Mindestlohn und Marktzulassung - ein sachliches Auswahlkriterium?

Staat und Verwaltung
09.02.2012701 Mal gelesen
Im Zuge der Debatte über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns werden von dessen Befürwortern vermehrt Forderungen erhoben, die Zulassung von Bewerbern zu Marktveranstaltungen und Volksfesten davon abhängig zu machen, daß diese ihren Angestellten einen Mindestlohn zahlen.

Gem. § 70 GewO hat grundsätzlich jeder Gewerbetreibende einen Anspruch auf Zuweisung eines Messe-, Markt- oder Ausstellungsstandes. Diese Teilnahme- oder Marktfreiheit gilt auch für die Bewerberzulassung zu Volksfesten, § 60b Abs. 2 GewO. Die Teilnahmefreiheit ist grundsätzlich unabhängig davon, ob der Marktveranstalter öffentlich-rechtlich organisiert ist (z.B. Gemeinde) oder privatrechtlich (z.B. XY-Veranstaltungs-GmbH). Neben der Marktzulassung nach Gewerberecht können nach Maßgabe des jeweilgen Landesrechts Zulassungsansprüche nach den Gemeindeordnungen bestehen. Diese Ansprüche bestehen von vornherein nur für Gewerbetreibende in der jeweiligen Gemeinde und sollen daher im Folgenden unberücksichtigt bleiben. 

Es versteht sich von selbst, dass dem Anspruch auf Zulassung zu einer Veranstaltung nach § 70 GewO Grenzen gesetzt sind. Ein Veranstaltungsgelände ist nicht beliebig groß. Übersteigt die Zulassungsnachfrage das entsprechende Angebot, verengt sich das subjektive Zulassungsrecht auf einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie (Nicht-)Zulassungsentscheidung.

Diese Ermessensausübung muss anhand sachgerechter Auswahlkriterien mit Leben gefüllt werden. Diese bestimmen sich neben dem Charakter der jeweiligen Veranstaltung z.B. am Prinzip der Chancengleichheit, der Leistungsfähigkeit des Bewerbers, dem Kriterium "bekannt-bewährt" (wobei Neubewerber nicht auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen werden dürfen), der vollständigen und fristgerechten Bewerbung, der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit etc.

Ein Zulassungskriterium "Mindestlohn" gibt es nicht und kann es auch nicht geben, solange kein flächendeckender oder brachenspezifischer Mindeslohn (z.B. für das Schaustellergewerbe) eingeführt ist. Auch unter das Zulassungskriteruim der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit dürfte der Mindestlohn nicht zu subsumieren sein. Zwar dient die Zuverlässigkeit auch dem Schutz der im Betrieb Beschäftigten und dieser Schutz wäre verletzt, wenn Rechte der Arbeitnehmer beschnitten würden. Gibt es jedoch keinen verbindlichen Mindestlohn, so kann die Zahlung eines Lohns, der unterhalb der diskutierten Mindestlohngrenzen liegt, die Rechte des betreffenen Arbeitnehmers in Ermangelung dieser Recht von vornherein nicht verletzen. Die Untergrenze der Bezahlung wird also derzeit einzig durch die Sittenwidrigkeit gebildet.

Fazit: die Zulassung eines Bewerbers zu einem Markt oder einem Volksfest kann derzeit nicht mit dem Argument verweigert werden, der Bewerber zahle seinen Angestellten keinen Mindestlohn (weil es diesen in weiten Teilen nicht gibt). Zur Zeit kann es lediglich bei Appellen der Veranstalter oder sonstiger Entscheidungsträger bleiben.

Stefan Schroub, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht