BGH: Versicherer darf Krankentagegeld nicht wegen möglicher Umorganisation unter Kapitaleinsatz verweigern

Personenversicherungsrecht
30.09.20091133 Mal gelesen
Nach den gängigen Versicherungsbedingungen der Krankentagegeldversicherung liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. Wie verhält es sich aber, wenn der erkrankte Versicherungsnehmer seinen Beruf durch eine Umorganisation wieder aufnehmen könnte? Mit dieser Fragestellung hatte sich der BGH jüngst zu befassen.
 
Was war geschehen? Eine selbständige Werbekauffrau litt nach einem Treppensturz an Schmerzen im Bereich der rechten Schulter (Impingementsyndrom). Sie konnte daher die schweren Musterkoffer nicht mehr aus ihrem Cabriolet heben und zu den Kundenbesuchen tragen.
 
Der Versicherer zahlte zunächst Krankentagegeld. Nach einigen Monaten kam er jedoch auf die Idee, die Versicherungsnehmerin könne die Trage- und Hebelast durch Einsatz von Trolleys verringern. Außerdem könne sie sich doch ein Fahrzeug ohne hohe Ladekante, etwa einen Kombi, anstelle ihres Cabrios mit hoher Ladekante anschaffen. Hierdurch ließe sich die problematische Armvorhaltebewegung vermeiden. Er stellte die weiteren Krankentagegeldzahlungen ein.
 
Zu Unrecht, so der BGH. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, seine bisherige Tätigkeit unter geänderten Bedingungen durch Kapitaleinsatz fortzuführen. Maßgeblich für die Arbeitsunfähigkeit ist die zuletzt konkret ausgeübte berufliche Tätigkeit. Auf die allgemeinen beruflichen Möglichkeiten des Versicherungsnehmers kommt es nicht an. Dementsprechend war die Versicherungsnehmerin hier nicht verpflichtet, ihr Cabrio gegen einen Pkw mit niedrigerer Ladekante zu tauschen und die Musterkoffer durch kleinere Koffer oder Trolleys zu ersetzen.
 
Offen bleibt nach dieser Entscheidung allerdings die Frage, was passiert, wenn der Versicherer anbietet, die für eine Umorganisation entstehenden Kosten zu übernehmen. Der BGH musste hierzu nicht Stellung nehmen, da der Versicherer zu keinem Zeitpunkt ein entsprechendes Angebot gemacht hatte.
 
Quelle: BGH, Urt. v. 20.05.2009, IV ZR 274/06
Dr. Finzel, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Versicherungsrecht