Fernabsatzrecht: Widerrufsrecht besteht trotz Reparaturauftrag

Internet, IT und Telekommunikation
16.05.2012921 Mal gelesen
Nach einer aktuellen Entscheidung des Amtsgericht Ahlen steht ein Reparaturauftrag der Ausübung des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts nicht entgegen.

Das Amtsgericht Ahlen musste sich mit folgendem Rechtsstreit befassen:

Die Klägerin kaufte über eBay bei der Beklagten eine Armbanduhr zum Kaufpreis von 1.800 EUR. Nach Erhalt der Uhr musste sie feststellen, dass das Armband der Uhr zu klein und defekt war. Mit der Beklagten einigte sie sich darauf, dass die Beklagte prüfen sollte, ob eine Verlängerung des Armbandes und eine Reparatur möglich seien. Dies sollte aber noch innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist erfolgen. Die Klägerin sandte der Beklagten die Uhr zur Überprüfung zurück.

Nachdem sich die Prüfung durch die Beklagte hinzog, erklärte die Klägerin einen Tag vor Ablauf der Frist des § 355 Abs. 2 BGB den Widerruf und verlangte die Rückerstattung des Kaufpreises. Die Beklagte widersprach dem Widerruf und vertrat die Auffassung, das Widerrufsrecht der Klägerin sei durch den erteilten Reparaturauftrag erloschen.

Die Beklagte lies sich auf Rückzahlung des Kaufpreises verklagen - und verlor.

Das AG Ahlen gab der von mir vertretenen Klägerin Recht: Das Widerrufsrecht sei nicht durch den Reparaturauftrag erloschen und fristgerecht ausgeübt worden. Aus dem E-Mail-Verkehr der Parteien gehe zunächst hervor, dass bis zum Widerruf nicht eindeutig geklärt gewesen sei, ob überhaupt eine Reparatur der Uhr möglich sei, so dass aus dem Reparaturauftrag auch nicht zu schließen sei, dass sie auf ihr Widerrufsrecht verzichtet habe. Der Reparaturauftrag stehe dem Widerrufsrecht aber auch nicht entgegen. Denn gem. § 649 BGB habe die Klägerin den Reparaturauftrag als Werkvertrag jederzeit bis zur Vollendung des Werkes kündigen dürfen. Eine Reparatur sei auch nicht erfolgt.

Allein der Umstand, dass ein Reparaturauftrag erteilt wurde, stehe dem Widerruf ebenfalls nicht entgegen. Das Gericht führt dazu aus:

"Gemäß § 357 BGB finden auf das Widerrufsrecht die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechend Anwendung. Aus § 346 Abs. 2 BGB kann entnommen werden, dass selbst im Fall einer Umgestaltung oder Untergangs der zurückzugewährenden Sache das Rücktrittsrecht (hier entsprechend das Widerrufsrecht) nicht ausgeschlossen ist, sondern allein die zurückzugewährende Leistung modifiziert wird. Allein das Erteilen des Reparaturauftrages (was hinter einem Umgestalten oder einem Untergang der Sache zurückbleibt) führt daher nicht dazu, dass das Widerrufsrecht erlischt."

Die Klägerin habe daher den Widerruf wirksam erklären können.

Das Ergebnis dieses interessanten Verfahrens: Die Beklagte wurde zur Rückerstattung des Kaufpreises und zur Erstattung der der Klägerin entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten verurteilt.

(AG Ahlen, Urteil vom 11.04.2012 - 30 C 794/11) 

Rechtsanwalt Andreas Schwartmann, Köln