Unfallversicherungsrecht

Staat und Verwaltung
29.03.20096872 Mal gelesen

Unfälle von Kindern: Erhöhung einer Unfallrente nach Abschluss der Berufsausbildung

Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 (S 2 U 175/01)

Kinder sind während des Schulbesuchs gesetzlich unfallversichert. Dauern Unfallfolgen auch noch über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus an, kann ein Anspruch auf eine Unfallrente entstehen. Die Rentenhöhe wird in Prozent des Jahresarbeitsverdienstes errechnet. Einen Jahresarbeitsverdienst gibt es bei Kindern aber naturgemäß noch nicht. Sie erhalten deshalb zunächst eine Mindestrente. Nach der Ausbildung wird dann der Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Unfall voraussichtlich beendet worden wäre.

Das Sozialgericht Lüneburg hat jüngst entschieden, nach welchen Grundsätzen die Unfallrente nach Abschluss eines Studiums neu festzusetzen ist: Der Kläger war 1981 im Alter von 16 Jahren auf dem Heimweg von der Schule auf einem Kleinkraftrad frontal mit einem Bus zusammen geprallt. Aufgrund schwerster Verletzungen folgten zahllose Behandlungen und Operationen. Monatelang war er arbeitsunfähig krank. Später konnte er erst nach Implantation eines künstlichen Hüftgelenks seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur wieder ordnungsgemäß nachgehen. Durch zusätzliche Weiterbildungen erwarb er eine besonders hohe fachliche Qualifikation. Deshalb wurde ihm nach Abschluss des Studiums sofort eine Geschäftsführertätigkeit in der Lebensmittelindustrie mit einem Jahresgehalt von 160.000,00 DM angeboten. Der Vertrag kam jedoch nicht zustande, weil dem Unternehmen die Verletzungsfolgen bekannt wurden. Der Kläger ist seither freiberuflich tätig.

Er beantragte beim Gemeindeunfallversicherungsverband die Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes und Gewährung einer erhöhten Unfallrente. Der Neufestsetzung wird grundsätzlich das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist. Besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort des Versicherten gilt. Als Höchstbetrag gilt nach der gesetzlichen Regelung das zweifache des Jahresbetrags der Bezugsgröße,, dem Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese wird jährlich neu festgesetzt. Die Unfallversicherungsträger können durch Satzung allerdings einen höheren Betrag festsetzen. Die Satzung des Gemeindeunfallversicherungsverbandes sah im vorliegenden Fall vor, dass das 2 1/2-fache der Bezugsgröße als Obergrenze anzusetzen ist. Im vorliegenden Fall wollte der Gemeindeunfallversicherungsverband wegen des Bezugs zur Lebensmittelindustrie als Jahresarbeitsverdienst das Tarifgehalt für Studienabsolventen im Tarifbereich der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Höhe von 77.417,00 DM zugrunde legen. Der Kläger machte jedoch geltend, dass bei Studienabsolventen grundsätzlich nicht an einen Tarifvertrag angeknüpft werden dürfe, weil sich ein Studienabschluss - anders als ein Tarifvertrag -nicht auf eine einzelne Branche bezieht. Deshalb sei von dem konkret verhandelten Gehalt auszugehen. Das Sozialgericht gab der Klage statt und verurteilte den Gemeindeunfallversicherungsverband, die Verletztenrente auf der Grundlage des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde zu legen. Außerdem erkannte das Gericht eine unfallbedingte Verzögerung der Ausbildung von 18 Monaten an.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Gemeindeunfallversicherungsverband hat hiergegen beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle Berufung eingelegt.