Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen auch in der Freizeitphase einer Altersteilzeit?

Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen auch in der Freizeitphase einer Altersteilzeit?
11.07.2014718 Mal gelesen
Muss auch ein gewerkschaftliches Aufsichtsratsmitglied, dass sich gerade in der Freizeitphase seiner Altersteilzeitphase befindet noch seine Aufsichtsratstantiemen gemäß den gewerkschaftsinternen Regelungen abführen?

Aufsichtsratsmitglieder versehen ihre Posten zumeist nicht ohne hierfür eine finanzielle Entschädigung zu erhalten. Diese kann in ihrer Höhe sehr unterschiedlich ausfallen. In Großunternehmen können die Aufwandsentschädigungen durchaus einen fünf- oder sogar sechsstelligen Betrag im Jahr erreichen. Auf Gewerkschaftsseite finden sich flächendeckend Satzungs- oder arbeitsvertragliche Regelungen, wonach von der Gewerkschaft aufgestellte Aufsichtsratsmitglieder einen Teil ihrer Aufsichtsratstantiemen an gewerkschaftsnahe Organisationen wie insbesondere die Hans-Böckler-Stiftung weiterleiten müssen.

Solche Regelungen werden von der Rechtsprechung seit Anfang der 90er Jahre grundsätzlich gebilligt. Insbesondere handelt es sich nicht um eine unzulässige Finanzierung des tariflichen Gegenspielers. Allerdings bedarf eine Satzungsregelung über eine Abführung von Aufsichtsratstantiemen, jedenfalls nach Auffassung des LG München (Urt. v. 17.03.2005 - 6 O 19204/04), der Zustimmung des Aufsichtsratsmitglieds. Ist das Aufsichtsratsmitglied arbeitsvertraglich an die Gewerkschaft gebunden, so kann sich eine entsprechende Zustimmung bereits im Arbeitsvertrag finden. Daneben kommt auch eine konkludente Zustimmung in Betracht. 

Trotzdem versuchen in der Praxis immer wieder einzelne Aufsichtsratsmitglieder ihrer Abführungspflicht zu entgehen. Meist ist dies dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis mit der Gewerkschaft endet, aber das Aufsichtsratsmandat noch weiterhin besteht und / oder das Verhältnis zur Gewerkschaft belastet ist. 

In einem derzeit beim BAG (Az. 8 AZR 956/13) anhängigen Rechtsstreit hat eine Gewerkschaft von einem von ihr vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglied die Auszahlung von Aufsichtsratstantiemen an zwei gewerkschaftsnahe Organisationen verlangt. Der Beklagte war bei der klagenden Gewerkschaft angestellt und die Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats gehörte zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten. Zudem war er Mitglied der Gewerkschaft und gemäß deren Satzung zur Abführung von Aufsichtsratstantiemen entsprechend einer internen Richtlinie verpflichtet. Eine ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers zur Abführung der Tantiemen lag nicht vor. Allerdings hatte er bis zum Jahr 2009 seine Aufsichtsratstantiemen bestimmungsgemäß abgeführt. Im gleichen Jahr war der Arbeitnehmer in die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit eingetreten. Die Aufsichtsratsmandate hat der Beklagte auch darüber hinaus in den Jahren 2010 und 2011 weiter ausgeübt, allerdings keine Tantiemen mehr abgeführt. Er hat argumentiert, es bestehe keine Pflicht zur Abführung, da sein Arbeitsvertrag eine solche Verpflichtung nicht enthalte und eine Verweisung auf die Satzung oder Beschlüsse des Gewerkschaftsrates nicht vorhanden sei. Zudem sei er während der Freizeitphase seiner Altersteilzeitregelung von der Arbeitsleistung befreit, so dass auch keine Abführungspflicht bestünde. Das Auftragsrecht finde keine Anwendung, da er im Aufsichtsrat kein Geschäft der Gewerkschaft, sondern ausschließlich des Unternehmens, in dessen Aufsichtsrat er Mandatsträger ist, erledige. 

Dieser Argumentation ist das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 31.10.2013 - 5 Sa 577/13) nicht gefolgt. Die Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten habe zur Arbeitsleistung des Beklagten gehört. Als Tendenzträger habe der Beklagte zudem bei der Wahrnehmung einer Aufgaben die Satzung und die Richtlinien der klagenden Gewerkschaft beachten und somit auch der Abführungspflicht nachkommen müssen. Hieran ändere die Freistellung von der Arbeitsleistung während der Freizeitphase einer Altersteilzeit nichts. Es habe weiterhin ein vollwertiges Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten bestanden. Einzig die Arbeitsleistung sei vom Arbeitnehmer bereits in Vorleistung erbracht. Nimmt er während der Freizeitphase noch einzelne Teilaufgaben wahr, so bestehen diesbezüglich auch weiterhin die arbeitsvertraglichen Pflichten und damit entsprechend auch die Abführungspflicht. 

Die Zahlungsverpflichtung des Beklagten ergab sich nach der Auffassung des LAG daneben aus einer konkludenten Vereinbarung zwischen den Parteien. Der Arbeitnehmer habe gewusst, dass er nur dann für einen Aufsichtsratsposten nominiert werden kann, wenn er sich zur Abführung eines Teils seiner Tantiemen verpflichtete. Obwohl er seiner Pflicht zur Unterzeichnung der Zustimmungserklärung nicht nachgekommen sei, habe der Arbeitnehmer durch die Abführung der Tantieme in den vorangegangenen Jahren erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er sich an an diese Verpflichtung halten wolle. Hierin lag nach Ansicht des LAG ein konkludentes Angebot, welches die Gewerkschaft durch die Nominierung des Beklagten konkludent angenommen habe. Der Anspruch der Gewerkschaft auf die Abführung der Tantiemen resultiere zudem auch aus dem Auftragsverhältnis zwischen ihr und dem Beklagten. Danach bestehe gem. § 667 2.Alt BGB analog eine Herausgabepflicht bezüglich der, durch die Aufgaben eines Gewerkschaftsvertreters im Aufsichtsrat erlangten Tantiemen.

Während die Ausführungen des LAG zur arbeitsvertraglichen und einer konkludent vereinbarten Abführungspflicht durchaus überzeugen, wird man einen Anspruch aus einem Auftragsverhältnis zutreffenderweise ablehnen müssen. Die Tätigkeit eines Gewerkschaftsvertreters im Aufsichtsrat wird weder vom Gesetzgeber noch von der Rechtsprechung als Tätigkeit im Interesse der nominierenden Gewerkschaft angesehen. Ihr Aufsichtsratsmandat haben auch Gewerkschaftsvertreter ausschließlich im Interesse des Unternehmens wahrzunehmen. Bei einem Auftragsverhältnis muss der Auftraggeber Herr des Geschäfts bleiben und der Beauftragte unterliegt daher grundsätzlich dessen Weisungen. Die Ausübung eines Aufsichtsratsmandats auch in einem mitbestimmten Aufsichtsrat hat dagegen weisungsfrei zu erfolgen. Alleine das Vorschlagsrecht der Gewerkschaften kann nicht zur Begründung eines Auftragsverhältnisses ausreichen. Letztlich wählen schließlich die Arbeitnehmer auch die sog. Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat. Die gewerkschaftlichen Aufsichtsratsmitglieder sollen in mitbestimmten Aufsichtsräten zudem nach der Vorstellung des Gesetzgebers gesamtgesellschaftliche (Arbeitnehmer-)Interessen und nicht die Interessen einzelner Gewerkschaften verfolgen.