Krankheitsbedingte Kündigung und betriebliches Eingliederungsmanagement

Arbeit Betrieb
09.10.2015342 Mal gelesen
Das BAG hat zwar mehrfach entschieden, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung ist. Gleichwohl hat der Arbeitgeber Nachteile zu befürchten, führt er dieses bEM nicht durch.

Bei krankheitsbedingten Kündigungen sind vier Fallgruppen zu unterscheiden:

. die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit
. die langandauernde Erkrankung
. häufige Kurzerkrankungen und
. krankheitsbedingte Leistungsminderung.

Das BAG hat schon mit Urt. v. 23.01.2014 - 2 AZR 372/13 - festgestellt, dass bei einer (auch außerordentlichen) krankheitsbedingten Kündigung das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeiten zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen zählt. Ferner fordert das BAG vor Ausspruch einer Kündigung ggf. eine Anpassung der Arbeitsvertragsbedingungen.

Sodann hat das BAG mit Urt. v. 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 - erhöhte Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bei einer auf eine dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützten Kündigung gestellt. Zunächst wird der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz erneut festgestellt. Allerdings wird eine Freikündigung eines anderen Arbeitsplatzes nicht gefordert.

Schließlich hat das BAG in dem Urt. v. 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 - grundlegende Ausführungen zur Notwendigkeit der Durchführung eines BEM sowie zu den kündigungsrechtlichen Folgen der Nichtdurchführung des BEM gemacht.
Zentrale Aussagen der Entscheidung - 2 AZR 755/13 - sind:

. Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt.
. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener "Suchprozess", der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll.
. Es ist Sache des Arbeitgebers die Initiative zur Durchführung eines BEM zu ergreifen.
. Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen aufzeigen, er muss vielmehr auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgegebene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger hätten vermieden werden können.
. Zu den Zielen des BEM rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneute Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann.
. Das BEM stellt insoweit nach der Rechtsprechung des BAG darauf ab, wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann, es geht nicht um den Arbeitsplatz, das BAG sieht hier ein "Redaktionsversehen" im Gesetz.

Wichtige Ausführungen finden sich zur Einleitung des BEM mit den entsprechenden Informationen an den Arbeitnehmer unter Rn 32 und zur Hinzuziehung der zu beteiligenden Personen und Institutionen unter Rn 48 in der Entscheidung vom 20.11.2014 - 2 AZR 755/13. Nur bei richtiger Unterrichtung des Arbeitnehmers kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein. Zu desen Vorgaben gehört es nach Rn. 32, den Arbeitnehmer

. auf die Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hinzuweisen,
. auf die Ziele hinzuweisen, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann,
. darüber zu informieren, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das er auch Vorschläge einbringen kann,
. darauf hinzuweisen, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.

Denkbares Ergebnis eines BEM kann es sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer dann unter Fristsetzung zur Inanspruchnahme der Leistung aufzufordern. Eine Kündigung kann erst dann wirksam erklärt werden, wenn diese Frist - trotz Kündigungsandrohung - Ergebnislos verstrichen ist.

Das BAG stellt also äußerst hohe Hürden für die Kündigung wegen Krankheit auf, erst recht für dazu noch schwerbehinderte Beschäftigte.

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