Hier war der Betroffene zunächst wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und Unfallflucht zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zudem wurde ihm der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung von drei Monaten verhängt.
Nachdem die Neuerteilung von einem medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU) abhängig gemacht wurde, erwarb der Betroffene einen neuen Führerschein in Tschechien. Die Fahrerlaubnisbehörde erlangte davon Kenntnis und forderte erneut zur Vorlage einer MPU auf. Der Betroffene kam der Aufforderung nicht nach, weshalb die Behörde ihm mit Bescheid untersagte von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Dagegen klagte der Betroffene. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hob den Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde auf. Die Aufforderung einer Straßenverkehrsbehörde an einen verurteilten Fahrerlaubnisinhaber zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist nicht berechtigt, wenn sie nach geltendem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich verpflichtet ist, eine in einem anderen Mitgliedstaat der EU nach Ablauf der inländischen Sperrfrist erworbene Fahrerlaubnis ohne weitere (eigene) Nachprüfung anzuerkennen und ein Fall des sog. Führerscheintourismus zumindest nicht anhand unbestreitbarer Informationen durch das Ausstellerland zu belegen ist.
Vorliegend war die dreimonatige Sperrfrist vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis abgelaufen. Auch konnte die Behörde keinen Missbrauch der gemeinschaftlich garantierten Freizügigkeit, sog. Führerschein-Tourismus, nachweisen. Ein solcher liegt nach der neusten Rechtsprechung des EuGH nur dann vor, wenn sich auf der Grundlage der Eintragungen im Führerschein selbst oder von anderen vom Ausstellerstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die aufgestellten Wohnsitzvoraussetzungen (also 185 Tage Wohnsitz im Ausstellerland Tschechien) im Zeitpunkt der Ausstellung nicht erfüllt waren.
Im Führerschein war aber ein tschechischer Wohnort angegeben. Zudem konnten keine unbestreitbaren Informationen für den Nachweis des Wohnorterfordernisses nachgewiesen werden. Dieser Führerschein / diese Fahrerlaubnis ist in Deutschland laut derzeit geltendem EU-Gemeinschaftsrecht anzuerkennen! (VG Gelsenkirchen, 8 K 1448/08)
Künftige Tendenzen der deutschen Rechtsprechung:
Die Umgehung der MPU stellt einen Missbrauch von gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften dar. Keinen Missbrauch soll jedoch allein das Ausnutzen unterschiedlich strenger Regelungen der europäischen Mitgliedsstaaten darstellen, es sei denn, es ist von bewusster Umgehung der MPU oder gar einem Unterlaufen der nationalen (deutschen) Fahreignungsregeln auszugehen (vgl. z.B. Interessenabwägung des HessVGH v. 19.2.2007; NZV 2007, S. 379; OVG Berlin-Brandenburg v. 8.9.2006, BA 2007, S. 193).
Am 19.01.2009 soll dann die 3. EU-Führerschein-Richtlinie in Kraft treten, welche dem so genannten Führerscheintourismus entgegen wirken soll. Deren Regelungen hielt der BayVGH jedoch bereits in seiner Entscheidung vom 22.2.2007 (ZfS 2007, S. 354) mit Rücksicht auf deren erst spätere Anwendbarkeit im Hinblick auf eine Rückgriffsmöglichkeit im Rahmen des Instituts des Rechtsmissbrauchs zumindest für bedenklich.
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505