Krankentagegeldversicherung - keine Berufsunfähigkeit, wenn zukünftige Arbeitsfähigkeit möglich ist

Personenversicherungsrecht
14.09.2018402 Mal gelesen
Allein eine ungewisse Erkrankungsdauer, oder die Feststellung, dass jedenfalls für einen gewissen Zeitraum nicht mit einer wiederhergestellten Leistungsfähigkeit zu rechnen ist, reicht nicht aus, um Berufsunfähigkeit feststellen zu können und damit Krankentaggeldleistungen zu verweigern.

Krankentagegeld: arbeitsunfähig oder berufsunfähig?

Die Versicherungsbedingungen in der Krankentagegeldversicherung sehen vor, dass die Versicherung endet, "wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit zu mehr als 50 % erwerbsunfähig", also berufsunfähig ist. Bei lange andauernder Arbeitsunfähigkeit mit Krankentagegeldbezug stellen die Versicherer gerne die Leistungen ein und teilen das Ende der Versicherung mit, indem sie bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit behaupten. Dabei muss der Versicherer die Berufsunfähigkeit beweisen.

Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit

Berufsunfähigkeit liegt nur dann vor, wenn nach aller Erfahrung, trotz Einsatzes aller medizinische Mittel mit einer Wiedererlangung der Berufsfähigkeit überhaupt nicht zu rechnen ist oder sich jedenfalls aufgrund relativ geringer Heilungschancen nicht absehen lässt, ob der Versicherungsnehmer jemals wieder berufsfähig sein wird.

Notwendigkeit der rückschauenden Prognose

Kommt es zu einem Rechtsstreit vor Gericht, muss ein medizinischer Sachverständiger gedanklich in der Zeit bis zu dem Zeitpunkt zurück reisen, zu dem der Eintritt von Berufsunfähigkeit behauptet wird. Ausgehend von den bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Erkenntnissen muss er sodann feststellen, ob man zu diesem Zeitpunkt hätte von Berufsunfähigkeit ausgehen können.

Der Fall: langjährig an Depression erkrankter Pressesprecher mit zahlreichen Rückschlägen - ungewisse Erkrankungsdauer

Im dem vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschiedenen Fall war der Kläger an Depression erkrankt und vorübergehend nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Pressesprecher auszuüben. Er erhielt deshalb Krankentagegeld. Am Ende eines stationären Aufenthaltes Anfang 2012 wurde ihm von den Ärzten mitgeteilt, er werde in sechs Wochen arbeitsfähig sein. Auch waren die externen Umstände, wie das private Umfeld - zu dieser Zeit positiv zu bewerten. Hierzu kam es aufgrund zahlreicher negativer Ereignisse in 2013 - wie der Krebserkrankung der Ehefrau - nicht. Der Krankentagegeldversicherer ließ den Kläger im April 2012 begutachten und stellte dann die Leistungen am 26. April 2012 wegen angeblicher Berufsunfähigkeit ein. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit Klage auf weitere Krankentagegeldleistungen und Feststellung des Vertragsfortbestandes.

Das Gericht erster Instanz holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige stellte fest, dass ausgehend von April 2012 innerhalb der nächsten drei Jahre wegen externer Belastungsfaktoren keine Besserung zu erwarten gewesen sei, weshalb das Gericht die Berufsunfähigkeit für bewiesen hielt und die Klage abwies. Das OLG holte ein weiteres Gutachten ein und folgte dieser Einschätzung nicht.

Kriterium - "auf nicht absehbare Zeit" - kein starrer Zeitrahmen

Allein eine ungewisse Erkrankungsdauer, oder die Feststellung, dass jedenfalls für einen gewissen Zeitraum nicht mit einer wiederhergestellten Leistungsfähigkeit zu rechnen ist, reiche nicht aus, um Berufsunfähigkeit feststellen zu können. Die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Formulierung "auf nicht absehbare Zeit" verdeutliche, dass eine Prognoseentscheidung erforderlich sei. Lasse sich aber voraussagen, dass der Versicherungsnehmer irgendwann wieder erwerbsfähig sein könne, selbst wenn der genaue Zeitpunkt ungewiss sei, liege keine Berufsunfähigkeit vor. Die Prognose erlaube keine feste zeitliche Begrenzung zu Lasten des Versicherungsnehmers. Allein die Feststellung, dass innerhalb der nächsten drei Jahre nicht mit Berufsfähigkeit zu rechnen sei, reiche deshalb nicht aus.

Rückschauende Prognose

Auch müsse der Sachverständige Ereignisse, die nach dem Zeitpunkt des behaupteten Berufsunfähigkeitseintritts eingetreten seien, für seine Feststellungen unberücksichtigt lassen. So habe der zweite Sachverständige bestätigt, dass die äußeren Belastungsfaktoren Anfang 2012 eine positive Entwicklung genommen hatten. Daher sei für 2012 die Prognose eher günstig gewesen. Die Rückschläge in 2013 habe man hingegen nicht berücksichtigen dürfen.