Fragen nach eingestellten Ermittlungsverfahren sind im Einstellungsgespräch nicht zulässig

Fragen nach eingestellten Ermittlungsverfahren sind im Einstellungsgespräch nicht zulässig
09.01.2013336 Mal gelesen
Das Fragerecht des Arbeitgebers im Einstellungsgespräch gilt nicht uneingeschränkt. Es wird durch den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers begrenzt.

Im Einstellungsgespräch hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, sich über die Person des Stellenbewerbers, seine Kenntnisse und Fähigkeiten und seine Eignung für die ausgeschriebene Stelle zu informieren. Das Fragerecht des Arbeitgebers resultiert aus der allgemeinen Vertragsfreiheit. Es gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gebietet es, dem Informationswunsch des Arbeitgebers Grenzen zu setzen.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beschränkt das Fragerecht des Arbeitgebers insoweit, dass nur Fragen zulässig sind, an deren Beantwortung er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat. Darüberhinausgehende Fragen sind unzulässig und müssen vom Arbeitnehmer nicht beantwortet werden. Der Arbeitnehmer hat insoweit ein Recht zur Lüge. Eine Kündigung wegen wahrheitswidrig beantworteter unzulässiger Fragen ist unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht hatte über die Wirksamkeit der Kündigung eines Hauptschullehrers in Nordrhein-Westfalen zu entscheiden. Dieser wurde vor seiner Einstellung aufgefordert

auf einem Vordruck u.a. zu erklären, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Er unterzeichnete den Vordruck. Eine Anfrage des Arbeitgebers, des Landes Nordrhein-Westfalen, bei der Staatsanwaltschaft ergab, dass in der Vergangenheit mehrere zwischenzeitlich nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren gegen den Arbeitnehmer anhängig waren. Daraufhin kündigte das Land Nordrhein-Westfalen das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.

In seiner letztinstanzlichen Entscheidung bestätigte das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der ordentlichen und außerordentlichen Kündigung. Für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer seien Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren nicht erforderlich. Damit werde gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des Bundeszentralregistergesetzes verstoßen. Die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren stelle als Ausübung des informationellen Selbstbestimmungsrechts keinen Kündigungsgrund dar.

(Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 79/12,  Urteil vom 15. November 2012 - 6 AZR 339/11; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. März 2011 - 11 Sa 2266/10)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die wahrheitswidrige Antwort eines Arbeitnehmers auf eine unzulässige Frage im Einstellungsgespräch kein Kündigungsgrund darstellt. Der Arbeitnehmer hat insoweit ein Recht zur Lüge.

Bei allen Fragen im Arbeitsrecht, einschließlich solcher zum gesamten Bereich des Kündigungsrechts, berät die Himmelsbach & Sauer GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft in Lahr (Offenburg, Ortenau, Freiburg) Arbeitgeber und Arbeitnehmer und vertritt deren Interessen gerichtlich sowie außergerichtlich.

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