinander, Dauer und Streckenlänge des Bedrängens).

Eine insgesamt nur 14 Sekunden andauerndes Bedrängen soll nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG, NZV 1993, 357) nicht die erforderliche Intensität vermitteln, um von einer Nötigungshandlung sprechen zu können.

 

Wer sich als Beschuldigter oder Angeklagter allerdings voller Vertrauen darauf verlässt, dass Staatsanwaltschaft oder Gericht "schon richtig entscheiden" werden, der ist nicht selten verlassen und schneller verurteilt als er das glauben will.

Hier ist konkrete Verteidigung notwendig. Eine Verteidigung erschöpft sich dabei nicht in der Einsichtnahme der Ermittlungsakte und der Verfassung einer Einlassungsschrift. Verteidigung ist Kampf, und ein solcher Kampf will geplant sein!

 

Die Rechtsanwälte Stüwe & Kirchmann

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sind für solche Kämpfe gewappnet und geschult. Kontradiktorische Verteidigung - nicht selten als Konfliktverteidigung geschmäht - ist unser täglich Brot. Wir verteidigen deutschlandweit.

 

3. Verhindern des Überholens

Ob das Verhindern des Überholens - insbesondere durch den notorischen Linksfahrer - eine Nötigung darstellt, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Zwar stellt der Linksfahrer mit seinem Pkw ein physisches Hindernis dar, und das planmäßige Verhindern des Überholtwerdens stellt auch Gewalt dar (OLG Düsseldorf, NZV 2000, 301, 302; OLG Köln, NZV 1997, 318), aber es müssen erschwerende Umstände mit so besonderem Gewicht hinzutreten, das dem Verhalten des Linksfahrers das Makel des sittlich Mißbilligenswertes, Verweflichen, ja sogar sozial Unerträglichen anhaftet (so: OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Dies ist bei der schikanösen Behinderung, dem absichtlichen Langsamfahren mit plötzlichem Ausscheren, dem beharrlichen Linksfahern trotz freier Bahn und bei der (konkreten) Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer angenommen worden.

 

4. Blockieren der Ausfahrt / Freihalten bzw. Freikämpfen des Parkplatzes

Versperrt jemand einen Weg oder Parkplatz nur durch seinen Körper, dann kann das nicht mehr als Gewalt angesehen werden (sog. Sitzblockadeentscheidung des BVerfG). Dies gilt entsprechend auch für das Verperren eines Weges mit einem Pkw.

Der Fahrzeugführer, welcher sich allerdings einen Weg erkämpft, indem er den ihm den Weg versperreneden Fußgänger durch langsames Fahren - ggf. unter Einsatz der Stoßstange - wegdrängt, übt Gewalt aus. Nach der Ansicht des OLG Naumburg handelt der Fahrer zwar vorsätzlich und rechtswidrig, nicht aber verwerflich, wenn er immer wieder anhält, um dem anderen die Möglichkeit zu geben, den Weg zu räumen (OLG Naumburg, DAR 1998, 28.).

Diese Entscheidung dürfte allerdings mit Vorsicht zu genießen sein! Es wird allseits bezweifelt, dass sich eine solche Entscheidung anderswo wiederholen wird.

 

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