Höhe des Pflichtteils: Verkaufspreis eines Grundstückes ist nicht immer maßgeblich

Erbschaft Testament
06.07.2015218 Mal gelesen
Gehört eine Immobilie zum Nachlass, so entsteht schnell Streit darüber, welchen Wert diese Immobilie hat. Wird die Immobilie zeitnah nach dem Erbfall veräußert, hat der erzielte verkaufspreis oftmals Indizwirkung für den Immobilienwert. Nicht immer jedoch, wie ein jüngstes Urteil des BGH zeigt.

Im Rahmen von Pflichtteilsansprüchen erhält der von der Erbfolge Ausgeschlossene einen Anteil am Nachlass. Dieser beträgt grundsätzlich die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils. Gehört ein Grundstück zum Nachlass, so ist die Berechnung des Pflichtteils jedoch oftmals besonders schwierig. Für gewöhnlich streiten die Beteiligten schnell darüber, welchen Wert das Grundstück hat. Der Pflichtteilsberechtigte hat dabei ein Interesse an einem möglichst hohen Wert, wohingegen die Erben auf einen geringeren Wert aus sind.

Als Bemessungsgrundlage des Pflichtteilsanspruches gilt nach § 2311 BGB grundsätzlich der Wert des Grundstückes im Todesfall. Abzustellen ist dabei auf den gemeinen Wert, welcher dem Verkehrswert entspricht. Fraglich ist dabei, inwieweit zur Wertfeststellung auf einen tatsächlich erzielten Verkaufserlös abgestellt werden kann, sofern das Grundstück kurz nach dem Erbfall veräußert wurde. Schlussendlich belegt der erzielte Verkaufserlös ja gerade den am Markt erzielbaren Preis, mithin den Verkehrswert.

Dies entsprach daher auch der ständigen Rechtsprechung des BGH (siehe Senatsbeschluss vom 25.11.2010 - Az.: IV ZR 124/09). Danach musste sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen, stets am Verkaufserlös orientieren.

 Dass der erzielte Verkaufserlös jedoch nicht immer mit dem Verkehrswert übereinstimmen muss, zeigt ein jüngst vom BGH zu beurteilender Fall (Beschluss vom 08.04.2015 - Az.: IV ZR 150/14). Darin konnte der Pflichtteilsberechtigte durch 2 Sachverständigengutachten darlegen, dass der Verkehrswert des Grundstückes deutlich über dem Verkaufserlös lag. In solchen Fällen könne dann auch nach Ansicht der BGH-Richter nicht mehr am Verkaufserlös festgehalten werden, sondern das Gericht müsse ausgehend von der substantiierten Darlegung des Pflichtteilsberechtigten weitere Feststellung zum Wert des Grundstückes machen. Im Zweifel hätte das Gericht dann einen eigenen Sachverständigen mit der Wertfeststellung zu beauftragen.

Pflichtteilsberechtigte sollten daher stets eigene Wertgutachten fertigen lassen, um im Rahmen eines Prozesses gegen die Erben umfassend zum Wert des Grundstückes vortragen zu können und damit ggf. ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu erzwingen. Jedenfalls sollten sie sich nicht von pauschalen Erklärungen der Erben zum tatsächlich erzielten Verkaufserlös abspeisen lassen. Die Erben hingegen laufen Gefahr, dass sie Pflichtteilsberechtigte auf der Grundlage von Grundstückswerten abfinden müssen, welche für sie selbst tatsächlich nicht realisierbar gewesen sind.