Gerichtsurteile und aktueller Entwicklungsverlauf zum Kündigungsschutz von Menschen mit Schwerbehinderung
Die Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern in der Probezeit erfordert spezifische Schutzvorkehrungen, die durch zahlreiche Gerichtsurteile klar definiert wurden. In diesem Artikel beleuchten wir die wesentlichen Aspekte und Entwicklungen aus den jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (C-485/20 HR Rail), des Bundesarbeitsgerichts (8 AZR 191/21) und des Arbeitsgerichts Köln (18 Ca 3954/23).
Spezielle Schutzvorschriften
Gemäß § 622 Abs. 3 BGB beträgt die Kündigungsfrist während der Probezeit zwei Wochen. Innerhalb dieser Zeit können beide Parteien das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen beenden. Diese Regelung dient der gegenseitigen Prüfung.
Für schwerbehinderte Mitarbeiter gibt es jedoch zusätzliche Schutzmaßnahmen gemäß dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX):
- § 168 SGB IX: Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Integrationsamtes.
- § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX: Während der Probezeit, also in den ersten sechs Monaten, ist diese Zustimmung nicht erforderlich.
Entscheidung des EuGH und dessen Bedeutung
Auch in der Probezeit genießen schwerbehinderte Arbeitnehmer besonderen Schutz. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass Arbeitgeber vor der Kündigung prüfen müssen, ob eine anderweitige Beschäftigung möglich ist. Alternativen wie die Anpassung des Arbeitsplatzes oder die Versetzung auf eine andere Position müssen erwogen werden.
Alternative Einsatzmöglichkeiten: Arbeitgeber müssen analysieren, ob der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.
Verhältnismäßigkeit: Eine Kündigung ist nur zulässig, wenn die Anpassung des Arbeitsplatzes den Arbeitgeber nicht übermäßig belastet.
Information des Integrationsamtes: Auch wenn keine Zustimmung erforderlich ist, sollte das Integrationsamt informiert werden.
Nationale Urteile im Überblick
Bundesarbeitsgericht (8 AZR 191/21): In diesem Urteil wird untersucht, ob eine Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX eine Diskriminierung wegen Schwerbehinderung darstellt. Das BAG stellte fest, dass eine solche Kündigung eine Benachteiligung nach § 22 AGG vermuten lässt, auch wenn die Schwerbehinderung zum Kündigungszeitpunkt noch nicht offiziell anerkannt, aber offensichtlich war.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer auch während der Probezeit durch das AGG geschützt sind, wenn die Kündigung im Zusammenhang mit ihrer Behinderung steht. Arbeitgeber müssen sorgfältig prüfen, ob alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Arbeitsgericht Köln (18 Ca 3954/23): Dieses Urteil betont die Pflicht zur Prävention gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX. Arbeitgeber müssen Präventionsmaßnahmen ergreifen, wenn Probleme im Arbeitsverhältnis auftreten. Eine Kündigung ohne diese Maßnahmen kann als Diskriminierung gewertet und somit nach § 164 Abs. 2 SGB IX rechtsunwirksam sein. Da gegen das Urteil Berufung eingelegt wurde, ist es noch nicht rechtskräftig.
Das Urteil ist derzeit nicht rechtskräftig, da gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln eingelegt wurde. Dies bedeutet, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln zur Unwirksamkeit der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers während der Probezeit aufgrund eines fehlenden Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX noch nicht endgültig ist und in einer höheren Instanz überprüft wird.
Dieser Rechtsmittelweg kann auch zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) führen, um unionsrechtliche Unsicherheiten zu klären.
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Für Arbeitgeber: Unsere Kanzlei bietet detaillierte Beratung, um sicherzustellen, dass Arbeitgeber die gesetzlichen Anforderungen und Best Practices im Umgang mit schwerbehinderten Arbeitnehmern einhalten. Wir unterstützen bei der Prüfung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten und der Dokumentation aller Maßnahmen. Darüber hinaus helfen wir bei der Einrichtung von Präventionsverfahren und vertreten Sie in Kündigungsschutzverfahren vor Gericht.
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Quellen zum Thema "Schwerbehinderung Probezeit":
- https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/arbg_koeln/j2023/18_Ca_3954_23_Urteil_20231220.html (Urteil AG Köln)
- https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/8-azr-191-21/ (Urteil BAG)
- https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=253723&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1 (Urteil EuGH)
- https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/index.html#BJNR323410016BJNE017401119 (SGB IX)
- https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ (BGB)