BGH klärt wichtige Streitfrage bei stufenweiser Beauftragung des Architekten: Welche HOAI-Fassung ist anwendbar?

20.01.2015 1833 Mal gelesen
Mit Urteil vom 18.12.2014 (Az. VII ZR 350/13) hat der BGH entschieden, welche HOAI-Fassung anzuwenden ist, wenn ein Architekt (oder Ingenieur) stufenweise beauftragt wird und die HOAI zwischen dem Abschluss des ursprünglichen Vertrages und dem Abruf weiterer Leistungsstufen geändert wird.

Der Fall:

Die Vertragspartner schlossen im Mai 2009, also kurze Zeit vor Inkrafttreten der HOAI 2009, einen Generalplanervertrag über Leistungen der Objektplanung für Gebäude und Freianlagen. Es handelte sich hierbei um einen Stufenvertrag. Der Architekt sollte zunächst Leistungen entsprechend den Leistungsphasen 1-4 des § 15 HOAI (Fassung 2002) erbringen. Die Beauftragung der Leistungsphasen 5-8 (zweite Stufe) sollte optional, also aufgrund einseitiger Entscheidung des Auftraggebers, binnen 24 Monaten nach Abschluss der ersten Stufe erfolgen. Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der zweiten Stufe sollte der Architekt also nicht haben.

Der Architekt erbrachte die Leistungen der ersten Stufe und wurde innerhalb von 24 Monaten nach deren Fertigstellung zur Erbringung der Leistungen der zweiten Stufe aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war die damals neue HOAI 2009 bereits in Kraft getreten. Der Architekt legte deshalb seiner Abrechnung für die zweite Stufe die HOAI 2009 zugrunde. Dadurch ergab sich ein höheres Honorar als bei Zugrundelegung der HOAI 2002, denn im Zuge der HOAI-Novelle 2009 wurden bekanntlich die Honorare erheblich angehoben.

Der Auftraggeber wollte hingegen nach den Honorartafeln der HOAI 2002 abrechnen und zahlte entsprechend weniger an den Architekten. Dieser verlangt mit seiner Klage nun restliches Honorar.

Entscheidung des BGH:

Der Abrechnung für die Leistungen der zweiten Stufe ist die HOAI 2009 zugrunde zu legen.

Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem die Leistungen der zweiten Stufe beauftragt wurden. Gemäß § 55 HOAI 2009 (entspricht § 57 HOAI 2013) gilt die HOAI 2009 nur für Leistungen, die ab ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden. Für früher beauftragte Leistungen bleiben die Vorschriften der HOAI 2002 anwendbar. Es kam hier also darauf an, ob die Leistungen der zweiten Stufe bereits mit Abschluss des Generalplanervertrages im Mai 2009 oder mit dem späteren (nach Inkrafttreten der HOAI 2009) Abruf der zweiten Stufe vertraglich vereinbart wurden.

Hier war der Vertrag dahin auszulegen, dass hinsichtlich der Leistungen der zweiten Stufe mit dem Abschluss des ursprünglichen Vertrages im Mai 2009 zunächst nur ein befristet bindendes Angebot des Architekten vorlag. Denn der Auftraggeber behielt sich die Annahme dieses Angebotes zu einem späteren Zeitpunkt nach seiner freien Entscheidung vor. Eine feste Bindung des Auftraggebers hinsichtlich der Beauftragung des Architekten mit diesen Leistungen war nicht gewollt, zumal ein Anspruch auf Übertragung der zweiten Stufe ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Eine Bindung bestand insoweit nur für den Architekten.

Der Vertragsschluss über die Leistungen der zweiten Stufe erfolgte also noch nicht mit dem Generalplanervertrag vom Mai 2009, sondern erst mit der Aufforderung zur Erbringung der zweiten Stufe nach Inkrafttreten der HOAI 2009. Diese Aufforderung ist vertragsrechtlich als Annahmeerklärung des Auftraggebers zu verstehen.

Dieser am Wortlaut der § 55 HOAI (2009) orientierten Auslegung lässt sich, so der BGH weiter, auch nicht entgegenhalten, dass die Vertragspartner bereits bei Abschluss des Generalplanervertrages im Mai 2009 das Honorar für die Leistungen der zweiten Stufe festgelegt hatten. Das entsprechende Argument zahlreicher Vertreter im Schrifttum berücksichtige nicht hinreichend, dass bei einer stufenweisen Beauftragung vor der Beauftragung der weiteren Leistungsstufen lediglich eine einseitige Bindung des Architekten besteht. Demgegenüber behält sich der Auftraggeber die freie Entscheidung über die Annahme des Angebotes des Architekten vor.

Fazit:

Erfreulich ist, dass der BGH mit diesem Urteil einen seit langem schwelenden Streit in der juristischen Literatur entscheidet. Die in der Praxis verbreitete stufenweise Beauftragung wird für die Vertragspartner nun ein Stück weit rechtssicherer.

Besonders erfreulich ist dabei, dass der BGH mit allgemeinen, für jedermann nachvollziehbaren vertragsrechtlichen Grundsätzen argumentiert: Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande, §§ 145 ff. BGB. Dieser Grundsatz gilt auch im Architektenrecht: Wenn sich der Architekt verpflichtet, eine Leistung zu erbringen (= Angebot), der andere dieses Angebot aber - noch - nicht annimmt, wird insoweit - noch - kein Vertrag geschlossen. Daran ändert auch die HOAI nichts, die bekanntlich nur eine Gebührenordnung darstellt.

RA Dr. Andreas Schmidt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln