Der verstorbene Ehegatte hat im Laufe des Scheidungsverfahrens ohne Beratung ein privatschriftliches Testament errichtet, in dem er als Grundlage für sein Testament diejenigen Vermögensgegenstände annimmt, die ihm nach Durchführung des Scheidungsverfahrens und nach Durchführung des Zugewinnausgleichs noch verbleiben sollten. Auf dieser Grundlage begünstigt er seine älteste Tochter.
Nach seinem Tod kommt es zum streitigen Erbscheinsverfahren. Wir machen für die Tochter geltend, dass sie gemäß dem eigenhändigen Testament des Erblassers Alleinerbin sein soll, weil der Erblasser ihr dasjenige Vermögen zum überwiegenden Teil zugedacht hat, das nach Abwicklung des Zugewinnausgleiches bei ihm noch vorhanden gewesen wäre. Die übrigen Kinder stellen sich auf den Standpunkt, dass zum Zeitpunkt des Todes tatsächlich die Vermögensverhältnisse noch nicht geregelt waren, so dass der Erblasser noch umfangreicheres Eigentum hatte, als er bei der Errichtung seines Testamentes vorausgesetzt hatte.
Das Nachlassgericht hat in diesem Fall in der ersten Instanz den Geschwistern Recht gegeben und wollte einen Alleinerbschein für die von uns vertretene Erbin nicht erteilen. Aufgrund unserer Beschwerde hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass maßgebend für den Erblasserwillen allein derjenige Sachverhalt ist, den er sich bei Errichtung des Testamentes vorgestellt hat. Es ist der wirkliche Wille des Erblassers aufgrund der von ihm vorausgesetzten Umstände maßgebend und nicht die Tatsache, dass zum Zeitpunkt seines Todes die von ihm vorausgesetzte Vermögensregelung im Rahmen des Scheidungsverfahrens noch nicht abschließend erfolgt war.
Wichtig also: Das Erbrecht ist bei der Ermittlung des wirklichen Willens eines Erblassers manchmal stärker als die zum Zeitpunkt des Todes vorliegenden Tatsachen (vgl. OLG Köln, 2 Wx 241/13; 2 Wx 249/13).
08.11.2013
Wolfgang Arndt, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Erbrecht