Neuste Untersuchungen belegen: Privatkunden und Mittelständler zahlen häufig überhöhte Zinsen bei Kreditverträgen mit variablem Zinssatz. Aber auch durch übertriebene Gebühren und verspätete Gutschriften entgehen Bankkunden Summen, die sich aktuell nicht ökonomisch sinnvoll einfordern lassen. Obwohl Verbraucherzentralen und Fachmagazine wie Finanztest und CAPITAL seit Jahren diese Praxis der Kreditinstitute anprangern, beziehen deutsche Banken und Sparkassen auf Kosten ihrer Kunden weiterhin Gelder in Milliardenhöhe. Rechtsanwalt Dr. Olaf Methner, Partner der Kanzlei baum reiter & collegen, analysierte in seiner Dissertation die juristischen Möglichkeiten einer Geltendmachung. Sein Fazit: Aktuell gibt es individuell wenig wirtschaftlich sinnvolle Optionen, Ansprüche durchzusetzen.
In welchen Situationen zahlen Verbraucher zu viel?
- Falsche Wertstellungs- oder Belastungsdaten: Abbuchungen werden vor dem Ausführungsdatum vorgenommen. Einzahlungen werden nicht bei Zugang, sondern erst mehrere Tage später gutgeschrieben.
- Überziehungszinsen werden berechnet, obwohl das Kreditlimit nicht überschritten wurde oder eine Rechtsgrundlage für die Zinsberechnung fehlt.
- Darlehen mit Cap-Vereinbarungen enthalten Zinsober- und Untergrenzen, in deren Bandbreite der variable Zinssatz dem Marktzins folgen soll. Auch hier werden Zinserhöhungen häufig sofort und vollständig dem Kunden belastet, während Senkungen des Marktzinses nur mit erheblicher Zeitverzögerung und nur teilweise weitergegeben werden.
Bisher schreckten Bankkunden meist vor einer gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche zurück, weshalb es wenig Rechstsprechung zu dem Thema gibt. Mittelständische Unternehmer wagten zwar teilweise den Weg über die Klage, jedoch verhinderten Banken und Sparkassen bisher in den meisten Fällen höchstrichterliche Entscheidungen, indem sie attraktive Vergleiche anboten. Auch wenn vereinzelt BGH-Urteile - wie zu den unzulässigen Bearbeitungsgebühren für Verbraucherdarlehen - vorliegen, wird Bankkunden deren Rückerstattung schwer gemacht. Die Konsequenz: Die bestehende Rechtslage bietet keine ausreichenden Sanktionen für ungerechtfertigte Zins- und Gebührenberechnungen, um dieser Praxis ein Ende zu setzen.
Um dieses Ungleichgewicht zwischen Banken und ihren Kunden wieder ins Lot zu bringen, bräuchte es einer Stärkung der kollektiven Schadensersatzansprüche (angelehnt an die US-amerikanische class action). Dies müsste in Kombination mit erweiterten Sanktionsmöglichkeiten der Exekutive (BaFin) sowie einer Stärkung der Verbraucherzentralen als "privatisierte Aufsicht" geschehen. "Andererseits kommen zur Durchsetzung eines wirksamen Verbraucherschutzes auch Verfahrenserleichterungen in Betracht, um eine rechtswidrige Abrechnungspraxis aufzudecken. Hierzu zählt die Verbesserung und Ausweitung der kollektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. Denkbar sind aber auch weitere gesetzliche Regelungen, wie z. B. ein Nachberechnungsanspruch des Verbrauchers oder eine Kostenregelung für die Abwälzung von Gutachter- und Anwaltskosten im außergerichtlichen Bereich bei berechtigtem Protest durch den Bankkunden", erklärt Methner.
Zumindest bei der obersten Finanzaufsicht ist das Problem angekommen: Laut WirtschaftsWoche sandte die Bafin Ende Juni 2016 detaillierte Fragebögen an zahlreiche Kreditinstitute, in denen u. a. nach internen Maßnahmen zur schnellen Weitergabe von Zinsänderungen an die Kunden abgefragt werden.