Videomessung mit Motorrad in Schräglage angreifbar

Videomessung mit Motorrad in Schräglage angreifbar
28.12.20101319 Mal gelesen
Messungen mit dem in Motorräder installierten Videonachfahrsystem vom Typ ProViDa 2000 dürfen derzeit nicht verwertet werden, sofern bei der Nachfahrt in Schräglage gemessen wurde.

Dies geht aus Mitteilungen der für die Gerätezulassung zuständigen Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) vom 3.3.2010 und den entsprechenden Verfügungen des Landesamtes für Polizeiliche Dienste NRW vom 25.3.2010 hervor.

Hintergrund ist, dass zur Zeit nicht geklärt ist, ob die bei Kurvenfahrten durch einen verringerten Reifenabrollumfang systematisch zu groß berechnete Messwerte noch innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen liegen. 

Laut den behördlichen Mitteilungen sei nur bei Messfahrten in aufrechter Position des Krads gewährleistet, dass Fehlergrenzen des Systems eingehalten würden. Entsprechend dürften nur noch Messungen ausgewertet werden, bei denen im Video keine offensichtliche Schräglage erkennbar sei. 

Für die Verteidigung gegen einen Geschwindigkeits- oder Abstandsverstoß, der mittels Provida vom Motorrad aus festgestellt wurde, heißt dies: 

Die Videomessung mit dem Provida-Krad ist nicht mehr automatisch als standardisiertes Messverfahren anzusehen. Daher muss der Bußgeldrichter die Messung in den Einzelheiten beschreiben. Sonst ist das Urteil lückenhaft und kann mit der Rechtsbeschwerde erfolgreich angegriffen werden. 

Nur bei Geradeausfahrten mit aufrechter Position des Motorrads ist von einem standardisierten Verfahren auszugehen. 

Stellt man auf dem Video eine Schrägfahrt während des Messvorgangs fest, muss unter Hinweis auf die Mitteilung der Physikalisch Technischen Bundesanstalt die Unverwertbarkeit der Messung geltend gemacht werden (Dies führt zur Stellung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der nicht rechtsschutzversicherte Mandant ist auf das Kostenrisiko hinzuweisen).   

Fazit:       

Betroffenen rate ich, das Messvideo darauf zu kontrollieren, ob während der Nachfahrt Kurvenmessungen erkennbar sind. Auch sollte im Verfahren geklärt werden, ob der Messbeamte die Anlage während der Fahrt einfach mitlaufen ließ oder diese aus dem konkreten Anlass des zu schnellen Fahrens  eingeschaltet hat. Im ersten Fall läge nämlich die in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Ermächtigungsgrundlage für die Videomessung § 100 h StPO nicht vor, mit der Folge, dass ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht werden könnte. 

Das Video kann im  Wege derAkteneinsichtangefordert werden. Diese erhält der vom Betroffenen beauftragte Rechtsanwalt.  

 

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Der Beitrag nimmt Bezug auf OLG Hamm, Beschluss vom 4.5.2010, Az.: 3 RBs 65/10.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth, verteidigt Menschen bei Problemen im Verkehrstraf- und Bußgeldrecht, drohender Strafe, Punkten, Entziehung der Fahrerlaubnis oder drohendem Fahrverbot. Bundesweit. Nähere Infos: www.cd-recht.de