Nicht jeder Fehler bei der Einrichtung des Wahlvorstandes hat automatisch die Nichtigkeit der Bestellung zur Folge

Nicht jeder Fehler bei der Einrichtung des Wahlvorstandes hat automatisch die Nichtigkeit der Bestellung zur Folge
10.06.2013549 Mal gelesen
Wurde ein falsch bestellter Wahlvorstand von jemand eingerichtet, der hierzu befugt ist, führt dies, so das ArbG Wesel, nur dann zur Nichtigkeit, wenn in so hohem Maße gegen Wahlrechtsgrundsätze verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt.

Ein Unternehmen der Postdienstleistungsbranche streitet sich mit dem frisch gewählten Betriebsrat um die Gültigkeit der Wahl, in dem dieser gewählt worden ist. Das Unternehmen bietet Dienstleistungen für den Post- und Expressversand an. Es ist organisatorisch in der Weise aufgestellt, als dass es sowohl Depots als auch sogenannte Niederlassungen unterhält.  In der Niederlassung N. mit den dazu gehörigen Depots sind etwa 260 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Unternehmen strukturiert seine Depots regelmäßig um. Im Jahr 2009 führte eine solche Umstrukturierung dazu, dass der im ehemaligen Depot L. Straße N. gebildete Betriebsrat aufgrund der Schließung dieses Depots Anfang Juni 2009 sein Amt verlor. Das Unternehmen richtete zuvor und in der Folge drei neue Depots im Stadtgebiet L. ein.

Mit Schreiben vom 25.11.2009 wurde das Mitglied des ehemaligen Betriebsrates L der Niederlassung N.,  L.-Str., von dem Vorsitzenden des einzigen weiteren bei dem Unternehmen in I. eingerichteten Betriebsrates zur konstituierenden Sitzung eines Gesamtbetriebsrates eingeladen. Mit Schreiben vom 1.12.2009 wurde das Unternehmen informiert, dass sich am 30.11.2009 ein Gesamtbetriebsrat konstituiert hatte sowie dass u.a. ein Wahlvorstand für die Niederlassung N. gebildet worden war.

Unter dem 16.4.2010 erstellte der Wahlvorstand der Niederlassung N.  des Unternehmens ein Wahlausschreiben. Die Arbeitnehmer der Antragstellerin wurden in der Weise von der Wahl am 29.5.2010 unterrichtet, dass Mitarbeiter der Gewerkschaft ver.di sich Ende April 2010 vor einzelnen Depots aufstellten und die sich dort einfindenden Mitarbeiter aufforderten, sich in die Wählerliste eintragen zu lassen. Dabei haben 90 bis 100 Arbeitnehmer nach Angabe des Betriebsrates ihre Adresse angegeben.

Die Wahl des Betriebsrates fand schließlich am 29.5.2010 vor dem Depot des Unternehmens in der F.-Straße in L. statt. Ausweislich der Wahlniederschrift vom 29.05.2010 waren dabei 22 Wahlumschläge abgegeben worden.

Das Postunternehmen beantragt beim Arbeitsgericht, die Betriebsratswahl für nichtig, hilfsweise für ungültig zu erklären.

Das Unternehmen behauptet, das Wahlausschreiben vom 16.04.2010 sei per Post an einige, jedoch nicht an alle Mitarbeiter des Unternehmens versandt worden. Insbesondere habe es sich um Arbeitnehmer der Depots L. N. und des Depots S.-Str. gehandelt. Das Unternehmen meint, die Wahl des Betriebsrates sei nichtig, weil bereits die Wahl des Wahlvorstandes nichtig sei. Diese sei unter Missachtung von Formvorschriften erfolgt. So bestreitet sie, dass mit dem Schreiben vom 25.11.2009 auch eine Tagesordnung übermittelt worden sei.

Der Betriebsrat behauptet, alle Arbeitnehmer seien durch den Wahlvorstand oder durch die Mitglieder der Gewerkschaft ver.di vor den Depots angesprochen worden, diesen sei das Wahlausschreiben ausgehändigt worden. Die Wahl sei jedenfalls nicht nichtig.

Das Arbeitsgericht stellte fest, dass die Betriebsratswahl nicht nichtig ist. Die Betriebsratswahl ist indes anfechtbar und somit unwirksam.

Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl sei lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Die sei hier nicht der Fall. Es komme nicht darauf an, ob der Wahlvorstand durch den Gesamtbetriebsrat in unwirksamer Weise bestellt wurde oder ob der Gesamtbetriebsrat überhaupt in zulässiger Weise gebildet wurde. Die fehlerhafte Bildung eines Wahlvorstandes führe regelmäßig nicht zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl. Auch eine etwaige fehlerhafte Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrates oder sonstige Formmängel bei der Einrichtung des Wahlvorstandes der Niederlassung N. führten nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Das Unternehmen könne zur Begründung der Nichtigkeit der Wahl auch nicht darauf berufen, dass das Wahlausschreiben nicht ausgehängt worden ist. Hierin liege zwar ein Fehler, der eine Anfechtung der Wahl begründet, weil ein Verstoß gegen eine wesentliche Verfahrensvorschrift vorliegt. Die Nichtigkeit der Wahl, die nur in groben und krassen Ausnahmefällen anzunehmen ist, begründe der Verstoß nicht.

Die Wahl vom 29. Mai 2010 sei jedoch anfechtbar und damit unwirksam.

Das Unternehmen sei als Arbeitgeber anfechtungsberechtigt. Die Anfechtung sei auch fristgerecht durch das Unternehmen erfolgt. Auch liege ein Anfechtungsgrund vor.

Die Wahl vom 29. Mai 2010 ist unter Missachtung wesentlicher Wahlvorschriften von Statten gegangen. Hierdurch konnte auch das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden. Tatsächlich ist weder zum Zeitpunkt des Aushangs des Wahlausschreibens vom 16.04.2010 noch zum Zeitpunkt der Wahl die von dem Betriebsrat behauptete Wählerliste ordnungsgemäß ausgehängt worden. Durch diesen Verstoß konnte das Wahlergebnis auch beeinflusst werden. Es sei nicht auszuschließen, dass bei einem entsprechenden Aushang der Wählerliste Arbeitnehmer dieser Wählerliste widersprochen hätten und die Wählerliste korrigiert worden wäre. Nach der Angabe des Betriebsrates haben sich lediglich 90 bis 100 Arbeitnehmer auf der Wählerliste eintragen lassen. Tatsächlich beschäftigt der Arbeitgeber in der Niederlassung N. etwa 260 Arbeitnehmer.  Die Wählerliste war daher erkennbar falsch. Ein Widerspruch gegen die Wählerliste war daher nicht auszuschließen und damit auch ein möglicherweise anderes Ergebnis der Wahl vom 29.05.2010.

Nach alledem war die wirksam angefochtene Betriebsratswahl zwar nicht nichtig, jeodoch aufgrund der Anfechtung unwirksam.

(Quelle: Arbeitsgericht Wesel, Beschluss vom 29.10.2011; 4 BV 34/10)

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