PoliScan Speed: der aktuelle Verteidigungsstand

Strafrecht und Justizvollzug
12.09.20111725 Mal gelesen
Eine Zusammenfassung dessen was erreicht worden ist und der neuen Verteidigungs-Ziele.

Eine Zusammenfassung dessen was erreicht worden ist und der neuen Ziele.

 

Historie:

Seit Mai 2008 hatten wir vermehrt Kontakt mit dem damals ganz neu in Baden-Württemberg eingesetzten Verkehrsüberwachungsgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic.

Die ersten Kontakte zeichneten sich durch schlechte Beweisbilder aus. Deshalb war es uns in der Anfangsphase möglich bei nahezu jedem Verfahren allein durch die Mitteilung, der Mandant werde als Betroffener schweigen und man könne den Fahrer nicht erkennen, eine Einstellung zu erreichen.

Durch  den Hersteller wurde dieses Problem Anfang Oktober 2008 behoben.

 

Nach der Vorlage erster Sachverständigengutachten war klar, dass das Messgerät die Vorgaben der Zulassungsstelle - der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) -, welche diese in den sog. Anforderungen (PTB-A 18.11) aufgestellt hat, nicht einhält.

Es war auch nicht nachvollziehbar, wie die vorgegebenen Gütekriterien der Messwerte zustande kamen.

Zwei Probleme, die bis heute nicht vollständig geklärt sind. Hinsichtlich der nicht "eingehaltenen" PTB-A hat die PTB in einer Hauptverhandlung erklärt, dass diese Anforderungen nicht zwingend einzuhalten seien. Eine merkwürdige Aussage, zumal die Anforderungen die "Leitlinien" der Zulassung darstellen.

 

Nachdem wir uns ausgiebig und sachverständig begleitet uns mit dem Thema "Messung mit LiDaR-Laser" beschäftigt hatten, war klar, dass eine fehlerhafte Messwertzuordnung nicht ausgeschlossen werden kann. Wir haben dann unsere Verteidigung auf diesen Punkt maßgeblich ausgerichtet und gute Erfolge erzielen können. Letztendlich wurde diese Problematik durch ein Gutachten des Sachverständigen Roland Bladt 2010 bestätigt, woraufhin der Hersteller und die PTB zum 21.07.2010 eine neue Softwareversion aufspielen mussten.

 

Seitdem - könnte man meinen - ist es um PoliScan Speed ruhiger geworden.

 

Der aktuelle Stand:

Tatsächlich sind die Veröffentlichungen schlagartig zurückgegangen. Das Messgerät findet anscheinend kaum noch Beachtung. Offensichtlich ist bei den Sachverständigen und der Anwaltschaft die Ansicht angekommen, dass es sich - nach Anfangsschwächen - bei dem System jetzt um ein sog. standardisiertes Messverfahren handele.

 

Richtig ist, dass die Qualität der Beweisbilder deutlich besser geworden ist. Richtig ist auch, dass die Zuordnungskriterien der erhobenen Messwerte besser geworden sind.

Ob die Messwerte tatsächlich richtig erhoben werden bleibt weiterhin fraglich!

- Es zeigt sich, dass insbesondere bei Fahrzeugen, welche über eine keilförmige Fahrzeugfront verfügen, Messwerte gar nicht erhoben werden können.

- Bei starken Bremsvorgängen (nicht nur im Bereich geringfügiger Geschwindigkeit) kommt es zu leeren Auswerterahmen auf dem Messbild.

- Sachverständigengutachten, die in einem Verfahren vor den jeweiligen Gerichten eingeholt werden, können zum eigentlichen Messvorgang keine Aussage treffen!

Das erstaunt. Erhoffen sich die Gerichte doch durch die Befragung eines Sachverständigen mehr Wissen, als zuvor.

Setzt man sich mit den Gutachten auseinander, dann ergibt sich:

1. dass das Gutachten keinen Neuwert hat;

2. dass das Gutachten sich in nicht nachvollziehbaren Behauptungen verliert.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits in der Vergangenheit wiederholt entschieden (vgl. bspw. MDR 1976, 17; StV 1989, 141):

". Die Verfahrensbeteiligten brauchen sich aber nicht auf die Sachkunde des Gutachters und darauf verweisen lassen, dass er wissenschaftliche Methoden verwende, welche die von ihm gefundene Beurteilung rechtfertigen. Die Untersuchungsergebnisse von Sachverständigen können nur dann Anerkennung finden, wenn die Methoden nachprüfbar sind ."

 

Die jeweilige Befragung der Sachverständigen hat dann auch in den allermeisten Fällen gezeigt, dass die Gutachten auf nicht nachvollziehbaren Tatsachen beruhen, die der Gutachter nur deshalb kennt, weil sie ihm vom Hersteller des Messgerätes vorgegeben worden sind. Weitere Informationen erhält man nicht, weil der Hersteller sich auf sein Recht beruft, Angaben zu Tatsachen zu verweigern, die ein Geschäftsgeheimnis darstellen.

 

Das Gericht befindet sich spätestens jetzt in einem Dilemma, denn die Aussagen des Sachverständigen sind in der Regel Tatsachen, die einem Beweis nicht zugänglich sind. Das Gericht darf seine Überzeugung aber nur auf Tatsachen stützen, die einem Beweis zugänglich sind.

 

Rechtsanwälte

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Rechtsanwalt Kirchmann ist spezialisiert auf die Verteidigung in Bußgeldsachen. Der Einseitensensor und seine Probleme begleiten ihn seit mehreren Jahren.

Wir sind deutschlandweit tätig.