Die Erbrechtsreform: Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen per Gesetz

Die Erbrechtsreform: Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen per Gesetz
22.01.20101982 Mal gelesen
Am 1. Januar 2010 ist die Erbrechtsreform in Kraft getreten. Ein wesentlicher Reformpunkt ist die Änderung des Pflichtteilsrechts im Hinblick auf Schenkungen, die ein Verstorbener zu Lebzeiten getätigt hat.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch enterbter Angehöriger des Verstorbenen. Zu den pflichtteilsberechtigten Angehörigen gehören insbesondere die Kinder des Verstorbenen. Folgender Ausgangsfall soll die neue Rechtslage verdeutlichen:

Der Witwer V hat einen Sohn und eine Tochter. Da das Verhältnis zu seinem Sohn schlecht ist, setzt er seine Tochter als Alleinerbin ein. Bei seinem Tod hinterlässt V ein Vermögen von € 40.000. Dem enterbten Sohn steht ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/4 (€ 10.000) zu. Neun Jahre vor seinem Tod hatte V der Tochter € 400.000 geschenkt. Aufgrund dieser Schenkung kann der Sohn neben dem Pflichtteilsanspruch auch noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs werden sämtliche Schenkungen berücksichtigt, die der Verstorbene in den vergangenen zehn Jahren vor seinem Tod vorgenommen hat. Nach der alten Rechtslage wurde dem Pflichtteilsergänzungsanspruch immer der gesamte Wert der Schenkung zugrunde gelegt und zwar unabhängig davon, ob sie ein Jahr oder neun Jahre vor dem Tod vollzogen wurde. Im vorliegenden Fall belief sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Sohnes daher auf € 100.000 (€ 400.000 x 1/4), sodass er von seiner Schwester insgesamt € 110.000 verlangen konnte.  Seit dem 1. Januar 2010 werden bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs Schenkungen graduell immer weniger berücksichtigt, je länger sie zurückliegen. Eine Schenkung im 1. Jahr vor dem Ableben wird voll in die Berechnung einbezogen, im 2. Jahr nur noch mit 9/10, im 3. Jahr nur noch mit 8/10, usw. Im vorliegenden Fall erfolgte die Schenkung neun Jahre vor dem Ableben, sodass sie nur noch mit 2/10 und damit nur noch mit € 80.000 berücksichtigt wird. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Sohnes beläuft sich damit nach der neuen Rechtslage auf nur noch € 20.000 (€ 80.000 x 1/4), sodass er von seiner Schwester also nur noch € 30.000 anstatt wie bisher € 110.000 verlangen kann. Zukünftig können die Pflichtteilsansprüche der Kinder also durch Schenkungen an andere Kinder effektiver ausgehöhlt werden als bisher. Diese Regelungen werden insbesondere uneheliche Kinder sowie Kinder aus ersten Ehen zu spüren bekommen.

Siegrid Lustig, Fachanwältin für Erbrecht, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover