Dos und Don’ts beim Aufhebungsvertrag - Teil 3

lupe
25.02.202235 Mal gelesen
Aktuelle Rechtsprechung zum Gebot fairen Verhandelns: Dos und Don’ts beim Aufhebungsvertrag - Teil 3

Bekanntlich hat das BAG bereits im Jahr 2019 entschieden, dass ein Aufhebungsvertrag unwirksam ist, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist (BAG, Urteil vom 7.2.2019, 6 AZR 75/18). Dieser Beitrag skizziert den Inhalt dieses Gebots, die Folge bei einem Verstoß sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung und zeigt dabei auf, welche Handlungsweisen von Arbeitgebern risikobehaftet sind. Dabei wird auch auf das jüngste Urteil des BAG hierzu eingegangen (BAG, Urteil vom 24.2.2022, 6 AZR 333/21, Pressemitteilung Nr. 8/22).

In Teil 1 des Fachartikels Aktuelle Rechtsprechung zum Gebot fairen Verhandelns: Dos und Don'ts beim Aufhebungsvertrag wurden Inhalt des Gebots fairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag und die Folge bei einem Verstoß dargestellt. In Teil 2 des Fachartikels Aktuelle Rechtsprechung zum Gebot fairen Verhandelns: Dos und Don'ts beim Aufhebungsvertrag wurde die Entwicklung in der Rechtsprechung der LAG und die neueste Entscheidung des BAG vorgestellt. Der Beitrag wird nunmehr in seinem Teil 3 fortgesetzt und abgeschlossen.

Bewertung und Handlungshinweise

Die bisher vom BAG und von einigen LAG zur Entscheidung gekommenen Fälle zeigen, dass das Gebot fairen Verhandelns zumindest kein zum leichten Erfolg führendes Werkzeug im Arsenal reuiger Arbeitnehmer ist. Die für einen hinreichenden Verstoß aufgestellten Anforderungen sind hoch, d.h. der Arbeitgeber muss sich schon in einer arg zu missbilligenden Art und Weise verhalten. Zudem trifft die (primäre) Darlegungslast sowie vor allem die Beweislast den Arbeitnehmer. Dementsprechend wurde ein Verstoß bisher auch fast nie bejaht.

Somit kann man auf Arbeitgeberseite weitgehend gelassen bleiben. Voraussetzung hierfür ist aber natürlich, dass man jegliche ungeschickten oder sogar plumpen Vorgehensweisen bei der Führung der Verhandlungen tunlichst unterlässt. Wenn man sich als Arbeitgeber weiter absichern möchte, kann man Folgendes erwägen:

  • Wann immer es möglich ist, ist im Betrieb zu verhandeln, nicht aber in der Wohnung o.ä. des Arbeitnehmers. Der Betrieb ist typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis berührende Fragen besprochen und geregelt werden (BAG, Urteil vom 26.3.2015, 2 AZR 483/14).
  • Es sollte auch während üblicher Geschäftszeiten verhandelt werden. Zu vermeiden sind Verhandlungen insbesondere zu einem Zeitpunkt, wenn der Arbeitnehmer erkennbar erschöpft ist, z.B. nach einer langen körperlich anstrengenden (Nacht-)Schicht.
  • Auch wenn das Unterbreiten einer Aufhebungsvereinbarung dem Arbeitnehmer nicht angekündigt werden muss, sollte dennoch jede aktive Täuschung über die Inhalte eines anberaumten Gesprächs vermieden werden. Jedenfalls in Zusammenhang mit einer Verdachtsanhörung wurden solche Täuschungen als schädlich angesehen (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.6.2009, 5 TaBV 87/09; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.12.2010, 2 Sa 2022/10).
  • Wenn wegen länger dauernder Abwesenheit des Arbeitnehmers nicht im Betrieb verhandelt werden kann, sollte entweder schriftlich vorgegangen oder - wenn man dies nicht möchte - mit dem Arbeitnehmer ein Treffen - ggf. auch bei ihm vor Ort - vorab vereinbart werden. Unangekündigte Hausbesuche bergen stets das recht hohe Risiko, dass eine unzulässige Überrumplung angenommen wird. Wenn man hierauf dennoch nicht verzichten mag, müssten die sonstigen Bedingungen der Verhandlungssituation dies - nachweisbar - wieder ausgleichen, wie z.B. das nachweisbare ernsthafte Angebot an den Arbeitnehmer, nur zu verhandeln, wenn er dies möchte, und ansonsten zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen zu wollen. Im Falle der Erkrankung des abwesenden Arbeitnehmers müssen triftige Gründe für Verhandlungen noch während der Erkrankung vorliegen. Laut BAG (Urteil vom 7.2.2019, 6 AZR 75/18) ist es einem Arbeitgeber jdf. bei einer Kurzerkrankung des Arbeitnehmers ansonsten regelmäßig zumutbar, dessen Genesung vor der Aufnahme von Verhandlungen abzuwarten und ihn nicht unaufgefordert in der Wohnung mit einem Aufhebungsvertragsentwurf zu konfrontieren.
  • Insgesamt, insbesondere aber bei Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers durch Krankheit, fehlende Sprachkenntnisse o.ä. sollte möglichst bereits proaktiv eine "fairen" Verhandlungssituation geschaffen werden. Dazu kann es im Einzelfall bei Bedarf (zum Ausgleich erschwerter Bedingungen) beispielsweise auch einmal gehören, doch eine Bedenkzeit einzuräumen, einen Dolmetscher (z.B. sprachkundigen anderen Beschäftigten) hinzuzuziehen oder die Unterbreitung eines Aufhebungsvertrages doch anzukündigen.
  • Es kann gelegentlich vorkommen, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen von Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag besonders empfindlich reagiert oder geschockt und dadurch erkennbar nicht in der Lage ist, klare Gedanken zu fassen, so dass seine Entscheidungsfreiheit ersichtlich beeinträchtigt ist, ohne dass der Arbeitgeber diese Reaktion - vom bloßen Antragen eines Aufhebungsvertrages abgesehen - verursacht hätte. Auch hier ist Vorsicht geboten. Das BAG (Urteil vom 7.2.2019, 6 AZR 75/18) hat ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Situation nicht herbeiführen oder ausnutzen darf, so dass auch die Ausnutzung einer nicht selbst herbeigeführten Situation schädlich ist.
  • Ferner sollte auch auf die Dokumentation einer "fairen" Verhandlungssituation hingewirkt werden. Dies erleichtert die Verteidigung im Streitfall: Auch wenn der Arbeitnehmer die Beweislast für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhaltens trägt, muss sich der Arbeitgeber auf entsprechenden Vortrag des Arbeitnehmers hinreichend präzise einlassen.

Erwähnenswert ist noch, dass das Gebot fairen Verhandelns von seinem Anwendungsbereich her nicht nur auf Aufhebungsverträge bzw. Beendigungsvereinbarungen beschränkt ist. Vielmehr kann es Arbeitgebern unter Umständen auch in Zusammenhang mit anderen Vereinbarungen, wie Schuldversprechen oder Änderungsverträgen, begegnen bzw. - aus Sicht von Arbeitnehmern - ggf. versucht werden, es nutzbar zu machen. Entsprechende Versuche sind in einzelnen Entscheidungen auch bereits dokumentiert (z.B. BAG, Urteil vom 15.3.2005, 9 AZR 502/03 zu einem Schuldversprechen; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.8.2021, 1 Sa 103/21, zu einem Änderungsvertrag).