Wussow - Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht (Bsp. eines Beitrags aus dem Arzthaftungsrecht)

Landwirtschaftsrecht
19.02.20061343 Mal gelesen

Oberstichwort:

Persönlichkeitsrecht

Thema

Schmerzensgeldanspruch wegen unterlassener ärztlicher Aufklärung

Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 847 BGB a.F.)

  

Grundlagen

 

Nach § 823 I BGB kommen auch Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht. Der Schutz umfaßt die Persönlichkeit in doppelter Hinsicht: Einmal in statischer Sicht in ihrem Recht, in Ruhe gelassen zu werden, zum anderen in dynamischer Sicht in ihrem Selbstbestimmungsrecht auf freie Entfaltungsmöglichkeit  und aktive Entschließungs- und Handlungsfreiheit (vgl. Palandt,BGB, 64. Aufl., § 823 BGB, Rdnr. 84 ff.). Bei schwerwiegender Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann der Geschädigte eine Geldentschädigung für immateriellen Schaden (Schmerzensgeld) verlangen. Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, hängt von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei auch zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (vgl. Palandt, a.a.O., Rdnr. 123 ff.).

  

Rechtslage

 

Streitig ist, ob bei einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht auch dann ein Schmerzensgeldanspruch des Patienten wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht kommt, wenn die Aufklärungspflichtverletzung mangels Entscheidungskonflikts des Patienten nicht ursächlich für die Einwilligung gewesen ist. Nach einer Ansicht wird in einer derartigen Fallkonstellation ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen fehlender Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten verneint. Auch fehle die erforderliche Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht, wenn der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (OLG Dresden, NJW 2004, 298; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 823 BGB Rdnr. 157; Trebille, VersR 1999, 235). Nach anderer Ansicht wird darauf hingewiesen, das Recht auf umfassende Aufklärung entspringe dem Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung über seine Person; es soll den Patienten davor schützen, daß sich der Arzt ein ihm nicht zustehendes Bevormundungsrecht anmaßt. Dieses Recht sei stets verletzt, wenn nicht hinreichend aufgeklärt wird. Inwieweit sich diese Pflichtverletzung dann im weiteren Verlauf der Behandlung niederschlägt, sei für diese Rechtsmißachtung zunächst ohne Belang (OLG Jena, VersR 1998, 586; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 95; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rdnr. 53).

  

Aktuelles

 

Das KG hat sich in einem Urteil vom 27.01.2003 (VersR 2004, 1320) deutlich dafür ausgesprochen, ein Schmerzensgeldanspruch stehe dem Patienten nicht allein bei Unterlassen der gebotenen Aufklärung zu, sondern nur dann, wenn er in die Operation auch nach Aufklärung nicht eingewilligt hätte, mithin die ärztliche Behandlung wegen Fehlens einer Einwilligung rechtswidrig war. Das Gericht weist darauf hin, die Aufklärung sei kein Selbstzweck. Es wäre auch ein absurdes Ergebnis, daß einem Patienten ein Schmerzensgeldanspruch selbst dann zustünde, wenn sich der Arzt weigerte, die gebotene Aufklärung zu erteilen und der Patient deshalb von der Operation durch diesen Arzt absieht. Das Unterlassen der Aufklärung werde vielmehr erst erheblich, wenn die Behandlung erfolgt. Dann sei jedoch der Eingriff als solcher die erhebliche Verletzungshandlung und Anknüpfung für die mögliche Haftung.

 

Zu Recht weist das KG auch darauf hin, daß die Analogie zu § 847 BGB bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zudem eine Lücke voraussetze, an der es mit Rücksicht auf die genannten Schutzgüter der Gesundheit und des Körpers fehle. Die Abstrahierung des Selbstbestimmungsrechts von seinem Objekt der körperlichen Unversehrtheit vermöge nicht zu überzeugen. Darauf würde es jedoch hinauslaufen, wenn dem Patienten bei rechtmäßig durchgeführter Operation allein aufgrund des Unterlassens der gebotenen Aufklärung ein Schmerzensgeldanspruch zugebilligt würde.