Fixierungen von Psychiatrie-Patienten: Eingriff in die Freiheit nur mit Entscheidung des Richters

Betreuungsrecht Pflege
27.07.2018118 Mal gelesen
Im Falle zweier Betroffener aus Bayern und Baden-Württemberg hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass aufgrund der Intensität der jeweiligen Eingriffe in das Grundrecht auf Freiheit die Anordnung der Fixierung durch den Arzt nicht ausreichend war.

Über Fixierungen von Patienten in einer Psychiatrie muss unter Umständen ein Richter entscheiden. Im Falle zweier Betroffener aus Bayern und Baden-Württemberg hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass aufgrund der Intensität der jeweiligen Eingriffe in das Grundrecht auf Freiheit die Anordnung der Fixierung durch den Arzt nicht ausreichend war.

In dem einen Fall hatte ein stark betrunkener Patient aus Bayern randaliert und wurde auf ärztliche Anordnung in der Klinik acht Stunden lang an Armen und Beinen sowie an Bauch, Brust und Stirn fixiert (sog. 7-Punkt-Fixierung). Ein weiterer Mann aus Baden-Württemberg war - ebenfalls nach ärztlicher Anordnung - an mehreren Tagen an Armen und Beinen sowie zusätzlich mit Bauchgurt fixiert worden (sog. 5-Punkt-Fixierung). Hiergegen wehrten sich die beiden Patienten.

Intensiver Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit

Die 5-Punkt-Fixierung und die 7-Punkt-Fixierung seien als Freiheitsentziehungen gem. Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) anzusehen, so das BVerfG, sofern es sich nicht um lediglich kurzfristige Maßnahmen handelt. Denn die Form der Fixierung sei immerhin auf vollständige Bewegungsunfähigkeit angelegt. Kurzfristig ist die Maßnahme nach Ansicht der Karlsruher Richter dann, "wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet".

Nicht bloß kurzfristige Fixierungen weisen laut BVerfG eine "besondere Eingriffsintensität" auf und begründen eine eigenständige Freiheitsentziehung, die den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG auslösen. Bei der 5-Punkt- und der 7-Punkt-Fixierung ergebe sich die besondere Eingriffsintensität auch "daraus, dass ein gezielt vorgenommener Eingriff in die Bewegungsfreiheit als umso bedrohlicher erlebt wird, je mehr der Betroffene sich dem Geschehen hilflos und ohnmächtig ausgeliefert sieht." Hinzu komme, dass durch den Eingriff häufig Menschen betroffen seien, die wegen ihrer psychischen Verfassung die Nichtbeachtung ihres Willens besonders intensiv empfinden.

Und wenn die Fixierung ganz schnell angeordnet werden muss?

Die Karlsruher Richter verlangen ab sofort einen richterlichen Bereitschaftsdienst von 6 bis 21 Uhr, so dass zügig über die Fixierung entschieden werden kann. Natürlich müssen aber "intensive Fixierungen" in dringenden Fällen, wenn also die Richter-Entscheidung nicht abgewartet werden kann, auch weiterhin nach ärztlicher Anordnungen zunächst möglich sein, v.a. bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung. Das sieht auch das BVerfG so. In dem Fall müsse aber die Genehmigung des Richters nachträglich gem. Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG unverzüglich eingeholt werden.

Bundesländer müssen nachrüsten

In vielen Bundesländern fehlt eine ausreichende Regelung zur richterlichen Anordnung. Für Baden-Württemberg erklärte das BVerfG das PsychKHG BW für unzureichend. In Bayern sieht das BayUnterbrG gar keine spezielle Ermächtigungsgrundlage vor. Die beiden Länder müssen nun bis zum 30. Juni 2019 aktiv werden und entsprechende (verfassungskonforme) Regelungen finden. Auch andere Bundesländer dürften oder sollten die Entscheidung des BVerfG zum Anlass für neue Regelungen nehmen.