Mit der Entscheidung des EuGH vom 26. Juni 2008 wurde bestimmt, dass ein EU-Führerschein aus Polen, Tschechien etc. in Deutschland als legal anzuerkennen ist, wenn dieser Führerschein nach einer in Deutschland verhängten Sperrfrist erworben wurde und wenn der Erwerber das Wohnsitzerfordernis eingehalten hat.
Jeder Erwerber einer EU-Fahrerlaubnis muss dabei für mindestens 185 Tage seinen Wohnsitz im Ausstellerland nachweisen können.
Vorliegend wurde dem Kläger zweimal die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrten entzogen. Zu einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis kam es nicht, da er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorlegte. Daraufhin erwarb der Kläger im Dezember 2006 eine polnische Fahrerlaubnis, in der als Wohnsitz Stettin eingetragen wurde. Weil der Kläger das medizinisch-psychologische Gutachten auch später nicht einreichte, entzog die deutsche Straßenverkehrsbehörde die polnische Fahrerlaubnis. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht gab der Berufung des Klägers statt und hob die Entziehung der Fahrerlaubnis auf. Es vertritt unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung nun die Ansicht, dass eine von einem Deutschen in Polen erworbene Fahrerlaubnis von den deutschen Behörden anzuerkennen ist, auch wenn der Fahrerlaubnisinhaber in Polen nur einen Scheinwohnsitz hatte ("Führerscheintourismus"). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts habe die einer ungeeigneten Person von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Fahrerlaubnis entzogen werden dürfen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber in diesem Staat lediglich einen Scheinwohnsitz begründet habe. Denn die Fahrerlaubnis sei rechtsmissbräuchlich erworben worden. Daran könne aufgrund der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr festgehalten werden. Nur ausnahmsweise könne der Heimatstaat die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sich aus dem Führerschein selbst oder aus amtlichen Äußerungen des Ausstellerstaates ergebe, dass der Fahrerlaubnisinhaber dort (hier: Polen) keinen Wohnsitz gehabt habe. Dies war hier nicht gegeben (OVG Koblenz, 10 A 10851/08.OVG).
Künftige Tendenzen der deutschen Rechtsprechung:
Die Umgehung der MPU stellt einen Missbrauch von gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften dar. Keinen Missbrauch soll jedoch allein das Ausnutzen unterschiedlich strenger Regelungen der europäischen Mitgliedsstaaten darstellen, es sei denn, es ist von bewusster Umgehung der MPU oder gar einem Unterlaufen der nationalen (deutschen) Fahreignungsregeln auszugehen (vgl. z.B. Interessenabwägung des HessVGH v. 19.2.2007; NZV 2007, S. 379; OVG Berlin-Brandenburg v. 8.9.2006, BA 2007, S. 193).
Am 19.01.2009 soll dann die 3. EU-Führerschein-Richtlinie in Kraft treten, welche dem so genannten Führerscheintourismus entgegen wirken soll. Deren Regelungen hielt der BayVGH jedoch bereits in seiner Entscheidung vom 22.2.2007 (ZfS 2007, S. 354) mit Rücksicht auf deren erst spätere Anwendbarkeit im Hinblick auf eine Rückgriffsmöglichkeit im Rahmen des Instituts des Rechtsmissbrauchs zumindest für bedenklich.
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505