Eine 1979 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Arbeitnehmerin steht seit 2009 in einem inzwischen unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einer Pflegeeinrichtung als Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Die Krankenpflegerin arbeitet im 2-Schichten-System und ist verschiedene Male verspätet zur Arbeit erschienen. Auch hat sie mehrere Male während ihres Dienstes den Notarzt aufsuchen müssen, weil ihr nicht gut war. Einmal erschien sie überhaupt nicht zum Spätdienst. Ein anderes Mal erschien sie mit 3 ½-stündiger Verspätung zur Frühschicht mit der Bemerkung, dass sie verschlafen habe.
Mit Schreiben vom 23.11.2011 wurde der Krankenpflegerin eine Abmahnung erteilt "auf Grund der Vorfälle vom 22.10.2011, 01.11.2011, 02.11.2011 und 05.11.2011, bezüglich" des Arbeitsbeginns, der Arbeitsaufnahme und auch der Meldung, dass sie nicht zum Dienst erscheinen könne.
Am 16. April 2012 rief die Krankenpflegerin um 6:10 Uhr auf der Station D043 an und teilte der diensthabenden Krankenschwester mit, dass sie am 16. und wahrscheinlich auch am 17.4.2012 "Krank ohne Schein" machen werde.
Das war der Pflegeeinrichtung zuviel. Sie informierte den Betriebsrat über eine beabsichtigte ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2012, der Krankenpflegerin am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Pflegeeinrichtung das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt zum 30. Juni 2012.
Die Krankenpflegerin reichte beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage ein.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt.
Ein wiederholt schuldhaftes verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz trotz entsprechender vorheriger Abmahnungen könne eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Die gegenüber der Krankenpflegerin ausgesprochene Kündigung scheitere jedoch daran, dass eine wirksame vorherige Abmahnung nicht vorliege. Voraussetzung einer wirksamen Abmahnung sei, dass eine Pflichtverletzung konkret bezeichnet wird und der Arbeitnehmer zugleich darauf hingewiesen wird, dass im Fall weiterer, gleichartiger Pflichtverletzungen der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet werde oder arbeitsrechtliche Schritte drohen.
Dieser Hinweis und Warnfunktion erfüllt die Abmahnung vom 23.11.2011 nicht. Außer der Tatsache, dass die Krankenpflegerin am 2. März 2012 unterschriftlich eine Aussprache bestätigt hat, ist nicht erkennbar, ob sie richtig belehrt wurde.
Die Pflegeeinrichtung stützt die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung auch darauf, dass die Krankenpflegerin am 16.04.2012 eine Arbeitsunfähigkeit angekündigt habe.
Die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer seil an sich geeignet, einen Grund sowohl zur außerordentlichen Kündigung, als auch für eine ordentliche Kündigung zu geben.
Die Pflegeeinrichtung wirft der Krankenpflegerin somit vor, einen versuchten oder vollendeten Arbeitszeitbetrug zu begehen. In der Betriebsratsanhörung hat die Pflegeeinrichtung vorgetragen, dass der Verdacht bestehe, dass sich die Krankenpflegerin durch vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit Freizeit verschafft habe.
Eine Verdachtskündigung könne nur nach vorheriger Anhörung des Arbeitnehmers wirksam ausgesprochen werden. Dem Arbeitnehmer ist die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Ausräumung des Verdachts zu gewähren. Weiter ist der Arbeitnehmer zwingend darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit besteht, dass eine Verdachtskündigung ausgesprochen wird, wenn der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann.
Da dies alles nicht gesehen sei, ist der Kündigungsschutzklage stattzugeben.
(Quelle: Arbeitsgericht Chemnitz, Urteil vom 25.10.2012; 3 Ca 1328/12)
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