Das ach so verpönte Erfolgshonorar und wie der Gesetzgeber selbst die Rechtsanwälte darauf verweist

 Freiberufler oder Selbstständiger
20.10.20062941 Mal gelesen

Das Verbot des Erfolgshonorars

und die Bedeutung des Erfolgshonorars in Prozesskostenhilfe-Fällen,

eine kurze Anmerkung zu Schons, Kammer-Mitteilungen (Düsseldorf)  2006, 22 f

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

Eckhard Benkelberg, Emmerich am Rhein

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Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung bewirkt, dass der beigeordnete Anwalt der armen Partei kein Honorar berechnen, dass die Landeskasse keine Gerichtskosten fordern darf. (§ 122 I Nr. 3 ZPO)

 
Also hat die arme Partei keine Kosten, also kann die arme Partei auch keine ihr erwachsenen Kosten (§ 91 ZPO) zur Festsetzung oder Quotelung anmelden.

 
Insoweit nun von der Armut der armen, obsiegenden Partei, die andere Partei profitieren könnte, weil die Höhe des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen die Staatskassen (§ 45 I RVG) nach § 49 RVG erheblich von der nach § 13 RVG abweicht, gewährt § 126 ZPO dem Anwalt der obsiegenden Partei ein eigenes Liquidationsrecht.

 
Indem der Anwalt seine Honoraransprüche unmittelbar und im eigenen Namen gegen den unterlegenen Gegner festsetzen lassen kann, wenn er für seine Partei obsiegt oder überwiegend obsiegt hat, erhält dieser Anspruch eine eindeutige Qualifizierung als Erfolgshonorar, des sonst so Verpönten, durch § 49 b II BRAO explizit Verbotenen. Denn verliert der Anwalt, bleibt er auf den kümmerlichen Gebühren des § 49 RVG sitzen, die er gegen die Landeskasse liquidiert.

 
Damit offenbart unser Gesetzgeber zugleich, dass es ihm beim Verbot der Vereinbarung des Erfolgshonorars mit der Sorge um das Gemeinwohl nicht ernst ist:

 
Den Armen einen im Wesentlichen gleichen Zugang zum Recht zu eröffnen, ist Staatsaufgabe.

 
Ganz überwiegend aber entledigt sich der Staat dieser Aufgabe durch Abwälzung der Kosten auf die Anwaltschaft, die beispielsweise im Jahr 2004 in der Beratungshilfe für fast € 200 Millionen Dienstleistungen pro bono erbracht hat[1] und für fast € 500 Millionen pro bono Leistungen im Bereich der Prozesskostenhilfe[2], während die Bundesrepublik das Schlusslicht beim Aufwand von Staatsleistungen beim Zugang zum Recht bildet mit einem Aufwand von ca. € 4,30 / Kopf der Bevölkerung und Jahr.[3]

 
Ganz uneinsichtig war der sehr sparsame Gesetzgeber nicht. Er hat erkannt, in welch imponierenden Ausmaß Teile der Anwaltschaft die Last der Grundrechtsgewährung für die Einkommensschwachen tragen, und hat, da die wirtschaftlich Unterbemittelten wegen § 122 ZPO keine Honorare zahlen müssen, also auch keine Kosten zur Erstattung gegen die Prozessverlierer anmelden können, letztere also von der Armut ihrer Prozessgegner profitieren würden, den Anwälten selbst ein Liquidationsrecht geschaffen, andernfalls die Anwaltschaft die Prozessgegner der Armen subventionieren würde.

 
Der Anwalt der armen Prozesspartei hat somit, weil der Gesetzgeber bei der Prozesskostenhilfe auf dem Rücken der Rechtsanwälte Staatsausgaben sparen wollte und deshalb alle Bedenken gegen ein Erfolgshonorar beiseite geräumt hat, ein ihm von Staats wegen übertragenes gewaltiges eigenes Gebühreninteresse am Prozesssieg seiner armen Partei. Er darf sich, was der Staat an Aufwand spart, nämlich die Differenz zwischen den niedrigen Prozesskostenhilfe-Gebühren und den gesetzlichen Gebühren, beim Prozessgegner seiner Partei holen, aber nur, wenn er den Prozess für seine Partei gewinnt. Verliert er, bleibt es bei den Mickergebühren der Prozesskostenhilfe, gewinnt er, darf er sich das gesetzliche Honorar, bisweilen das Mehrfache[4] der Prozesskostenhilfe-Gebühren, die bei Gegenstandswerten ab € 3.000,00 stärker degressiv verlaufen als die gesetzlichen Gebühren und ab Streitwerten über € 30.000,00 eingefroren sind, vom Gegner holen.

 
Wenn der Gesetzgeber selbst aber das Erfolgshonorar über die Prozesskostenhilfe einführt und es im Familienrecht sogar zu einer wesentlichen Einkommensquelle der Anwälte geworden ist, das Erfolgshonorar stabilisierendes Systembestandteil geworden ist, ohne Erfolgshonorar das System der Prozesskostenhilfe dort, wo es die wichtigste Rolle spielt, 45 % aller Fälle betrifft, nämlich im Familienrecht, auseinander fliegen könnte, weil qualifizierte und kostenbewusste Rechtsanwälte sich in Scharen weigerten, die Staatsaufgabe der Eröffnung des Zugangs zum Recht für die Armen weiter aus eigener Tasche zu subventionieren,[5] dann kann ein Verbot des Erfolgshonorars an anderen Stellen des Zivilrechts schwerlich mehr gerechtfertigt werden, schon gar nicht vor dem Hintergrund des Art. 12 GG.[6]

 
Es wurde im Übrigen bis heute im Bereich des Familienrechts, wo die Prozesskostenhilfe die tragende Rolle spielt, nichts festgestellt, was die Befürchtung des Gesetzgebers, ein Gebühreninteresse des Rechtsanwalts am Ausgang des Rechtsstreits könne die Rechtssprechung beeinträchtigen, rechtfertigen könnte.


 

[1]DAV-Depesche 01/2006:  Eine vom Bundesjustizministerium jährlich erstellte Beratungshilfestatistik (Berichtigte Fassung Stand 02.11.2005 für die Jahre 1981 bis 2004) gibt für 2004 die Summe der in 14 Bundesländern für Beratungshilfe aufgewandten Kosten mit 28,5 Mio. € an. Bremen und Hamburg sind nicht berücksichtigt, da dort öffentliche Rechtsberatungsstellen existieren und das BerHG keine Anwendung findet. Von der Gesamtzahl der 631.066 Anträge auf "Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt" wurden 292.383 Berechtigungsscheine auf unmittelbaren Antrag der Rechtsuchenden und 316.880 Berechtigungsscheine auf nachträglichen Antrag mit Hilfe eines Anwalts gestellt. Nur 20.952 Beratungshilfeanträge wurden zurückgewiesen. Etwa die Hälfte aller Beratungshilfefälle bezog sich auf anwaltliche Vertretungen (ca. 305.400 Fälle), etwa jede 6. Beratungshilfe beschränkte sich auf Beratung und Auskunft (ca. 116.400 Fälle) und in etwa 5 % kam es zu einem Vergleich, einer Einigung oder einer Erledigung der Rechtssache/ca. 31.300 Fälle).

Versucht man den Marktwert der von den Rechtsanwälten erbrachten Beratungshilfe grob zu kalkulieren und geht von einem durchschnittlichen Gegenstandswert für Beratung/Auskunft, für Vertretung und für Einigung/Vergleiche von jeweils 7.500 € aus, so ergibt das einen Marktwert nach RVG-Beträgen von insgesamt 226.056.160 € (Beratung/Auskunft mit 0,55 Gebühr: 26.376.240 €; Vertretung mit 1,3 Gebühr: 163.572.240 €; Vergleich/Einigung/Erledigung mit 2,8 Gebühren: 36.107.680 €). Die Differenz zwischen dem Marktwert von ca. 226,06 Mio. € und der gezahlten Beratungshilfe von ca. 28,5 Mio. € beträgt 197,56 Mio. € und ist als Pro-Bono-Leistung der deutschen Anwälte zu bewerten (pro Anwalt über 1.700 € pro Jahr). Die Statistik ist veröffentlicht auf der Homepage des Bundesjustizministeriums unter www.bmj.bund.de bei der Rubrik Service/Statistiken/Beratungshilfe/Dokumente:Beratungshilfestatistik2004.pdf bzw. Beratungshilfestatistik2004.xls.

[2] So der ehem. Hauptgeschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer, Anton Braun, in der ZAP-Kolumne vom 16.6.03

[3]Prof. Dr. Benno Heusen, Zugang zum Recht - ein internationaler Vergleich, AnwBl. 12/2005, S. 771 ff

Der deutsche Staat hat für Prozesskostenhilfe im Jahre 2000 € 4,30/Bürger aufgewendet, eine Schachtel Zigaretten. Offen ist, wie viel er sich zurückgeholt hat von den Prozessverlierern.

[4] Im Prozesskostenhilfe-Mandat kann der beigeordnete Anwalt an Verfahrens- und Terminsgebühr ab Streitwert € 30.001,00 nie mehr als € 977,50 gegen die Landeskasse liquidieren, während die gesetzliche Gebühr bei diesem Streitwert schon € 2.075,00 beträgt.

[5] Beratungshilfe muss der Rechtsanwalt leisten, § 49 a BRAO, zur Übernahme des Prozesskostenhilfe-Mandats muss er "bereit" sein, § 121 I und V ZPO.

[6]Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern. Gesetzliche Vergütungsregelungen sind daher am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen (vgl.BVerfGE 88, 145 159>). Nichts anderes gilt für gerichtliche Entscheidungen, die auf Vergütungsregelungen beruhen (vgl. BVerfGE 101, 331 347>).(BVerfG, Beschluss vom 23.8.2005, 1 BvR 46/05)

 
   

Eckhard Benkelberg

Rechtsanwalt und zugleich

Fachanwalt für Familienrecht

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