Einer ein gemeinsames Kind betreuenden geschiedenen Mutter kann ein Umzug innerhalb Deutschlands als Teil ihrer grundsätzliches freien Lebensgestaltung jedenfalls dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht. (Oberlandesgericht Düsseldorf II - 3 UF 57/06, Beschluss vom 15.05.2006)
Die Eltern sind Eheleute und leben seit Anfang 2005 getrennt. Aus der Ehe ist ein drei Jahre alter Sohn hervorgegangen. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich bei der Kindesmutter. Der Junge hat aber regelmäßigen Kontakt zu seinem Vater, der ihn an jedem Wochenende sieht (dann arbeitet die Mutter) und auch während der Woche. Unter anderem nach Streitigkeiten über den vom arbeitslosen Kindesvater zu zahlenden Unterhalt hat sich die Kindesmutter entschlossen, nach T. in BW. umzuziehen und das Kind mitzunehmen. Sie begründet ihren Umzugswunsch dadurch, dass sie sich in T. größere Chancen verspricht, eine Arbeitsstelle zu finden. Während der Arbeit will sie auf die Betreuung des Kindes durch ihre dort lebenden Verwandten, insbesondere ihre Mutter zurückgreifen. Der Vater ist mit dem Umzug nicht einverstanden. Er sieht insbesondere seine regelmäßigen Kontakte mit dem Sohn gefährdet und akzeptiert den Umzugswunsch der Mutter nicht. Das Amtsgericht hat den Antrag der Mutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, die Mutter müsse bei ihrer Lebensplanung die Interessen des Kindes mit einbeziehen. Es erscheine nicht vertretbar, das Kind in das von der Kindesmutter gewählte Risiko einer Neuorientierung mit einzubeziehen. Hiergegen hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt.
Die nach § 621 e ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Die Regelung des Sorgerechts in dem hier betroffenen Teilbereich (Aufenthaltsbestimmung) ist erforderlich, weil die Eltern sich in dieser Frage nicht einigen konnten.
Bei der Entscheidung ist ausschlaggebend, dass die Mutter schon auf Grund der von den Eltern einvernehmlich getroffenen Entscheidung die Hauptbezugsperson des Kindes ist. Ein Umzug kann ihr als Teil ihrer grundsätzlich freien Lebensgestaltung jedenfalls dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht. Wenn das Kind von dieser Entscheidung in der Form betroffen ist, dass es sein vertrautes Umfeld verlässt und die Kontakte zum Vater weniger häufiger stattfinden, ist diese Konsequenz hinzunehmen. Einer Entfremdung des Kindes vom Kindesvater ist dann durch die Ausgestaltung der Umgangskontakte vorzubeugen, die auf dem Bedürfnis nach einer liebevollen Beziehung zwischen Vater und Kind Rechnung tragen sollen.
Gemessen an diesen Maßstäben ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts der derzeitige Wohnort des Kindes nicht festzuschreiben, sondern der Mutter ein Umzug mit dem Kind zu ermöglichen. Die Kindesmutter ist zweifellos die Hauptbezugsperson, was nicht zuletzt der von den Eltern einvernehmlich im Zuge der Trennung getroffenen Entscheidung beruht, dass das Kind seinen Aufenthalt bei der Mutter hat. Zudem die Mutter in der Anhörung den Eindruck vermittelt hat, dass sie zur Wahrnehmung der Kindesbelage die größere Kompetent und Sicherheit besitzt, kommt hinzu.
Wenn deutlich ist, wer die Hauptbezugsperson des Kindes ist, kann dieser Person grundsätzlich nicht abverlangt werden, an dem bisherigen Wohnort oder der Region wohnen zu bleiben, allein um den intensiven Umgang zwischen dem anderen Elternteil und dem Kind nicht zu beeinträchtigen. Ihm ist der Umzugswunsch zu akzeptieren, wenn der Elternteil vernünftige und nachvollziehbare Gründe anführen kann. Das ist hier der Fall. Die Kindesmutter stammt aus T. Sie hat dort ihre Familie, vor allem wohnt dort ihre Mutter, die Großmutter des Kindes. Auf Grund des bisherigen Verlaufs ist die Grundlage für eine eigenständige Existenz von Mutter und Kind in E. nicht gewährleistet. Vor allem reichen bisherige Unterhaltszahlungen des arbeitslosen Kindesvaters, soweit sie überhaupt erbracht worden sind, hierfür nicht aus. Von daher ist es nachvollziehbar, dass die Kindesmutter sich in BW bessere Chancen auf eine selbstgesicherte Existenz verspricht. Die Erfolgsaussicht der Arbeitssuche einzuschätzen, ist nicht Aufgabe des Familiengerichts, so lange die Vorstellung nicht eindeutig unvernünftig ist, was hier nicht gesagt werden kann.
Dem Amtsgericht ist nicht darin zu folgen, dass das Kind nicht in das Risiko der Lebensgestaltung seiner Mutter einbezogen werden darf. Das Kinder in die Lebensentscheidung ihrer Eltern und die daraus erwachenden (wirtschaftlichen) Risiken einbezogen werden, entspricht der Lebenserfahrung in intakten Familien und kann nach der Trennung der Eltern jedenfalls bei Beachtung der vorstehenden Maßgaben prinzipiell nicht anders sein.
Eckhard Benkelberg
Rechtsanwalt und zugleich
Fachanwalt für Familienrecht
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