Es scheint dem Mandanten fast zu lächerlich: durch Zufall wurde er in einer "Mausefalle" angehalten, nach Kontrolle von Papieren und Verbandskasten sollte er dann erst Pusten.
Die später ermittelte Blutalkoholkonzentration (BAK) lag bei 1,6 Promille. Wie die Akteneinsicht ergibt, waren von den Polizeibeamten keine Fahrauffälligkeiten oder sonstigen Ausfallerscheinungen bemerkt worden. Sie hatten die Atemalkoholkonzentration (AAK) nur deshalb ermittelt, weil sie eine "leichte Fahne" gerochen hatten.
Und nun soll es um den Führerschein gehen?
Nun hat die folgende Betrachtungsweise von Richtern und Behörde nichts mit dem Einzelfall zu tun. Der Mandant sieht sich lediglich aufgrund der Statistik in folgenden Sachverhalt eingeordnet:
. Wer einmal mit Alkohol am Steuer erwischt wird, ist im Durchschnitt 800 bis 3000 Mal unter Alkoholeinfluss gefahren. (Der Durchschnitt der Bevölkerung hat eine Wahrscheinlichkeit von 4% für eine Trunkenheitsfahrt, wer bereits einmal erwischt wurde sogar von 30-40%).
. Wem es gelingt, mit 1,3 Promille oder mehr am Verkehr teilzunehmen, der ist an den Konsum großer Alkoholmengen gewöhnt (sonst könnte er kaum das Auto öffnen, bzw. den PKW überhaupt starten). Daher wird bei einer BAK ab 1,6 eine allgemeine Alkoholproblematik angenommen.
. Kontroverser diskutiert wird, ob aus der BAK auch auf das Risiko eines "Rückfalls" sicher geschlossen werden kann. Es ist jedoch offensichtlich, dass aus der Höhe der nachgewiesenen BAK auf die vorbestehende Alkoholgewöhnung geschlossen werden kann. Bei Fahrern, die mit einer hohen BAK erwischt werden, liegt also häufiger eine Alkoholabhängigkeit vor als bei anderen Gruppen.
. Zur Verdeutlichung ein Zitat aus dem Kommentar der "Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung" (S.: 136, 2. Aufl., Schubert et al, Schriftenreihe Fahreignung, 2005 Kirschbaum Verlag Bonn):
"Wer bei 80kg Körpergewicht bis zu 20 Glas Bier (zu 0,2l) oder 2l Wein getrunken hat (Sturztrunk ausgeschlossen), die erforderlich sind, um eine BAK/AAK von 1,6 Promille zu überschreiten und danach noch in der Lage ist, sein Fahrzeug zu bedienen, weist eine extrem hohe Gift-/Trinkfestigkeit auf, die auf einen entsprechenden, länger währenden Alkoholmissbrauch zurückgehen muss. . Denn jeder, der die für ihn persönlich maximal mögliche aus freien Stücken aufnehmbare Trinkmenge erreicht, zeigt in diesem Zustand schwere Ausfallerscheinungen. Treten bei einer im Verkehr festgestellten hohen BAK keine solchen Ausfälle auf, belegt dies, dass der Betroffene noch deutlich unter seiner persönlichen Konsumgrenze geblieben ist. Das vorausgegangene "Trinktraining" war also besonders nachhaltig."
Unterstellt Ihnen Ihr Anwalt ein chronisches Alkoholproblem?
Ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht ist nicht Ihr Arzt, Psychologe oder Seelsorger. Die Aufgabe des Verkehrsrechtlers ist es jedoch Ihnen vor Festlegen des weiteren Vorgehens eine realistische Einschätzung der gültigen Lehrmeinung zu vermitteln, in die Ihr Fall eingeordnet wird. Eine Beschönigung ist hier nicht in Ihrem Interesse. Im nächsten Schritt geht es dann darum, Besonderheiten Ihres Falles auszuloten und dazulegen, sowie das für Sie mutmaßlich (kosten)günstigste und aussichtreichste Vorgehen festzulegen.
Was ist das verkehrsrechtliche Problem in dem geschilderten Fall?
Es gibt keinen Schaden, also besteht kein haftungsrechtliches Problem. Zum Glück für den Mandanten, da bei einer Fahrt unter Alkoholeinfluss ihn seine Haftpflichtversicherung in Regress nehmen könnte.
Der Mandant hat jedoch - und dies ist in der anwaltlichen Praxis manchmal umso schwerer zu vermitteln - gegenüber seinem Leidensgenossen, der auch ohne Unfall aber Schlangenlinien fahrend mit 0,6 Promille aufgegriffen wurde, die schlechteren Karten. In seinem Fall wird es schwerer sein, zu widerlegen, dass kein Verlust "der Kontrolle über den Alkoholkonsum im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme" vorliegt.
So ist er nach der Definition des US-Departments of Transport bereits ein "Problemtrinker", nach Auffassung des Criteria Commitee des National Council on Alkoholism wird er -wegen des Fehlens gröberer Anzeichen von Trunkenheit - als "Alkoholiker", also ähnlich schwerwiegend wie bei Entwicklung eines Delirs, eingestuft. Im zitierten Kommentar der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung wird sogar argumentiert, dass bei 1,6 Promille sogar ohne Verkehrsteilnahme von einem missbräuchlichen Umgang mit Alkohol auszugehen ist, da dieser Wert in der "Normalbevölkerung" nicht erreicht werde. In der neuen Fassung des StVG wird nicht mehr von einer allgemeinen "Eignungsvermutung" ausgegangen: Es wird also das Vorliegen der Eignung gefordert, dies führt zur "Beweislastumkehr", also muss der Bewerber um einen Führerschein evtl. vorliegende Zweifel der Behörde ausräumen. "Nichtfeststellbarkeit der Eignung geht also zu Lasten des Bewerber" (Hentschel 21005, S:54). Damit steht der Führerschein auch langfristig in Frage.
Es gilt umso mehr nicht leichtfertig Aussagen zu machen oder sorglos in MPUs anzutreten und negative Gutachten "anzusammlen". Beraten Sie sich mit Ihrem Fachanwalt für Verkehrsrecht und - wenn Sie bereits einen entsprechenden Kontakt haben - mit einem Verkehrstherapeuten.
Rechtsanwalt Roman Becker ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und ausschließlich auf dem Gebiet des Verkehrsrecht tätig.