Antragsveranlagung | Ungestellte Anträge ab VZ 2003 nachholen! (BFH)

Steuern und Steuerstrafrecht
19.01.20102165 Mal gelesen

Finanzämter müssen Antragsveranlagungen (früher: Lohnsteuerjahresausgleich) für Jahre vor 2005 auch dann bearbeiten, wenn über einen Antrag auf Veranlagung bis zum Stichtag 28.12.2007 noch nicht entschieden wurde. Arbeitnehmer, die z. B. schlicht vergessen hatten, ihren "Lohnsteuerausgleich" für die Jahre ab 2003 vornehmen zu lassen, können deshalb noch auf eine nachträgliche Steuererstattung hoffen (BFH, Urteil v. 12.11.2009 -  VI R 1/09).

Hintergrund: § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG regelte bisher, dass der Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung bis zum Ablauf des auf den VZ folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen ist. Durch das JStG 2008 ist die Zweijahresfrist weggefallen und eine "freiwillige Steuererklärung" kann noch innerhalb der siebenjährigen Verjährungsfrist beim Finanzamt eingereicht werden. Nach § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG ist diese Änderung erstmals ab dem VZ 2005 anzuwenden.

Für die vorhergehenden Jahre bis 2004 gibt es allerdings noch eine Übergangsregelung. Danach müssen die Finanzämter Antragsveranlagungen für Jahre vor 2005 auch bearbeiten, wenn über einen Antrag auf Veranlagung bis zum Stichtag 28.12.2007 noch nicht entschieden wurde. Nach Lesart der Finanzverwaltung musste dafür der Antrag noch vor dem 28.12.2007 beim Finanzamt gestellt worden sein. Später eingegangene Anträge auf Veranlagung für Jahre vor 2005 wurden stets abgelehnt.
 
Bei einem vom Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH) vertretenen Arbeitnehmer aus der Pfalz entschied der BFH jetzt im Sinne des Arbeitnehmers:
 
Es sei nicht erforderlich, dass Anträge auf Veranlagung für Jahre vor 2005 bereits vor dem 28.12.2007 bei den Finanzbehörden eingegangen sein müssen. Selbst wenn der Gesetzgeber das so gemeint haben mag, kommt dies in der Formulierung der Übergangsregelung nicht zum Ausdruck. Nach deren Wortsinn ist eine Antragsveranlagung für Altjahre ohne weitere Voraussetzungen immer vorzunehmen, wenn am 28.12.07 über einen Antrag auf Veranlagung noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Am Stichtag noch nicht entschieden ist logischerweise aber auch dann, wenn der Antrag erst nach dem Stichtag gestellt wurde. Der BFH, dessen Urteil in Kürze veröffentlicht werden wird, verpflichtete das Finanzamt deshalb, die Veranlagung 2004 nun durchzuführen.
 
Nachdem der von der VLH eingereichte Antrag auf Veranlagung für das Jahr 2004 erst im Februar 2008 beim Finanzamt eingegangen war, hatte das Finanzamt den Antrag und auch den Einspruch abgelehnt. Das FG Rheinland-Pfalz hatte dem Finanzamt im Urteil v. 11.12.2008 (6 K 1801/08) zunächst recht gegeben.
 
Hinweis: Freiwillige Steuererklärungen können nun genau wie Pflichtveranlagungen noch rückwirkend bis 2003 abgegeben werden. Interessant ist das vor allem in folgenden Fällen:
 
 Arbeitnehmer, die schlicht vergessen hatten, rechtzeitig ihren "Lohnsteuerausgleich" vornehmen zu lassen;
 Arbeitnehmer mit bisher nicht geltend gemachten Verlusten aus Nebeneinkünften, z.B. aus Vermietung und Verpachtung;
 Studenten, die zuvor bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hatten und noch ihre Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten geltend machen möchten.
 
Quelle: Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V., Pressemitteilung v. 15.1.2010