Diskriminierung? Mann kann nicht als Frauenbeauftragter kandidieren

Diskriminierung? Mann kann nicht als Frauenbeauftragter kandidieren
15.05.2014389 Mal gelesen
Bisher herrschte unter Juristen landläufig die Meinung, dass ein deutscher Mann, der heterosexuell und nicht schwerbehindert ist, kaum eines der gängigen Diskriminierungsmerkmale aufweist. Letzteres widerlegt nunmehr die Entscheidung der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin...

Bisher herrschte unter Juristen landläufig die Meinung, dass ein deutscher Mann, der heterosexuell und nicht schwerbehindert ist, kaum eines der gängigen Diskriminierungsmerkmale aufweist.
Letzteres widerlegt nunmehr die Entscheidung der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Mai 2014 (VG 5 K 420.12), wonach Männer im Land Berlin jedenfalls nicht für das Amt der Frauenvertreterin kandidieren können, was faktisch zu einer Benachteiligung  aufgrund des Geschlechts im Sinne des § 1 AGG führt, die aber laut Auffassung der Richter gerechtfertigt sein soll.

Der Kläger ist Richter an einem Berliner Amtsgericht.

Für die bevorstehende Wahl der Frauenvertreterin beantragte er im November 2012 bei seiner Präsidentin das aktive und passive Wahlrecht.
Nachdem dieser Antrag abgelehnt wurde, schlugen fünf weibliche Beschäftigte des Amtsgerichts dem Wahlvorstand den Kläger als Kandidaten für die Wahl der Frauenvertreterin vor.
Der Kläger wurde folglich in der vom Wahlvorstand ausgehängten "Bekanntmachung der Kandidatinnen" war der Kläger als vorgeschlagener Kandidat aufgeführt, später teilte ihm der Wahlvorstand mit, dass er weder wählen noch gewählt werden könne, weil er ein Mann sei. Ein Eilantrag des Klägers, mit dem er die Aussetzung der Wahl erreichen wollte, lehnte das Gericht im Dezember 2012 ab.

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts wies nunmehr auch die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens gerichtete Klage des Klägers ab. Nach dem Landesgleichstellungsgesetz (LGG) seien wahlberechtigt und wählbar nur weibliche Beschäftigte einer Dienststelle. Der Kläger als Mann gehöre nicht zu diesem Personenkreis. Diese Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf weibliche Beschäftigte verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Nach dem Grundgesetz dürfe der Staat faktische Nachteile, die typischerweise Frauen träfen, durch begünstigende Regelungen ausgleichen. Eine solche ausgleichende Regelung habe der Berliner Gesetzgeber mit dem Landesgleichstellungsgesetz geschaffen. Auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz könne sich der Kläger ebenso wenig wie auf verschiedene EU-Richtlinien gegen Diskriminierung berufen, weil auch danach eine unterschiedliche Behandlung zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten gerechtfertigt sei. Diese bestünden im Übrigen weiter fort: Der Frauenanteil im höheren Dienst des Landes Berlin habe im Jahr 2012 zwar insgesamt bei 58,4 % gelegen; für die höheren Positionen (ab den Besoldungsgruppen A 16/R 2/C 3 bzw. den entsprechenden tarifvertraglichen Entgeltgruppen) sei aber nur eine Frauenquote zwischen 27,2 % und 33,4 % festzustellen. Nach dem LGG liege eine Unterrepräsentation von Frauen aber schon dann vor, wenn in einer Besoldungsgruppe einer Laufbahn in einer Einrichtung mehr Männer als Frauen beschäftigt seien.

Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden.

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil der 5. Kammer vom 8. Mai 2014 (VG 5 K 420.12)

Dr. Franziska Voltolini, MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht, Berlin / Potsdam / Cottbus