Verwaltungsgericht Lüneburg, Beschluß vom 30.04.2008 (1 B 9/08)
- Vorübergehende Zuweisungen nach § 4 Abs. 4 PostPersRG sind ohne Zustimmung des Beamten rechtswidrig.
- Auch bei Zuweisungen besteht ein Anspruch auf amtsangemessene Tätigkeit.
- Die Behauptung einer angespannten Haushaltslage rechtfertigt nicht ohne weiteres die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Zuweisungsverfügung.
Der Antragsteller war Bundesbeamter auf Lebenszeit und bei der Dt. Telekom AG als Techn. Fernmeldeobersekretär (A 7) in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 28 Std. tätig, und zwar als Angehöriger von Vivento. Anfang des Jahres 2008 wurde er wegen einer geplanten Zuweisung zum Call-Center Agent / Service Center bei der VCS GmbH in B. angehört. Er lehnte diese Zuweisung ab. Die Telekom ordnete die sofortige Vollziehung der Zuweisung angeordnet. Das Gericht gab seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz statt.
Es argumentiert wie folgt:
Zur vorübergehenden Zuweisung:
Vorübergehende Zuweisungen nach § 4 Abs. 4 PostPersRG sind nicht ohne Zustimmung des Beamten zulässig. Grundsätzlich sind Beamte in ihrer Tätigkeit durch das Beamtenrecht davor geschützt, unter arbeitsrechtlichen Bedingungen belastet zu werden. Um bestimmten Ausnahmefällen Rechnung zu tragen, wurde vor einigen Jahren das Instrument der Zuweisung in das Beamtenrechtsrahmengesetz (§ 123 a BRRG) eingefügt. § 123 a BRRG kennt (mit einer Ausnahme: Umwandlung der Dienststelle) im Prinzip nur vorübergehende Zuweisungen. Vorübergehende Tätigkeiten dürfen nach § 123 a Abs. 1 BRRG nur mit Zustimmung des betroffenen Beamten angeordnet werden. Dauert die Zuweisung nicht länger als drei Monate, reicht die Zustimmung des Beamten aus. Bei länger andauernden ist auch die Mitbestimmung des Personalrats erforderlich (§ 76 Abs. 1 Nr. 5 und 5a BPersVG). § 4 Abs. 4 PostPersRG orientiert sich an diesem Konzept. Die Zuweisung wurde eingeführt, um den umgewandelten bzw. privatisierten Einrichtungen qualifizierte Arbeitskräfte weiterhin zur Verfügung zu stellen und so die Fortführung der vormals öffentlichen Tätigkeiten zu gewährleisten. Die Zuweisung ohne Zustimmung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG ist also einschränkend und wortgetreu auf tatsächlich "dauerhafte" einzugrenzen. Alles andere ließe sich mit Sinn und Zweck der verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbaren. Es geht daher nicht an, eine nur vorübergehende Zuweisung zu Unternehmen, deren Anteile ganz oder mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist, ohne Zustimmung des betroffenen Beamten zuzulassen.
Zur Amtsangemessenheit der Tätigkeiten bei VCS
Die zugewiesenen Tätigkeiten eines Service-Center-Agenten sind nicht amtsentsprechend und -angemessen. Von jedem Beamten könne zwar erwartet werden, dass er sich kurzfristig und flexibel in neue Aufgabengebiete einarbeitet. Er ist aber nicht gezwungen, unterwertige Beschäftigungen zu akzeptieren. Das gilt ganz besonders bei der Zuweisung zu einem Tochter- oder Mehrheitsunternehmen. § 4 Abs. 4 Satz 2 Betonung legt die Betonung auf eine "dem Amt entsprechenden Tätigkeit". Eine solche amtsangemessene Tätigkeit sei bei VCS in B. nicht gegeben. Der Dienstposten bzw. Arbeitsplatz sei nicht nach den Grundsätzen einer Dienstpostenbewertung bewertet. Es handle sich vielmehr um einen Platz bei einer privatrechtlichen GmbH mit "internem Bewertungsgefüge"
Zum Sofortvollzugsinteresse
Betriebliche und personalwirtschaftliche Interessen der Dt. Telekom AG reichen nicht aus, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zu begründen. Eine "angespannte Haushaltslage" könne bei der Dt. Telekom AG - einer Aktiengesellschaft, die demnächst eine nennenswerte Dividende an ihre Aktionäre ausschüttet und die darum bemüht ist, z.B. in Griechenland Anteile an einem griechischen Telekommunikationsunternehmen zu erwerben - nicht konstatiert werden. Ob das bei der Bundesrepublik Deutschland der Fall sei, könne dahinstehen, da der Antragsteller jedenfalls Beamter bei der Dt. Telekom AG sei.
Allgemeine Haushaltsbelastungen vermögen zudem nicht das besondere Vollzugsinteresse in einem Einzelfall zu belegen, da andernfalls - mit dieser Begründung - sämtliche Verwaltungsakte mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund oder fiskalischen Auswirkungen dann für sofort vollziehbar erklärt werden könnten. Auch die angebliche Unmöglichkeit, den Antragsteller anderweitig beschäftigen zu können, würde in der vorgetragenen Allgemeinheit keinen hinreichenden Grund für eine sofortige Vollziehbarkeit einer Zuweisungsverfügung darstellen.
http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=0550020080000091 B[02]