Rotlichtverstoß und Fahrverbot - Wenn Sekundenbruchteile entscheiden

Strafrecht und Justizvollzug
05.11.20064681 Mal gelesen

Bei einem Rotlichtverstoß kann für den Betroffenen die Frage des Toleranzwertes bei der Feststellung der Rotlichtzeit entscheidend sein. Überfahren des Rotlichtes nach länger als einer Sekunde währender Rotphase wird regelmäßig mit einem einmonatigen Fahrverbot geahndet. Ist ein Toleranzwert zu berücksichtigen kann dies dazu führen, dass ein Fahrverbot nicht verhängt wird. Als "einfacher" Rotlichtverstoß, der kein Fahrverbot nach sich zieht, wird es grundsätzlich gewertet, wenn man in den von der Ampel geschützten Bereich fährt, bevor die Ampel seit mehr als einer Sekunde auf Rot steht. Der geschützte Bereich beginnt normalerweise nach der Haltelinie.  

In den Überwachungsanlagen ist eine Uhr eingebaut, die beim Umschalten der Ampel auf rot zu laufen beginnt. Ein Foto wird aber erst ausgelöst, wenn die Rotphase bereits seit 0,5 Sekunden bestanden hat (Verfolgungstoleranz). Die Berechnung der Rotlichtzeit erfolgt ab Haltelinie.

Bislang war in der Rechtsprechung unklar, bei welchen Typen von Überwachungsanlagen darüber hinaus Toleranzzeiten zu beachten sind und wie diese ausfallen müssen. Die Physikalisch-Technische-Bundesanstalt (PTB), die für die Zulassung der Anlagen verantwortlich ist, gibt Auskunft: Handelt es sich um Anlagen, die sei Januar 2004 von der PTB zugelassen sind, ist vom angezeigten Messwert keine Toleranz mehr abzuziehen. Diese Anlagentypen werden sodann einzeln aufgezählt.

Bei früher zugelassenen Geräten ist diejenige Fahrzeit von der angezeigten Rotzeit zu substrahieren, die das gemessene Fahrzeug vom Überfahren der Haltelinie bis zu der auf dem ersten Messfoto abgebildeten Position benötigt (mit der Möglichkeit der Berechnung der zu subtrahierenden Messzeit). Darüber hinaus gibt es noch drei Gerätemodelle bei dem zusätzlich zu dem vorgenannten Abzug noch eine weitere gerätespezifische Toleranz von 0,2 Sekunden einzuräumen ist.   

Entnehmen lässt sich die Stellungnahme der PTB einer Entscheidung des OLG Braunschweig vom 2.August 2006 (2 Ss (B) 38/04).

Für den Verteidiger ist es wichtig auf diese Fehlerabzüge verweisen zu können. Er kann damit  unter Umständen nicht nur erreichen, dass die "Verkehrssünde" des Betroffenen als einfacher Rotlichtverstoß zu bewerten ist, sondern auch mit Erfolg darauf verweisen, dass der Verstoß - wenn er knapp oberhalb der Verfolgungstoleranzgrenze von 0,5 Sekunden liegt - bei korrekter Messung noch in den Toleranzbereich gefallen wäre, und daher von einer Verfolgung hätte abgesehen werden müssen.   

Natürlich muss die Messuhr eine gültige Eichung aufweisen.

Kommt die Verteidigung auf der Ebene der Darlegung von Messungenauigkeiten nicht zum Ziel kann das Fahrverbot nicht selten durch die Darlegung eines Fehlenden subjektiv schweren Verstoßes (Augenblicksversagen) vermieden werden.  

 Der Verfasser, Rechtsanwalt C. Demuth, ist überwiegend als Verteidiger in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren tätig.