Aufhebungsverträge in Verbindung mit einem Angebot auf Begründung eines neuen befristeten Arbeitsverhältnisses mit einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit ("Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft"):
Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden oder aber weit reichende Umstrukturierungsmaßnahmen planen, können unter bestimmten Voraussetzungen auf betriebsorganisatorisch eigenständige Einheiten (beE) zurückgreifen, um den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen zu vermeiden. Insoweit werden den betroffenen Arbeitnehmern in der Regel Aufhebungsvereinbarungen angeboten. Darin ist geregelt, dass das bestehende Arbeitsverhältnis enden soll. Jedoch wird zusätzlich ein Angebot auf Begründung eines neuen, befristeten Arbeitsverhältnisses mit einer beE unterbreitet.
Primäres Ziel der Begründung neuer Arbeitsverhältnisse soll somit die Vermeidung betriebsbedingter Entlassungen sein. Die Arbeitnehmer könnten, zumindest vorübergehend, vor Arbeitslosigkeit bewahrt werden und die Möglichkeit nutzen, sich als Arbeitnehmer der beE innerhalb des befristeten Zeitraumes weiter zu qualifizieren und sich aus einem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus zu bewerben.
Begriff:
Ein einheitlicher Begriff für die beE existiert nicht. Sie werden zum Beispiel auch als "Qualifizierungsgesellschaften", "Beschäftigungsgesellschaften" oder "Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften" bezeichnet.
BeE können von Arbeitgebern eigenständig gegründet werden. Es besteht für Arbeitgeber aber auch die Möglichkeit, auf externe Anbieter zuzugreifen, die bereits über vorhandene Strukturen verfügen.
Gestaltung:
Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze von den Maßnahmen des Arbeitgebers (Umstrukturierung, Stellenabbau) betroffen sind, erhalten somit in vielen Fällen von ihren Arbeitgebern einen Aufhebungsvertrag in Verbindung mit einem Angebot auf Begründung eines neuen, befristeten Arbeitsverhältnisses mit der beE.
Der Arbeitnehmer darf jedoch nicht gezwungen werden (z. B. durch rechtswidrige Drohung), den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Ansonsten besteht die Möglichkeit, den geschlossenen Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen anzufechten. Die Aufhebungsvereinbarung muss somit einvernehmlich erfolgen.
Das Beschäftigungsverhältnis in einer beE ist in der Regel befristet. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis nach Fristablauf automatisch endet. Wird somit innerhalb des vorbenannten befristeten Zeitraums bzw. direkt im Anschluss daran kein neues Arbeitsverhältnis begründet, wird der betroffene Arbeitnehmer arbeitslos.
Die Befristung beträgt üblicherweise 1 - 2 Jahre. Dadurch wird die Höchstgrenze des § 14 Abs. 2 TzBfG nicht überschritten.
Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, erfolgt die Finanzierung in der Regel gemeinsam durch Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (Transferkurzarbeiter-Geld im Sinne des § 216 SGB III) und durch Zahlungen des vormaligen Arbeitgebers. Die Bundesagentur zahlt jedoch längstens zwölf Monate.
Arbeitgeber beteiligen sich in vielen Fällen derart, die von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Beträge aufzustocken und Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen finanziell zu unterstützen. Dies steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass sich die Unternehmen in einer Krise befinden und gerade keine zusätzlichen Leistungen aufwenden können. Die zusätzlichen Zahlungsbelastungen der Arbeitgeber werden in der Regel an anderer Stelle wieder kompensiert.
Die Arbeitsbedingungen in den beE sind ebenfalls unterschiedlich. Es kommt auf die vertragliche Gestaltung an. Es können zum Beispiel Verpflichtungen der Arbeitnehmer vereinbart werden, an Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit teilzunehmen. Möglich wäre auch eine Vereinbarung dahingehend, die Arbeitnehmer der beE für eine bestimmte Zeit auch an andere Unternehmen überlassen zu dürfen.
Durchzuführende Überlegungen:
Arbeitgeber können durch derartige Vereinbarungen einem Imageverlust entgegenwirken. Zudem werden Kündigungsschutzklagen derjenigen Arbeitnehmer vermieden, die diese Vereinbarungen schließen.
Betroffene Arbeitnehmer müssen sich allerdings sehr gut überlegen, ob der Eintritt in die beE für sie tatsächlich vorteilhaft ist. Letztendlich sollte verhindert werden, dass die Vorteile allein beim Arbeitgeber liegen. Es ist daher eine nüchterne Betrachtung anzustellen. Hierbei sollten zum Beispiel folgende Punkte berücksichtigt werden:
- Was passiert, wenn der Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet wird?
Kann der betroffene Arbeitnehmer überhaupt gekündigt werden?
(besonderer Kündigungsschutz, Aussicht eines Kündigungsschutzprozesses)
- Entstehen durch die Unterzeichnung der Vereinbarung wirtschaftliche Nachteile?
- Werden attraktive Zahlungen des Arbeitgebers an anderer Stelle wieder
kompensiert (niedrigere Renten, Anrechnung gezahlter Beträge,
Rückzahlungsverpflichtungen)?
- Bestehen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, innerhalb des befristeten Zeitraums
einen neuen Arbeitsplatz zu finden? Insoweit muss auch das Alter des betroffenen
Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Verneinendenfalls würde die Arbeitslosigkeit
folgen.
- Was geschieht, wenn die Bundesagentur für Arbeit keine Zahlungen gewährt?
- Welche Qualifizierungsmaßnahmen werden angeboten? Führen diese bei
Bewerbungen zu einem entscheidenden Vorteil?
- Werden Abfindungssummen angeboten?
Müssen diese gegebenenfalls wieder zurückgezahlt werden?
Ist der Auszahlungszeitpunkt geregelt und steuerrechtlich günstig?
- Wird arbeitgeberseitig versucht, Arbeitsbedingungen zu schlechteren Konditionen
mittels Auffanggesellschaften zu erzielen?
Wichtig ist ebenfalls, sich als Arbeitnehmer zeitlich nicht unter Druck setzen zu lassen. Schließlich geht es um die Zukunft der einzelnen betroffenen Arbeitnehmer.
Helen Althoff
Rechtsanwältin
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