BGH stärkt Rechte von Gebrauchtwagenkäufern - Vorschuss auf Transportkosten

Kaufrecht
24.07.2017310 Mal gelesen
In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 19.07.2017 - VIII ZR 278/16) ging es um das Nacherfüllungsverlangen unter Anforderung eines Transportkostenvorschusses, § 439 Abs. 1 BGB. Der Käufer hat darauf einen Anspruch.

Das Landgericht Berlin hatte die Klage in der Vorinstanz abgewiesen (LG Berlin - Urt. v. 08.11.2016; AZ: 88 S 14/16).

Die einschlägigen Normen lauten:

§ 439 BGBNacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

§ 269 BGBLeistungsort
(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.

Das Gericht verlautbarte in einem Terminshinweis:

"Die in Schleswig-Holstein ansässige Klägerin kaufte von der Beklagten, die in Berlin einen Fahrzeughandel betreibt, einen gebrauchten Pkw Smart, den die Beklagte in einem Internetportal angeboten hatte. Kurze Zeit nach Übergabe des Fahrzeugs wandte sich die Klägerin wegen eines nach ihrer Behauptung aufgetretenen Motordefekts an die Beklagte, um mit ihr die weitere Vorgehensweise zur Schadensbehebung im Rahmen der Gewährleistung zu klären. Nachdem eine Reaktion der Beklagten ausgeblieben war, forderte die Klägerin sie unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Hierauf bot die Beklagte telefonisch eine Nachbesserung an ihrem Sitz in Berlin an. Die Klägerin verlangte daraufhin unter Aufrechterhaltung der gesetzten Frist die Überweisung eines Transportkostenvorschusses von 280 ? zwecks Transports des nach ihrer Behauptung nicht fahrbereiten Pkw nach Berlin beziehungsweise die Abholung des Fahrzeugs durch die Beklagte auf deren Kosten. Nachdem diese sich nicht gemeldet hatte, setzte die Klägerin ihr eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung und ließ, als die Beklagte hierauf wiederum nicht reagierte, die Reparatur des Pkw in einer Werkstatt bei Kassel durchführen.

Für ihr entstandene Reparatur-, Transport- und Reisekosten verlangt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 2.332,32 ?. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Landgerichts scheitere der geltend gemachte Schadensersatzanspruch bereits an einem vorherigen wirksamen Nacherfüllungsverlangen (§ 439 Abs. 1 BGB*) der Klägerin. Denn ein solches müsse die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Vorliegend hätte sich die Klägerin dementsprechend bereit erklären müssen, der Beklagten das Fahrzeug an deren Geschäftssitz in Berlin, dem Erfüllungsort der Nacherfüllung gemäß § 269 Abs. 1 BGB*, zu überlassen und dies nicht, wie geschehen, von der vorherigen Finanzierung oder Durchführung des Transports des Pkw durch die Beklagte abhängig machen dürfen.."

Der Anspruch der Klägerin ist gegeben. Der BGH hat entschieden, daß ein Verkäufer gemäß § 439, Abs. 2 BGB verpflichtet ist, einem Käufer durch Zahlung eines von diesem angeforderten Vorschusses den Transport der (vermeintlich) mangelbehafteten Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu ermöglichen. Dementsprechend sei es nach Auffassung des BGH vorliegend für die Wirksamkeit des Nacherfüllungsverlangens der Klägerin - als Voraussetzung des von ihr geltend gemachten Schadenersatzanspruches (§ 281, Abs. 1 Satz 1 BGB) - ausreichend, daß diese, wenn auch erfolglos, zeitnah einen nicht ersichtlich unangemessenen Transportkostenvorschuss von der Beklagten angefordert hat sowie alternativ bereit war, ihr selbst die Durchführung des Transports zu überlassen beziehungsweise eine Voruntersuchung zu ermöglichen. Dementsprechend sei der Verkäufer dann verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, wenn dieser ihm die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben habe. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung befinde sich, solange die Parteien nicht Abweichendes vereinbaren oder besondere Umstände vorliegen, am Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners (§ 269, Abs. 1 BGB), also hier am Geschäftssitz der Beklagten in Berlin. Das Landgericht Berlin muß nun neu entscheiden.

Der BGH hatte schon 2011 entschieden, daß Verbraucher einen Anspruch auf einen Vorschuss auf die Transportkosten haben können, da Ihnen nicht zumutbar sei, sich von finanziellen Belastungen zur Durchsetzung Ihrer Rechte abhalten zu lassen. Der BGH sieht darin eine faire Risikoverteilung, da der Käufer den Vorschuss zurückzahlen müsse, wennn sich herausstelle, daß gar kein Mangel vorliege.

Grundsätzlich gilt:

Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag setzt voraus, daß das erworbene Fahrzeug einen bei Gefahrübergang Mangel hat oder eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Der Gesetzgeber unterscheidet  in § 434 BGB verschiedene Arten von Sachmängeln. Die Rechtsfolgen bei Sach- und Rechtsmängeln im Kaufrecht sind in § 437 BGB genannt: Nachbesserung, Rücktritt vom Vertrag, Minderung des Kaufpreises, Schadensersatz statt der Leistung, Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Der Käufer müßte den Mangel beweisen, wozu ihm aber oft die Sachkunde fehlt und erheblicher zeitlicher und finanzieller Aufwand nötig ist (Gutachter etc.). Bei Verbrauchsgüterkäufen (§ 474 BGB) hilft dem Käufer zur Geltendmachung seiner Rechte die Vermutung in § 476 BGB, der zufolge ein Mangel, der sich innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe zeigt, beim Gefahrübergang vorlag.

Trotz dieser Beweislastumkehr zugunsten des Käufers ist  anwaltliche Beratung und Vertretung angezeigt. Denn der Verkäufer kann den Gegenbeweis erbringen (z. B. falsche Bedienung). Außerdem bezieht sich die gesetzliche Vermutung nicht auf das Bestehen eines Mangels (den der Käufer nach wie vor beweisen muß), sondern nur auf den Zeitpinkt, bei dem er unerlaubt vorgelegen hat.

 

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.

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