Ausländische Bußgeldbescheide: Andere Länder - andere Sitten

anwalt24 Fachartikel
24.06.20072542 Mal gelesen

Andere Länder, andere Sitten
(das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Ausländische Sanktionen und Verfahrensvorschriften weichen teilweise erheblich von deutschen Bestimmungen ab. Wer auf ausländischen Straßen unterwegs ist, unterliegt grundsätzlich dem dortigen Verkehrsrecht, soweit es sich um Verhaltensbestim-mungen (Tempolimits, Vorfahrtsregeln usw.) handelt. - Und Unwissenheit schützt leider auch hier nicht vor Strafe.
Der ADAC empfiehlt daher, vor der großen Urlaubstour die Verkehrsregeln der Ziel- und Transitländer sowie deren Bußgelder zu studieren. Er tröstet, dazu müsse man nicht gleich mehrere Straßenverkehrsordnungen in Gänze lernen. Der Reisende solle aber "die wichtigsten Fakten und die größten Knöllchen-Fallen" kennen. Dieser Tipp mag vor Urlaubsbeginn wie eine Zumutung klingen - und nachdem das Problem ein-getreten ist, scheint er auch wenig nützlich.
Wichtig sind grundsätzliche Unterschiede im Strafrecht, die im konkreten Fall relevant werden. So wird in Holland der Halter und nicht der Fahrer bestraft.
Die Geldstrafen liegen in fast allen europäischen Ländern höher als in Deutschland. In Belgien liegt das Bußgeld bei um 11km/h überhöhter Geschwindigkeit bei 250 Eu-ro, in Italien bei 137 Euro und in Spanien kosten 6 km/h zu viel bereits 150 Euro.
Rücksichtsloses Rasen wird in Österreich mit bis zu 2.180 Euro geahndet. Aber auch in Frankreich, Italien, Spanien, Schweden, Norwegen oder Großbritannien werden Verkehrssünder empfindlich zur Kasse gebeten. Fest steht: In fast allen europäischen Ländern sind die Bußgelder höher als hierzulande.
Der ADAC rät dem Reisenden, der gleich im Urlaubsland belangt wird, sofort zu zah-len, da in einigen Ländern anderenfalls empfindliche Strafen - wie der sofortige Füh-rerscheinentzug - verhängt werden.
Wie aber ist die Lage, wenn man nicht direkt zur Kasse gebeten wird?
Österreichische Bußgeldbescheide können aufgrund der Vollstreckungshilfevereinba-rung bereits in Deutschland erfolgreich geltend gemacht werden. Regelungen aus dem von den Niederlanden, Spanien und Deutschland ratifizierten EU-Strafvollstreckungsabkommen von 1991 und dem Deutsch-Schweizerischen Polizei-vertrag von 2002 finden im Verkehrsrecht gegenwärtig keine praktische Anwendung, auch wenn der Rahmen hierfür abgesteckt ist.
Im Frühjahr 2007 trat allerdings - auf EU-Ebene - der EU-Rahmenbeschlusses zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Geldsanktionen in Kraft, demzu-folge Geldbußen und -strafen ab einem Betrag von 70 € in allen EU-Staaten aner-kannt und vollstreckt werden sollen. Auch zurückliegende Verkehrsverstöße und sich aus diesen ergebende Bescheide fallen unter die neue Vollstreckungsregelung. In-wieweit tatsächlich Bußgelder rückwirkend eingetrieben werden, ist derzeit unge-wiss.
Es kann also aus Bußgeldbescheiden oder Urteilen in Ordnungswidrigkeitssachen, die im Ausland (außer in Österreich) rechtskräftig geworden sind, zu Zeit nur im Tatort-land die Vollstreckung betrieben werden (dies sollte beachtet werden, wenn man sich häufig in dem betreffenden Land aufhält). Die bisher mit ausländischen Staaten be-stehenden Rechtshilfevereinbarungen beinhalten in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten im allgemeinen nur Amtshilfe bei der Zustellung von Entscheidungen oder Ladungen, bei der Vernehmung von Betroffenen im Inland usw. Erfolgen solche Rechtshilfeleis-tungen über deutsche Behörden, fügen diese bei der Zustellung des betreffenden Dokuments meist ein Merkblatt bei, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ihre Tätigkeit die Vollstreckungshilfe nicht einschließt.
Bescheide von internationalen Inkasso-Büros haben damit keine Rechtswirkung. Sie sollten jedoch - um auf der sicheren Seite zu sein - solche Dokumente einem Fach-anwalt für Verkehrsrecht vorlegen, der Sie dann auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage kompetent berät. Die Situation ist derzeit im Wandel begriffen, und daher etwas unübersichtlich.
Sollte ein Betroffener nicht direkt vor Ort ein Bußgeld gezahlt haben, hat er gegen-wärtig Glück gehabt, wenn er nicht in Österreich unterwegs war. Allerdings ist zu beachten, dass viele Länder offene Rechnungen bis zu fünf Jahre im Computer spei-chern. Da viele Grenzer neben dem Pass auch offene Bußgelder überprüfen, kann es bei der nächsten Reise beispielsweise an der Schweizer Grenze passieren, dass der säumige Verkehrssünder dort so lange festgehalten wird, bis er bezahlt hat.