Nicht immer Schmerzensgeld für Mobbing

Schaden, Versicherung und Haftpflicht
19.08.20101447 Mal gelesen
Eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht Mainz aus dem Jahre 2009 beschäftigt sich mit den Voraussetzungen des Mobbing-Anspruchs. Entscheidend ist eine Gesamtschau der einzelnen Handlungen und Verhaltensweisen unter Berücksichtigung der Fürsorge- und Schutzpflichten des Arbeitgebers. Für einen Anspruch aus Mobbing genügt nicht alleine die Vorlage eines Mobbing-Tagebuchs.

Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Berufungsentscheidung vom 14.08.2009 (9 Sa 199/09) das in seiner Darstellung der Mobbing Problematik ausführliche Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.11.2008 (9 Ca 777/08) bestätigt und sich der erstinstanzlichen Begründung angeschlossen. Entscheidend ist, dass sich die Definition des Mobbing nunmehr verfestigt hat. Nachfolgend werden beide Entscheidungen kurz dargestellt und wichtige Positionen verdeutlicht.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Betreiber einer Spielbank, der Kläger ist dort seit 1988 als Kassierer angestellt. Seit dem Jahr 2005 führte der Kläger ein sog. Mobbing-Tagebuch.

Der Kläger trägt in erster Instanz folgendes vor: Seit Oktober 2005 sei er ständigen Mobbing-Handlungen der Geschäftsleitung und Mitarbeitern ausgesetzt. Der Geschäftsführer habe insbesondere im Oktober erklärt: "Ich weiß gar nicht, was ich mit ihnen machen soll, eigentlich brauche ich sie gar nicht mehr." Der Kläger - als dienstältester Hauptkassierer - wurde sodann nicht mehr in der Hauptkasse sondern nur noch in der Wechselkasse eingesetzt. Der Kläger beklagt insofern eine deutliche Herabstufung, was sich insbes. in erheblichen Gehaltseinbußen niederschlug, weil Nachtzuschläge wegfielen. Die Betriebsleitung forderte zudem die Mitarbeiter im Kassenbereich auf, dem Kläger keine vertraulichen und betriebsinternen Informationen mehr zugänglich zu machen. Als wesentlicher Vorgang war zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger der einziger Mitarbeiter im Kassenbereich war, dem die Zahlenkombination des Tresors nicht bekannt gegeben wurde. Dem Kläger wurde insofern mitgeteilt, dass ihm die Zahlenkombination auch nicht mitgeteilt werde.

Die Beklagte bestreitet die Behauptungen des Klägers. Mitte des Jahres 2005 seien zahlreiche betriebsbedingte Kündigungen erfolgt und der Beklagten nur noch zwei Mitarbeiter für den Bereich der Kasse des Klassischen Spiels verblieben. Insofern sei man auf deren Mitarbeit angewiesen. Zum 01.01.2007 seien die Hauptkassen des klassischen Spiels und die des Automatenspiels zusammengeführt worden. Die jetzige Hauptkasse betreut damit zu 80% diejenigen Aufgaben des Automatenspiels und zu 20% die Aufgaben des klassischen Spiels. Hieraus hätten sich grundlegend neue Arbeitsabläufe ergeben, in die die Mitarbeiter einzuführen gewesen wären. Im Januar wurde mit dieser Einarbeitung begonnen. Zu dieser Zeit (zwischen 04.11.2006 und 20.01.2007) war der Kläger jedoch arbeitsunfähig krank. Deshalb seien zunächst andere Mitarbeiter eingearbeitet worden. Der Kläger war sodann für die drei Monate in Anspruch nehmende Einarbeitungszeit zum Jahreswechsel 2007/2008 vorgesehen gewesen. Dies scheiterte jedoch erneut an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zwischen 03.12.2007 und 09.02.2008. Hinsichtlich der Zahlenkombination erklärt die Beklagte, dass diese im Rahmen einer Aktennotiz frei zugänglich auf der folierten Schreibtischunterlage eines Schreibtisches in der Hauptkasseplatziert gewesen sei.

Entscheidungsgründe:

1.)

Das Arbeitsgericht Mainz führt zu Beginn seiner Entscheidung in den Begriff Mobbing ein und bezieht sich auf die grundlegende Entscheidung des BAG vom 25.10.2007, 8 AZR 593/06:

Wie schon erwähnt ist Mobbing kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen. Deshalb muss in Fällen, in denen Mobbing geltend gemacht wird, jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch genommene in den vom jeweiligen Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB oder eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen hat. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es Fälle gibt, in denen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargestellten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder des Arbeitgebers für sich alleine betrachtet noch keine Rechtsverletzung darstellen, die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen jedoch zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung des geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. Wesensmerkmale einer in der Gesamtschau sich ergebenden Rechtsverletzung ist dabei die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen / Verhaltensweisen zusammensetzenden Verletzung, wobei den einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung zukommt. Arbeitgeber treffen in diesem Zusammenhang gegenüber ihren Arbeitnehmern bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten. Jeder Vertragspartei erwachsen aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und der Interessen des anderen Teils, § 241 Abs. 2 BGB. Dies verbietet auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art geschützt wird und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, dass bezweckt oder bewirkt, dass seine würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch zum Schutz der Gesundheit und Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verpflichtet. Dabei ist im Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Erfüllungsgehilfen sind dabei in aller Regel andere Arbeitnehmer, die dem Betroffenen gegenüber Weisungsbefugnis besitzen (BAG 25.10.2007 - 8 AZR 593/06).

Das Arbeitsgericht hat sodann direkte Ansprüche gegen die Beklagte als auch gegenüber deren Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen verneint. Wesentlich hierfür war, dass das Mobbing-Tagebuch des Klägers keine Details hinsichtlich der Position im Betrieb der Beklagten aufwies und im Vortrag des Klägers auch nicht mehr nachgeholt wurde. Der Arbeitgeber haftet jedoch nur für solche Mitarbeiter, die dem Betroffenen "vorgesetzt" sind.

2.)

Das Landesarbeitsgericht schließt sich der Definition des Mobbing unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausdrücklich an. Die Definition entspräche der in § 3 Abs. AGG niedergelegten Definition des Begriff "Belästigen":

§ 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Begriffsbestimmung

(...)

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(...)

Das Landesarbeitsgericht Mainz argumentiert ferner, dass die Personalanpassungsmaßnahmen der Beklagten kein sozial inadäquates Verhalten darstellten, sondern nur dem konkreten Beschäftigungsbedarf Rechnung trugen. Insofern entspräche dies auch der Rechtsprechung des BAG derzufolge eine betriebsbedingte Kündigung das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in der Regel nicht verletzt. Ferner geht das Landesarbeitsgericht auf die Weisungen der "Geschäftsleitung" ein. Danach verletzen Weisungen des Arbeitgebers, die sich innerhalb des ihm zustehenden Direktionsrechts hielten und nicht eindeutig schikanöse Tendenzen aufwiesen nur in den seltensten Fällen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen.

Auch das LAG macht aber deutlich, dass der Sachvortrag des Klägers bei weitem nicht ausgereicht hätte, um Ansprüche aus Mobbing bejahen zu können, weshalb die Kläge keinen Erfolg hat.