Verkürzung der Restschuldbefreiung auf 3 Jahre - EU-Richtline 2019/102

Insolvenzrecht
09.08.2020349 Mal gelesen
Die EU-Richtlinie 2019/1023 kommt und damit die Erlangung der Restschuldbefreiung für alle natürlichen Personen innerhalb von 3 Jahren. Eine Chance!

1. Vorbemerkung

Künftig sollen unternehmerisch tätige Personen und Verbraucher, wenn sie in die Insolvenz gefallen sind, schneller die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung erlangen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht stellte im Februar den Referentenentwurf für ein Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vor. Dieser Aufsatz soll einen kurzen Überblick über die derzeitige rechtliche Lage zur Restschuldbefreiung, den geplanten Änderungen sowie deren Zweckmäßigkeit geben.

 

2. Grundsätzliches zur Restschuldbefreiung

Aktuell steigt die Anzahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland. Oftmals haben diese die Überschuldung aber gar nicht zu verantworten, sondern sind auf Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit zurück zu führen. Gerade in solchen Fällen kommt das Institut der Restschuldbefreiung ins Spiel. Diese soll es dem redlichen Schuldner ermöglichen, sich innerhalb nur weniger Jahre von seinen Schulden zu befreien und nicht sein Leben lang die Altlasten abtragen zu müssen. Die Restschuldbefreiung läuft dergestalt ab, dass das Insolvenzgericht dem Schuldner am Ende des Insolvenzverfahrens die restlichen Schulden, die er noch nicht tilgen konnte, durch staatlichen Hoheitsakt erlässt. Voraussetzung für die Restschuldbefreiung ist aber eine sogenannte "Wohlverhaltensphase". Ob diese Phase mit Erfolg absolviert wurde oder ob sonstige Einwände seitens der Gläubiger vorliegen, entscheidet das Insolvenzgericht. Die Restschuldbefreiung soll aber nach gefestigter Rechtsprechung die Regel und deren Versagung die Ausnahme sein!

3. Aktuelle Dauer der Restschuldbefreiung

In der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 ist vorgesehen, dass insolvente Unternehmerinnen und Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben müssen, das ihnen eine volle Entschuldung nach spätestens drei Jahren ermöglicht. Umzusetzen durch die Bundesrepublik Deutschland ist diese Richtlinie bis zum 17 Juli 2021.

Derweilen genügt das geltende Recht den Anforderungen der Richtlinie nicht vollständig, da die reguläre Frist für eine Restschuldbefreiung nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 300 Abs. 1 1 InsO derzeit sechs Jahre beträgt. Nur in leider sehr begrenzten Ausnahmefällen ist eine frühere Restschuldbefreiung eine Option. So ist diese nach drei Jahren möglich, wenn der Schuldner 35 % der Schulden und die gesamten Verfahrenskosten bis dahin abbezahlt hat. Nach fünf Jahren ist sie immerhin möglich, wenn der Betroffene nur die Verfahrenskosten in diesem Zeitraum abbezahlt hat. Diese vorzeitige Restschuldbefreiung nach drei beziehungsweise fünf Jahren ist aber nur bei Verfahren möglich, die ab dem 01.07.2014 neu eröffnet wurden. Eine Evaluierung hatte allerdings ergeben, dass diese strengen Voraussetzungen nur von knapp 2 % (!) der Schuldner tatsächlich erfüllt werden können, so dass faktisch eine Restschuldbefreiung vor sechs Jahren fast nicht möglich ist.

Auch, um der Richtlinie gerecht zu werden, soll nun das Restschuldbefreiungsverfahren für natürliche Personen auf grundsätzlich drei Jahre verkürzt werden.

 

4. Geplante Änderungen zur Restschuldbefreiung

Wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfes ist es, dass die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre reduziert wird. Dieser Erleichterungen sollen nicht nur für unternehmerisch tätige Personen, sondern tatsächlich für natürliche Personen gelten. Allerdings soll die Verkürzung nicht dazu führen, dass dem Schuldner im Falle einer erneuten Überschuldung ein schnellerer Zugang zu einer Restschuldbefreiung eröffnet wird. Auf Grund dessen wir die Sperrfrist für die erneute Erlangung einer Restschuldbefreiung von zehn auf 13 Jahre verlängert. Darüber hinaus soll auch der Gefahr vorgebeugt werden, dass die Schuldner dazu übergehen, die Einleitung des Verfahrens zu verzögern, um sich mit Inkrafttreten der künftigen Regelungen in den Genuss einer wesentlich kürzeren Verfahrensdauer bringen zu können. Daher soll die Halbierung der regulären Dauer nur stufenweise (Stufenlösung) erfolgen, indem sich die Abtretungsfrist in einem Übergangszeitraum monateweise bis Juli 2022 um je einen Monat verkürzt. Somit wird erst in diesem Zeitpunkt eine vollständige Richtlinienumsetzung stattgefunden haben. Es macht daher keinen Sinn, auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zu warten.

5. Konsequenzen der Verkürzung 

Der veröffentliche Referentenentwurf ist zwar noch kein Gesetz, man kann aber davon ausgehen, dass dieser in das Gesetz einfließen und rückwirkende Wirkung entfalten wird.

Mit in Kraft treten des Gesetzes wird es dann eine Zeit lang unterschiedliche Verfahrensdauern geben. Derartigen gesetzgeberischen Wirrwarr sind aber die im Insolvenzrecht tätigen Personen zwischenzeitlich leider schon seit Jahren gewohnt.

Für alle Verfahren, die vor dem 16.12.2019 beantragt wurden, gilt die Rechtslage, die seit dem 01.07.2014 gilt. Für alle Verfahren die zwischen dem 16.12.2019 und dem 30.09.2020 beantragt werden oder wurden gilt die Stufenlösung. Alle Verfahren, die ab dem 01.10.2020 beantragt werden, werden nach 3 Jahren restschuldbefreit, ohne dass hierzu besondere Bedingungen erfüllt werden müssen.

Denkbar wäre es, dass dadurch die Insolvenz einen Schritt weit ihren Schrecken verliert und Schuldner zur Sorglosigkeit anreizt. Dementgegen wird sich für die Gläubiger allerdings wohl nur wenig ändern. Es ist entgegen der Befürchtung einiger Wirtschaftsverbände nicht zu erwarten, dass sich die Zahlungsmoral negativ verändert. Zumindest Schuldner, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, werden weiterhin bemüht sein, ihre Verbindlichkeiten zu tilgen. Bei denjenigen, welche nahezu leichtfertig Schulden machen, hilft hingegen schon nach geltendem Recht die Sperrfrist: Denn wem einmal eine Restschuldbefreiung erteilt worden ist, der kann einen neuen Befreiungsantrag frühstens nach zehn Jahren stellen. Ferner wird auch durch die Übergangszeit der Anreiz genommen, die Einleitung des Verfahrens aufzuschieben.

Zu kritisieren an der Verkürzung ist allerdings, dass die Verkürzung nicht aufgrund des Eröffnungsdatums berechnet werden soll, sondern anhand des Datums der Antragstellung. Dies spielt eine wichtige Rolle, da es Gerichte gibt, bei denen Anträge übermäßig lang auf die Eröffnung warten müssen, ohne, dass irgendwelche Besonderheiten bestehen. Sofern der Zeitpunkt der Anmeldung also maßgeblich ist, lastet man dem Schuldner den bis zur Eröffnung verstrichenen Zeitablauf, welcher oft von der Arbeitsweise des Gerichts abhängt, auf. Für diese Regelung ist allerdings kein sachlicher Grund ersichtlich. Auch sonst gilt es, dass die Dauer des Verfahrens von der Eröffnung an berechnet wird.

 

6. Fazit

Somit ist festzuhalten, dass voraussichtlich, bei Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes, vom 17.07. -16.08.2025 der Monat der Restschuldbefreiung sein wird, da in dieser Zeit für alle ab dem 17.12.2019 bis 16.07.2022 beantragen Verfahren die Befreiung erteilt wird. Diese hohe Auslastung der Gerichte kann natürlich zu Verzögerungen führen. Kaum zu befürchten ist hingegen, dass vermehrt Verbraucher zur Sorglosigkeit tendieren, da die Insolvenz ihren Schrecken verliert.

 

Aus der beabsichtigten Gesetzesänderung ergeben sich Chancen auf eine Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase. Diese sollte genutzt werden. Warten bringt nichts!

 

Am Ende wird alles gut - sonst kann es auch noch nicht zu Ende sein!

 

Schauen Sie sich auch gerne meine Videos unter https://www.kanzlei-koenemann.de/recht-einfach-videos/ an.

Für Fragen stehe ich natürlich gerne wie gewohnt unter 04131 400 400 zur Verfügung.

 

Ihr

Hendrik A. Könemann

Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Insolvenzrecht