Nötigung durch Drängeln im Stadtverkehr - Kommentar zum Beschluss des BVerfG

Strafrecht und Justizvollzug
17.04.20071677 Mal gelesen

Die Nötigung durch Drängeln gehört zu den schwersten Vergehen im Straßenverkehr. Man kennt es meist von Autobahnen und Schnellstraßen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer am 17. April 2007 veröffentlichten Entscheidung klargestellt, dass eine Nötigung auch im innerörtlichen Verkehr bei niedrigen Geschwindigkeiten begangen werden kann.

Doch macht es in seinem Beschluss auch deutlich, dass nicht jedes diche Auffahren gleich zur Straftat wird. Es reicht nicht aus, wenn sich der Vordermann durch den Drängler nur belästigt fühlt. Es ist vielmehr erforderlich, dass sich der vom Drängler ausgehende Zwang beim Bedrängten über die psychische Ebene hinaus ausgewirkt hat. Das Gericht führt aus, dass es bei dem Bedrängten zu einer körperlich merkbaren Angstreaktion kommen muss, die auch aus objektiver Sicht nachvollziehen lässt.

Damit bestätigen die Verfassungsrichter die in der Rechtsprechung seit langem herrschende Auffassung, dass es nicht nur auf die Sicht des vermeintlichen Opfers ankommt. Vielmehr muss seine Angstreaktion für einen vernünftigen unbeteiligten Dritten auch nachvollziehbar sein.

Überdies gilt nach wie vor der Grundsatz, dass der Genötigte so in "Angst und Schrecken" versetzt worden sein muss, dass ein Unfall nur noch vom Zufall abhing. Eine davon abweichende Ansicht wird, wie ich meine, auch vom Bundesverassungsgericht nicht zum Ausdruck gebracht. Es weist vielmehr selber darauf hin, "dass es im innerstädtischen Verkehr wegen der im Regelfall niedrigeren gefahrenen Geschwindigkeit einer besonders genauen Prüfung bedarf, ob das Unterschreiten des Sicherheitsabstandes eine bloße Ordnungswidrigkeit oder doch schon Nötigung ist."

Daher wird es auch nach dem aktuellen Beschluss des höchsten Deutschen Gerichts sicher nicht jedem Autofahrer an den Kragen gehen, der sich im innerstädtischen Verkehrsbereich nicht ganz korrekt verhält. Eine pauschale Wertung, dass jede aggressive, bedrängende oder behindernde Fahrweise strafrechtlich zu ahnden sei, haben die Verfassungsrichter gerade ausdrücklich abgelehnt.

Für den innerörtlichen Verkehrsbereich gilt somit das gleiche, was man auch schon für strafbare Nötigungsfälle auf Fernstraßen sagen konnte: Nicht jeder Verkehrsverstoß, durch den ein anderer Verkehrsteilnehmer erschreckt oder behindert wird, ist eine Nötigung.


- Beschluss des BVerfG vom 29.03.2007 (2 BvR 932/06) -

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Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth ist als Strafrechtler auf die Beratung und Vertretung von Menschen bei Konflikten mit dem Verkehrsstrafrecht und Bußgeldrecht sowie bei Problemen rund um die Fahrerlaubnis spezialisiert.