Führerscheintourismus mit Segen des EuGH

Autounfall Verkehrsunfall
14.10.20063797 Mal gelesen

Der Führerscheintourismus blüht. Zwar gilt die sog. 185-Tage-Regel, wonach bei Erwerb einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis eine Wohnanschrift im ausstellenden Staat bestanden haben muss. Dennoch gelangen Grenzgänger erfahrungsgemäß recht leicht an das begehrte Dokument. Wer auf diese Weise nach einer Fahrerlaubnisentziehung in Deutschland die vor einer Neuerteilung notwendige Fahreignungsbegutachtung (MPU) umgehen will, konnte sich aber auch mit der im Ausland legal ausgestellten Fahrerlaubnis nicht sicher sein, dass der Inlandsgebrauch nicht doch durch die Deutschen Behörden untersagt würde, die nach wie vor den Nachweis der Fahrtauglichkeit nach nationalem Recht, d.h. eine MPU, abverlangten. Häufig wurde das Recht, von der ausländischen EU-Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, schlichtweg aberkannt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Vorgehensweise im April 2006 für unzulässig erklärt und so dem EU-Führerschein den Rücken gestärkt. Der EuGH hat sich in seinem Beschluss (AZ. C-227/05, "Halbritter") auf den Standpunkt gestellt, dass Deutschland vom Inhaber eines in einem anderen EU-Staat ausgestellten Führerscheins nicht verlangen kann, dass er die Bedingungen erfüllt, die bei uns für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis notwendig sind - also das Bestehen der MPU. Für die Luxemburger Richter steht der Grundgedanke der gegenseitigen Anerkennung und der Freizügigkeit innerhalb der EU-Mitgliedsländer über nationalen Besonderheiten des Erteilungsverfahrens, selbst wenn diese vordergründig der Verkehrssicherheit dienen. Letztlich eröffnet diese Rechtsprechung denjenigen Verkehrteilnehmern die Tür zurück auf die Straßen, die eigentlich nach einer Fahrerlaubnisentziehung wegen eines Alkohol- oder Drogendelikts und Ablauf der Sperrfrist  zwecks Ausräumung von Eignungszweifeln zum "Idiotentest" müssten. 

Es gibt durchaus auch in Staaten wie Polen oder Tschechien Mindestanforderungen, die an die Fahreignung des Antragsstellers gestellt werden. Solange es aber kein europaweit gültiges Verkehrszentralregister bzw. einen einheitlichen Fahrerlaubnis-Standard gibt, finden bestehende Eignungszweifel am Deutschen Fahrerlaubnis-Bewerber in diesen Ländern aber meist keine Beachtung.  

Der Verfasser ist überwiegend als Verteidiger in Verkehrsstraf- und OWi-Verfahren tätig

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